Voi ahoi! Die E-Scooter im Test

Nach drei Monaten sind die Voi Scooter an der HSG zu einem gewohnten Bild geworden. Nun ist der Test vorbei und die Scooter wieder weg. Doch wie haben sich die Scooter überhaupt geschlagen? Ein Test.

In Lyon warten Voi Scooter auf Kundschaft. Äusserlich sind sie identisch zum St. Galler Scooter. (zvg)

Den Bus verpasst, einen spontanen Termin wahrnehmen oder einfach das Verlangen nach einer kleinen Ausfahrt verspüren. All das sind gute Gründe, um die Möglichkeiten und Angebote der Mikromobilität zu testen. Für die sogenannte «letzte Meile» werden Elektrofahrzeuge wie E-Scooter und E-Bikes immer beliebter.

Pilotprojekt

100 Scooter, 3 Monate, ein Test. Im Hinblick auf das Energiekonzept 2050 und das Mobilitätskonzept 2040 wagte die Stadt St. Gallen am 30. Juli diesen Sommer ein Experiment. In Zusammenarbeit mit dem schwedischen E-Scooter Verleiher Voi hatten die St. Gallerinnen und St. Galler bis Ende Oktober Zeit, die roten Flitzer im Stadtbereich als alternatives Fortbewegungsmittel zu mieten und zu testen. Gesetzlich sind die E-Scooter einem Fahrrad gleichgestellt, womit auch Radwege mitbenutzt werden können, jedoch die generelle Vorschrift besteht, auf den Strassen zu fahren. Nun sind die «Trottis», wie manch einer sie auch gerne nannte, wieder verschwunden und die Auswertungs- und Entscheidungsphase über eine eventuelle Weiterführung hat begonnen.

Los!

Die Basisstruktur von Voi basiert auf dem beliebten «freefloating» System. Kunden können einen Scooter mieten, mit diesem an Ihren Zielort fahren und, soweit dieser innerhalb des Aktionsgebietes des Anbieters ist, den Scooter dort abstellen und ihre Buchung beenden. Das Gefährt muss nicht an eine bestimmte Station gebracht werden und ermöglicht der Kundschaft so mehr Individualität und Flexibilität. Einziger Nachteil: Befindet man sich an einem Ort, an den sich nur selten ein Scooter verirrt, kann der nächstgelegene fahrbare Untersatz ein ganzes Stück entfernt sein.

Wo sich der nächste Scooter befindet, wie viel Akku-Kapazität dieser hat und wie man ihn am besten erreicht, sieht man in der übersichtlichen VOI Scooters App. Diese kann kostenlos im App Store oder Google Play Store heruntergeladen werden. Nach der üblichen Registrierung hinterlegt man seine Kreditkarte zur Zahlung und schon ist man bereit für die erste Fahrt. Am Roller angekommen, scannt man mit der App den QR-Code auf der Lenkstange des Scooters, nach einem Bestätigungsklick wird dieser entsperrt und die Fahrt freigegeben. Man steigt auf den Scooter auf, tritt ein-, zweimal mit dem Fuss und kann dann rechts mit dem grünen «Schubhebel» seinem Drang nach Geschwindigkeit freien Lauf lassen – bis maximal 20 km/h. Wird man bergab dann doch mal etwas schneller und das Gefährt instabil, betätigt man mit der linken Hand den Bremshebel oder tritt auf die Fuss- bremse des Hinterrades. Am Zielort angekommen, stellt man den Scooter an einen geeigneten Platz und beendet seine Fahrt kinderleicht in der App. Der nun gesperrte Scooter ist wieder für den nächsten Benutzer bereit und die Kosten für die Fahrzeit werden auf der Kreditkarte belastet.

Studentisch?

