Das St. Gallen Symposium wurde 1969 mit der revolutionären Stimmung der 68er-Bewegung im Rücken gegründet, die auch die Schweiz erreichte. Organisiert und durchgeführt wird es jährlich durch das International Students’ Committee (ISC), einem studentischen Verein, heimisch an der Universität St.Gallen.
Unterdessen besuchen rund eintausend Teilnehmer aus über 70 Nationen die Veranstaltungen, die inzwischen mit namhaften Persönlichkeiten aufwarten, wie beispielsweise Josef Ackermann (Ex-CEO Deutsche Bank), Laurence D. Fink (CEO Blackrock), Dominic Barton (Ex-Global Manager McKinsey) oder Anders Fogh Rasmussen (Ex-NATO-Generalsekretär). Auch der ehemalige UN-Generalsekretär und Friedensnobelpreisträger Kofi Annan oder Christine Lagarde, Direktorin des Internationalen Währungsfonds, waren in vergangenen Jahren schon Gast.
Es lebe der Dialog
Die Konferenzen sind zweifellos eine weltweit führende Initiative für generationenübergreifende Debatten über wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entwicklungen. Das Symposium hat es sich zum Ziel gesetzt, die Chancen und Herausforderungen unserer Zeit herauszukristallisieren und sie personell oder institutionell zuzuordnen; und wie es sich für gute konstruktive Kritik gehört, auch konkrete Lösungsansätze anzubieten. So präsentierte das St. Gallen Symposium 1977 eine Diskussionsrunde mit dem damaligen deutschen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer und dem Vorsitzenden des
Deutschen Gewerkschaftsbundes Heinz Oskar Vetter.
Die Presse kommentierte die Debatte mit diversen Artikeln – kurz darauf wurde Hanns Martin Schleyer tragischerweise von der Roten Armee Fraktion (RAF) entführt und ermordet. Die Konferenz in St. Gallen wurde daher zu einem seiner letzten öffentlichen Auftritte.
Einsatz, Einsatz, Einsatz
Mitglieder des ISC reisen um die Welt, um die wichtigsten Menschen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik nach St. Gallen zu bringen. Auf sogenannten Marktreisen treten sie mit allerlei Leuten in Kontakt und steigern das Renommee des Symposiums. Auch organisieren sie Hotels, Chauffeure, Security, Logistik und vieles mehr für das Event. Dafür arbeiten jedes Jahr über 30 Studentinnen und Studenten absolut freiwillig respektive ohne Entgelt im International Students’ Committee (ISC) und an ihren physischen Grenzen, mit vollem Einsatz und oft zu wenig Schlaf.
Nur so ist es ihnen möglich, für die längst etablierte Uni St. Gallen einen bedeutsamen Beitrag zu leisten, der den guten Ruf und die Bekanntheit unserer Universität noch zu steigern vermag. Weil sie für ein ganzes Jahr ihr Studium pausieren und dabei mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten zu tun haben, kommen dabei die unterschiedlichsten und manchmal auch die verrücktesten Geschichten und Erlebnisse zustande.
Das Unerwartete und andere Herausforderungen
Und natürlich gibt es immer wieder auch unvorhergesehene Ereignisse: Als Sigmar Gabriel (ehemaliger deutscher Vize-Kanzler und SPD-Vorsitzender) als Speaker eingeladen war, musste sein Flieger lange auf die Landeerlaubnis des Flughafens St. Gallen-Altenrhein warten – und so hielt er seine Rede in gewisser Weise auf die Minute genau. Auch schon dagewesen: Das Symposiums-Zelt brach wegen Schnee ein und man musste just eine spontane Lösung finden, es wieder aufzustellen. Oder: Philip Erzinger, ehemaliger Symposiums-CEO, wurde als Helfer für das 48. Symposium angefragt. Seine Bedingung war, dass er Fahrer sein dürfte, was für das Team in Ordnung ging.
So stieg er freitagabends aus seiner abgedunkelten S-Klasse aus, sein Chauffeur fuhr wieder weg. Er zog sich schnell die blaue Helferkrawatte an, um in den BMW zu steigen und für den Rest des Abends sowie Samstagmorgen die Langstrecke vom Flughafen hin und wieder zurück zu fahren. Ein andermal hatte die Helferin von Jeremy Rifkins, einem weltweit bekannten Ökonomen, gerade das Gepäck verladen, als dieser trocken meinte: «Wir werden nicht schneller als 110km/h fahren, Sie halten immer mindestens 60 Meter Abstand zum Vordermann und wir kommen in einer Stunde beim Flughafen an, und wenn ich sage eine Stunde, meine ich eine Stunde.»
Trotz dieser klaren Ansage gab es auf der nachfolgenden Fahrt doch noch ein super Gespräch, wie uns seine Helferin und Chauffeurin versicherte.
Always go the extra mile!
Bemerkenswertes Detail: Das ISC-Team verfasst jede Einladung handschriftlich. Viele dieser Einladungen kommen spontan zustande und werden persönlich übergeben, wenn Team-Mitglieder beispielsweise zufällig im gleichen Hotel wie Angela Merkel unterkommen oder ebenso zufällig Lewis Hamilton und Toto Wolff an einer Konferenz in Madrid treffen. Und ebenfalls erwähnenswert: Da das ISC-Team in eine Stiftung eingegliedert ist, kommen die Hotelübernachtungen durch Partnerschaften zustande, die das Team aufbaut und pflegt. Ein Team hat es einmal – wohl mit etwas Glück – geschafft, für drei Wochen bei einer Marktreise durch Warschau, Prag, Bratislava und Budapest ausschliesslich in 5-Sterne-Hotels zu übernachten – im Anschluss entpuppte sich eines der 5-Sterne-Hotels in Budapest dann als ein beliebtes Escort-Service-Hotel…
Oder 2017 in Laax hat sich ein 15-köpfiges ISC-Team gemeinsam in die Sauna eines Hotels gequetscht und so einem deutschen Pärchen da drin brutal sämtliche Romantik abgewürgt – aber dann trotzdem noch einen spontanen Pitch hingelegt, um für das Symposium zu werben! Man kann nicht sagen, der Spass käme beim ISC zu kurz. Und die ISC-Moral? «Always go the extra mile!», und wenn’s sein muss, auch mal in ein spottbilliges Motel, ohne die geringste Form von Luxus und lediglich mit kaltem Wasser.
Von der HSG für die Welt
Das St. Gallen Symposium ist den Menschen definitiv nahe. Es ist nicht mehr von der Universität St.Gallen wegzudenken und es besticht mit seiner Ehrlichkeit und Unvoreingenommenheit zu den unterschiedlichsten Positionen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Dieses Forum hat sich tatsächlich einen Platz auf der Weltbühne des Talk ergattert, mit der unerschütterlichen Energie und dem starken Einsatz von – man muss es sagen – Studierenden der HSG. Darauf können wir hier an der Uni St.Gallen doch stolz sein!