Thomas Lehrs Roman ist ein Versuch, das Unfassbare fassbar zu machen – 9/11 und den daraus resultierende Irakkrieg.
Zwei Väter und zwei Töchter, ihre Lebensgeschichten könnten unterschiedlicher nicht sein. Doch durch zwei politische Ereignisse entsteht auf einmal eine Verbindung zwischen den vier Ich- Erzählern: Der deutsche Literaturwissenschaftler Martin, der an der University of Massachusetts in Amherst Germanistik lehrt, verliert beim Anschlag auf das World Trade Center seine Tochter Sabrina und seine Ex-Frau. Martins Gegenüber ist der Iraker Tarik, ein liberaler, weltoffener Arzt aus Bagdad. Seine Tochter Muna wird drei Jahre nach den New Yorker Anschlägen in den letzten Tagen des Irak-Kriegs bei einem Bombenattentat in Bagdad getötet.
Auch wenn die vier Handlungsstränge rund um 9/11 zusammentreffen, ist die Geschichte alles andere als ein Anti-Kriegsroman. Vielmehr geht es darum, wie sich die politischen Ereignisse auf das Leben einzelner Menschen auswirken.
Jeder der vier Figuren erzählt seine eigene Geschichte in sich abwechselnden Kapiteln. Muna beginnt die Geschichte mit einer Fantasie aus 1’001 Nacht. Sie stellt sich vor, in der Hochzeitsnacht ihrer Schwester unter dem Bett ihrer Grossmutter zu liegen, während ihre ältere Schwester auf dem Bett von einem Major verführt wird. Als der Roman fortschreitet, kehrt Muna langsam wieder auf den Boden der Tatsachen zurück – genau jene «erträumte» Affäre treibt ihre Schwester in die Folterkammer von Saddam Hussein.
Thomas Lehr spielt bewusst mit dem westlichen Bild des exotischen Orients. Er serviert dem Leser die Klischees auf dem Silbertablett, nur um ihn danach durch die brutale Realität von Bagdad vor und während des Kriegs vor Augen zu führen.
Thomas Lehr erzählt – wortwörtlich – ohne Punkt und Komma und ausschliesslich in Form innerer Monologe. So entsteht der Eindruck eines Langgedichtes in Prosa, in welchem sich die Bewusstseinsströme der vier Protagonisten reflektieren. Diese suchen nach Begründungen für die Gewalt, die in ihr Leben einbricht, auch wenn sie nichts mit ihr zu tun haben.
Carl Hanser Verlag478 Seiten