Während der dreimonatigen Testphase begegnete man unzähligen weiteren E-Scootern in der Stadt, so auch auf dem Weg vom Bahnhof zur HSG. Im studentischen Alltag ist der Bus das meistbenutzte Verkehrsmittel um von A nach B zu gelangen. Für kurze Strecken, beispielsweise von der HSG zum theCO, könnten die Scooter nun aber eine Alternative sein. Im Durchschnitt benötigt man für die knapp 900 Meter lange Strecke HSG – theCO acht Minuten und zahlt zwischen vier bis fünf Franken für eine Fahrt, wobei das Entsperren alleine zwei Franken kostet. Bedenkt man dann noch die Steigung auf dem Rückweg vom the- CO zur HSG, fällt das Fazit schnell negativ aus. Selbst in einem leichten Anstieg gerät der Voi, eigentlich ein extra für St. Gallen antriebsstärkeres Modell, schnell an seine Grenzen. Man findet sich im Schneckentempo, durch schnelleren Verkehr eingeschüchtert und von nur wenig langsameren Fussgängern belächelt, soweit wie möglich rechts auf der Strasse wieder. Soll der Scooter dann noch an den Fahrradständer der HSG, muss auch mal geschoben werden. Schneller sind die Scooter somit kaum und gerade preiswert für Studenten scheint das Angebot auch nicht zu sein. Damit aber nicht genug.

Sicherheit

Wenig Zeit, keine Geduld und gestresste Lenker. Der Verkehr ist heutzutage zu gleichen Teilen chaotisch und schnell – für E-Scooter «zu» schnell. Trotz knalliger Farbe, Front- und Rücklichten wird eine Person auf einem E-Scooter häufig nicht als aktiver Verkehrsteilnehmer wahrgenommen. So kommt man sich beim War- ten an der Ampel fehl am Platz vor und Kreuzungen werden sowieso strategisch umfahren. Wer nicht wahrgenommen wird, sollte sich zu- mindest erkennbar machen, so beispielsweise mit den obligatorischen Handzeichen. Beim Fahrradfahren sind sie allbekannt und so auch bei E-Scootern vorgeschrieben. Blöd nur, dass die Scooter instabil werden, wenn man schneller, geschweige denn einhändig, fährt – den Schulterblick kann man sich gleich sparen. Will man, um gewagte Handzeichen zu geben, langsamer fahren, sollte bedacht werden, dass die Bremskraft, obwohl nicht annähernd so stark wie bei einem Fahrrad, einen doch auf dem falschen Fuss erwischen kann, wenn man sich zu weit nach vorne lehnt. Unabhängig vom Fahrstil wäre somit ein Helm ein willkommenes Accessoire, welches leider nicht im Preis inbegriffen ist und bei Bedarf selbst mitgebracht werden sollte. Wie sich die E-Scooter bei widrigen Bedingungen im St. Galler Winter geschlagen hätten, bleibt der eigenen Phantasie überlassen. Die Testphase ist vorbei. Dass die Rettungskräfte über diesen Sachverhalt nicht unglücklich sind, kann man sich aber gut vorstellen.

Alternative

Nichts desto trotz gibt es vielversprechende Alternativen, die sowohl preislich als auch praktisch überzeugen. Das Zürcher Start-up «smide» ist eines davon. Der E-Bike-Verleiher funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie Voi. Auch «smide» vermietet seine bis zu 45 km/h schnellen E-Bikes in einem freefloating-System und rechnet per App ab. Der grosse Unterschied und Vorteil von «smide» liegt im Fahrzeug. Anders als die E-Scooter hat ein «smide» die gewohnte Stabilität, Bremskraft und Präsenz auf der Strasse, sowie die nötige Kraft auch einen Berg hinauf zu fahren oder bei Schnee nicht zu versinken. Ein grosses Plus für smide ist zudem der für schnelle E-Bikes obligatorische Helm. Dieser ist bei jedem Bike im Korb dabei. Vergleicht man die Leistungen beider Anbieter werden die Unterschiede schnell deutlich. Starten beide gleichzeitig beim theCO, so ist das E-Bike von «smide» in der Kybun Arena angelangt, bevor der Scooter die HSG erreicht. Trotz dieses grossen Unterschiedes kostet das E-Bike dennoch nur halb so viel wie sein langsamer Rivale, ohne gratis-Minuten und Abos – die studentische Wahl ist somit getroffen.

Zukunft

Das Fazit der Stadt St. Gallen zum Voi-Projekt wird sich zeigen, eine Weiterführung würde aber sowieso erst im Frühling in Frage kommen. Die Hoffnung auf einen schnellen E-Bike Verleih darf dafür geweckt werden. smide, unter anderem in den Uni-Städten Bern und Zürich schon etabliert, kann sich im Verlauf des nächsten Jahres auch einen Ausbau in St. Gallen vorstellen. Eine echte, umweltfreundliche Möglichkeit für die «letzte Meile» besteht also auch für die Studierenden der HSG.

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