«Tiger fressen keine Yogis» von Helge Timmerberg

Man sagt, dass Menschen drei Minuten brauchen, um sich in einen anderen Menschen zu verlieben. Ich bin überzeugt, das dies auch auch für die Liebe zu anderem gilt. Ich jedenfalls habe drei Seiten gebraucht, um mich in Helge Timmerbergs Buch zu verlieben.

Helge Timmerberg, der 1952 im hessischen Dorfitter geboren wurde, beschloss mit zwanzig Jahren, Journalist zu werden. In seinem Buch «Tiger fressen keine Yogis» finden einige seiner unzähligen Reisereportagen aus aller Welt Platz. Seine Reise Berichte veröffentlichte er unter anderem in der Süddeutschen Zeitung, der Zeit, Allegra, Stern, Spiegel, dem Playboy und der Bunten. Er zählt zu den Enfants terribles des deutschen Journalismus, was er seinem manchmal zu direkten Schreibstil und seinen Drogengeschichten aus Amsterdam und anderen Orten der Welt verdankt.

Timmerberg gehört zu denjenigen Geschöpfen unserer Welt, welche die Hippiebewegung der 60er-Jahre hervorgebracht hat. So handelt eine seiner Geschichten von der berühmten Strasse von Istanbul nach Indien, die unter anderem auch durch den postrevolutionären, islamisierten Iran von 1979 führt. Sein Gespür für heikle Situationen und sein Wissen darüber, wie man mit fremden Kulturen umgeht, sind bemerkenswert und führen dazu, dass der Leser regelmässig ins Staunen versetzt wird. So auch bei der Geschichte, die er während eines Aufenthaltes in Tel Aviv zu Zeiten des ersten Golfkrieges schrieb. Seine Beschreibungen sind detailgetreu. Die Konsequenz daraus ist, dass man beim Lesen Figuren aus seinen Erzählungen plötzlich vor sich sieht und die Wirkung einer solchen Begegnung zu spüren scheint. Neben Ernst und Tragödie versteht es Timmerberg auch immer wieder, den Leser zum Lachen zu bringen, was die Geschichte über das Jodlerfest in den Schweizer Alpen beweist.

Wenn man so lange auf Reisen ist wie Timmerberg, so scheint es legitim, dass man Sehnsüchte verschiedenster Art entwickelt. Zum Beispiel die Sehnsucht nach einer eigenen Familie, die ihn packte, als er für eine Story in Tanger, Marokko, verweilte. Auch einfache Wünsche wie der nach Klopapier finden sich in seinen Geschichten. So berichtet er von einer Klopapier-Not in Indien, die darin endete, dass er ein ganzes vollgeschriebenes Notizbuch und somit gleichzeitig Stoff für einige Reportagen opfern musste. Die Sehnsucht nach menschlicher Nähe kommt auch nicht zu kurz: Im Verlaufe des Buches erfährt der Leser regelmässig von verschiedenen Geliebten. Mal beschreibt er seine Beziehung zu seiner marokkanischen Freundin in Tanger, die wöchentlich den Hexer aufsucht, um sich seiner Liebe zu vergewissern, oder von einer Freundin aus Argentinien, mit der er eine Reise nach Indien unternimmt.

Timmerbergs Texte sind ehrlich und persönlich, sein Schreibstil ist direkt. Wie ein roter Faden zieht sich seine Kraft, mit der er die Welt entdeckt und erobert, durch seine Storys. Schnell wird klar, was Helge Timmerberg zu einem erfolgreichen Journalisten macht. Sein Rezept sind Mut und die Gabe, alles loszulassen, um an einem anderen Ort der Welt etwas Neues zu finden. Sein Mut überwältigte seine Angst und veranlasste ihn, in die Pestgebiete Indiens der 90er-Jahre zu reisen oder in das Weisse eines Tigerauges zu blicken. Seine Erzählungen sind interessant, menschenorientiert und zeugen von einer Entdeckungslust, wie man sie seit Kolumbus nicht mehr gesehen hat.

Wer herausfinden möchte, wieso Tiger keine Yogis fressen, oder versuchen will, seine unbefriedigte Reiselust ein bisschen zu stillen, sollte sich Helge Timmerbergs Buch vornehmen.

Tiger fressen keine Yogis: Stories von unterwegs
Autor: Helge Timmerberg
258 Seiten
Erschienen bei: Piper, 2004.


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