Ob man nun Lernunterlagen, ein Dach über dem Kopf oder den Prüfungsplan sucht: Sharing is Caring schafft in allen Belangen Abhilfe. prisma hat sich mit einem der Gründer der Facebook-Gruppe unterhalten.
Auf einer internationalen Oikos-Konferenz in Barcelona im März 2012 erfuhr der damalige BIA-Student Nikolai Räber (siehe Bild) in einem Gespräch von einer holländischen Gruppe desselben Prinzips wie dasjenige des heutigen Sharing Is Caring. Von der Idee begeistert, gründete er im darauffolgenden Juni mit drei Freunden Sharing is Caring University of St. Gallen.
Von der Idee zur Umsetzung
Neben dem offensichtlichen Ziel, eine pragmatische Plattform zur Förderung des studentischen Austausches zu schaffen, stand insbesondere die Stärkung der Community und ein gewisser Nachhaltigkeitsgedanke im Vordergrund: Gebrauchsgegenstände sowie Wissen der Studierenden sollten mit einem über die eigene Peer-Gruppe hinausgehenden Netzwerk geteilt werden können. Die Umsetzung dieses Vorhabens gestaltete sich am Anfang äusserst aufwändig und es musste viel Zeit und Mühe in die Generierung von Traffic investiert werden.
Dazu wurde einerseits das direkte Umfeld zur regen und unkonventionellen Nutzung der Plattform animiert, andererseits griffen die Gründer auch zu ausgefalleneren Mitteln, um die Gruppe in den HSG-Alltag zu integrieren, wie beispielsweise einer Verlosung von 50 Chipspackungen für die nächste WG-Party.
Die vier Freunde hatten mit ihrer Intuition ins Schwarze getroffen und schon nach ein paar Monaten erreichte die Gruppe durch vorhergehendes stetiges Wachstum ihr Momentum und wurde zum Selbstläufer. Aus Gründerperspektive erfreute man sich nicht zuletzt daran, dass die angedachte Philosophie von den Kommilitonen umgesetzt wurde, dass ein Bedürfnis bestand, zu teilen und sich auszutauschen – dem Ruf des gelebten Einzelkampfes an der HSG trotzend.
Die Westwanderung
Am Erfolg aus der Ostschweiz anknüpfend, wurde das Konzept sodann auf andere Schweizer Universitäten ausgeweitet, doch die veränderten Umstände erschwerten den Aufbau. Trotz einer vielfach kleineren Studentenanzahl in St.Gallen als in Zürich, zählt die Gruppe in der Heimatstadt mit mittlerweile über 12’000 Mitgliedern beinahe doppelt so viele Sharer wie sein westlicher Bruder. Grund dafür ist ein veränderter Kontext: Nicht nur ist St. Gallen als Unistadt und mit seiner überschaubaren Grösse wohl prädestiniert für ein derartiges, auf Austausch basierendes Konzept, sondern es fehlte an anderen Universitäten auch am insbesondere für die Anfangsphase essenziellen lokalen Netzwerk.
Potenzial für Grösse

Noch während der Studienzeit spielte man mit dem Gedanken, das Ganze auf einem grösseren Level aufzuziehen und auch finanziell in die Expansion zu investieren. Es wurde eine fünfte Person mit ins Team geholt, welche mit ihrem ETH-Hintergrund für die Programmierung zuständig gewesen wäre. Auch wenn Bedürfnis und Potenzial durchaus gegeben waren, so entschieden sie sich schlussendlich gegen die Ausweitung, da sie erkennen mussten, dass es genug andere gab, die diese Idee aufgriffen.
So sind aus der Gruppe heraus zahlreiche Start-ups entstanden, die den Informationsüberfluss in Sharing Is Caring zu filtern versuchen und sich auf spezifische Bedürfnisse der Studierenden in der Gruppe professionell fokussieren. Eine gute Erfahrung war es laut Nikolais Aussage nichtsdestotrotz; so konnten die von Entrepreneurship begeisterten Freunde auf einer Art Spielwiese erste Einblicke in die Aspekte der digitalen Welt und des Marketings erhaschen.
Auch bezüglich des Aufbaus einer Community gewannen sie an Erkenntnissen: «Die Kommunikation zwischen den Studis nimmt manchmal ein wenig lustige Züge an», schmunzelt Nikolai. So kam es nicht selten vor, dass Studierende mittels eines Posts Sachen mit ihren WG-Kollegen tauschten, da die Kommunikation dieses Bedürfnisses zu Hause misslang.
