Studieren mit der Wunderflunder

Erobert das iPad nach der Couch jetzt auch den Hörsaal? Wenn es nach der HSG geht, soll schon 2011 mit dem Tablet studiert werden.

In einem Konferenz-Raum der Executive School der Universität St. Gallen (ES-HSG) trifft sich eine Handvoll Studenten. Es ist eine internationale Gruppe aus Asiaten, Europäern und Amerikanern, welche hier ihren MBA erlangen. Sie nehmen dabei an einem Pilotprojekt teil, weshalb jeder von ihnen beim Betreten des Raumes ein iPad unter dem Arm trägt. Dieses haben sie zum Eintritt ins Herbstsemester kostenlos von der Uni bekommen.
Die Pilotgruppe trifft sich bereits zum dritten Mal in diesem Semester zum Erfahrungsaustausch. «Es ist leicht, handlich und schnell – also perfekt für den Einsatz auf dem Campus», wirft ein Student ein und zeigt damit die vermeintliche Überlegenheit gegenüber PCs und Laptops auf. «Aber es ist sehr schwer, eine Präsentation auf dem iPad zu erstellen; ich bin daran gescheitert», erwidert ein Kommilitone und empfiehlt, dafür weiterhin das Notebook zu benutzen.

Die HSG als Vorreiter

Neben so alltäglichen Vorgängen wie der Erprobung der Synchronisation von Mails und Kursen sollen die Studenten vor allem eine eigene Applikation entwickeln, die alle diese Funktionen vereinigt und das Studium direkt unterstützt. An einem ersten Entwurf für die zukünftige App wird bereits gefeilt. Durch ständige Updates sollen die MBA-Anwärter dann stets über die neusten Informationen verfügen und auch das gemeinsame Arbeiten an Gruppenprojekten wird durch diese interaktive Schnittstelle vereinfacht werden. «Wir experimentieren mit dem iPad, um herauszufinden, wie es den Lernprozess in unserem MBA-Programm verbessern kann», erklärt Dr. Rob Straw, Direktor des MBA-Programms, den Zweck des Projekts. Ziel ist es, zum kommenden Studienjahr jeden Studenten an der ES-HSG mit dem Tablet-Computer von Apple auszustatten.

Dabei bleibt bis jetzt die Frage offen, wie die Professoren an die neue Technologie herangeführt werden. Brauchen sie ebenfalls ein iPad oder reicht es, wenn sie die Inhalte im entsprechenden Format zur Verfügung stellen? Und ist es möglich, dass das iPad den Computer vollständig vom Campus verdrängt? «Das kann ich mir nicht vorstellen», meint einer der Projektteilnehmer, «man kann ja von einem iPad nicht einmal drucken.» Es wird also weiterhin nötig sein, das iPad in Kombination mit einem PC zu verwenden.

Ein Projekt mit Schwächen

Ulf Claesson, Dozent für Entrepreneurship and Technology an der ETH Zürich und Software-Entwickler, sieht die aktuelle Entwicklung sehr kritisch. «Das Ganze ist eine völlige Hysterie. Es handelt sich beim iPad um ein schlechtes Gerät, das ohne sinnvolle Anschlussmöglichkeiten in einem geschlossenen Ökosystem funktioniert. Wenn jemand Geltungsbedürfnis hat, soll er sich so ein Gerät kaufen, aber es kann nicht die Aufgabe einer Universität sein, so ein überteuertes Gerät zu pushen.» Zudem macht Claesson deutlich, dass der Fokus nicht auf den Computern liegen darf. «Geräte sind nicht wichtig, der Inhalt ist wichtig und ein Gerät wie das iPad ist nur ein Fenster zu diesem.» Besonders in Anbetracht günstigerer Alternativen bei kommenden Tablet-Computern und bereits bestehender Software kritisiert er das Pilotprojekt aufgrund der enormen Gerätedimension und der aufwändigen Neuentwicklung der Software. Der Experte schliesst: «Wenn ich das Projekt der ES-HSG sehe, wird mir schwindlig.»


Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

*

*

*