Controlling durch Selbstzensur
Mittlerweile, über drei Jahre nach Aufsetzung, hat sich das Team auf zwei aktive Mitglieder reduziert. Nikolai Räber und Dennis Froesch bewirtschaften über ihre Studienzeit hinaus noch immer die Gruppe und stellen durch Selektion der unzähligen Anfragen sicher, dass der Kerngedanke der Gruppe bestehen bleibt.
Zur weiteren Sicherung eines gewissen Qualitätsstandards achten die beiden auch auf das Einhalten rudimentärer Anstandsregeln sowie das Fernbleiben politischer Werbung von Banner und PinPost, denn der Bezug zur Universität sollte stets gegeben sein. Allerdings wollen sie dabei keinesfalls als Zensurstelle agieren, sondern übertragen diese Verantwortung gewissermassen stillschweigend an die Community. «Grundsätzlich kann jeder das Thema interpretieren, wie er oder sie will, dann wird diskutiert – und das ist okay so», meint Nikolai.
Von der Community, für die Community
Eine dieses Jahr getätigte Neuerung ist die zwischenzeitliche Ablösung des altbekannten Sharing Is Caring-Banners durch kommerzielle Werbung. «Diese Banner von Firmen sind ein Service, den wir mittlerweile anbieten, einfach weil es Firmen gibt, die es attraktiv finden, in dieser Gruppe etwas zu publizieren», so Nikolai. Das Potenzial als Marketing-Tool sollte in der Ausrichtung jedoch nicht Überhand gewinnen, und die Werbung darf nicht plakativ, sondern muss studiumsbezogen sein.
Die Preise variieren je nach Anfrage: Während grössere Firmen pro Tag 50 Franken für den Banner, 35 Franken für einen Pin-Post oder 70 Franken für eine Kombi bezahlen, wird von Vereinen und Start-ups ein symbolischer Beitrag von rund 10 bis 15 Franken verlangt. Während ein Teil der Einnahmen zur Deckung der
Spesen und des Zeitaufwandes der letzten Jahre verwendet wird, fliesst das meiste Geld durch Spenden wieder an die Community zurück – gerade letztens wurden damit Betroffene der Flüchtlingskrise mittels einer Partnerschaft finanziell unterstützt.
Angesichts des hochgepriesenen Bezugs zur HSG ist es interessant, dass die Universität – abgesehen von den Bibliotheksdamen – noch nie auf die Gründer zugekommen ist. Nicht selten werden auf Sharing is Caring auch Fragen beantwortet, die eigentlich in den Aufgabenbereich der Studienadministration gehören. Neben dieser Entlastung trägt die Plattform mit ihrer auch schon in den nationalen Medien in positivem Kontext kommunizierten Mentalität zum positiven Image der HSG bei. «Sie könnten mal danke sagen!», lacht Nikolai.
Heute Facebook, morgen Nirvana?
Doch wem müsste die HSG überhaupt danke sagen? Drei BIA-Absolventen und einem BWL-Studenten. Gemeinsam haben sie vor allem das Interesse für Unternehmertum mit Bezug zu gesellschaftlichen Problemen. Heute, nach ihrer Zeit an der HSG, haben sie verschiedene Social Impact Start-ups gegründet – Nikolai konkret entwickelt mit «WormUp» Wurmkompostsysteme für nachhaltige Haushalte und Communities.
Daneben ist er auch bei der Social Enterprise «Velafrica» in Bern tätig, welche mit gesammelten Fahrrädern zur Förderung der hiesigen Mobilität Velo-Hubs in Afrika aufbaut. Und wie geht es mit Sharing is Caring weiter, jetzt da die Gründer ihr Studium an der HSG beendet haben? «Wir haben uns noch gar nicht gross Gedanken darüber gemacht. Aber man muss jetzt auch mal realistisch sein: Irgendwann ist es schön gewesen und wenn irgendjemand diese Gruppe weiterkurieren will, dann ist das okay», meint Nikolai und setzt nach: «Aber wir haben nicht vor, sie am 1. Januar 2016 zu löschen und alle Studenten ins Nirvana der Kommunikationslosigkeit zu schicken.»
Bild: Luana Rossi / Illustration: Nina Amann