In einem der modernsten Gebäude an der Universität St. Gallen trifft prisma Professor Thomas Rudolph. In einem lichtdurchfluteten Büro mit hunderten von Büchern, verstaut in einem Massivholzgestell, Kaffee und Pralinen auf dem ebenso markanten Tisch findet sich der Ordinarius am Forschungszentrum für Handelsmanagement geborgen. Auf die Schawinski-typische Einstiegsfrage findet Rudolph eine prägende Antwort: «Eigentlich bin ich Hochschullehrer und fühle mich dem Satz «from insights to impact» verpflichtet.» Dabei versucht er die Forschung nicht nur zu publizieren, sondern so zu formulieren, dass in der Praxis auch wirklich etwas passiert. Weiter sieht sich Thomas Rudolph als Gesprächspartner für verschiedene Anspruchsgruppen in der Praxis, wobei er sich seiner Medienpräsenz und seiner Expertise im Bereich Retail-Management bewusst ist. «Ich bin jedoch auch Familienvater», erzählt der Professor. Er hat drei, mittlerweile studierenden, Kinder und lebt in St. Gallen. «Zusammenfassend kann man sagen: Ich bin Brückenbauer.» Er bildet nicht nur Brücken von der Theorie in die Praxis, wie man dies von einem Fachexperten erwarten würde, sondern genau auch umgedreht. Die Forschungsthemen, mit denen das Institut arbeitet sieht er nicht als «rocket sience», wobei Thomas Rudolph es umso mehr für wichtig hält, dass man die akuten Problematiken der Realität kennt und dass jene in der aktuellen Forschung auch aufgegriffen werden können. Aus dieser Praxis seien in der Vergangenheit schon viele neue Theorien und Forschungsrichtungen entstanden, was der Professor sehr zu schätzen weiss.
Eine sportliche Kindheit
«Ich bin mit sehr viel Sport aufgewachsen», betont Thomas Rudolph in einem Rückblick auf seine glückliche Kindheit. Durch seine Eltern ist er sehr früh mit Leichtathletik in Berührung gekommen – seit klein auf war der Olympiasieg im 100 Meter Lauf sein Traum. Was eine Weile andauerte und volle Unterstützung von den Eltern bekam, musste frühzeitig, mit 14 Jahren, infolge einer schweren Knieverletzungen aufgegeben werden. Nebenbei spielte der Professor schon damals Tennis, worauf er sich nach seiner Verletzung hauptsächlich konzentrierte. Trotz intensiver Trainings und grosser Widmung merkte Thomas Rudolph, dass er das gewünschte Spitzensportler-Niveau nicht mehr erreichen wird. Keine lange Zeit später entdeckte er die Leidenschaft am Unterrichten. «Ich hatte gemerkt, dass wenn Leute bei mir Training hatten, insbesondere Jugendliche, dann sind diese auch relativ schnell besser geworden.» Noch während seiner Bundeswehrzeit in Deutschland machte Rudolph daraufhin eine Ausbildung zum staatlich geprüften Tennislehrer an der Technischen Universität in München. «Ich erwähne dies gerne, da ich hierdurch die Freude am Unterrichten entdeckt und gemerkt habe, dass mir dies liegt.»
Aus dieser prägenden Zeit nimmt der Ordinarius vielerlei mit. Er habe schon frühzeitig gelernt, dass man im Leben klare Ziele braucht, zu welchen man hingebungsvoll arbeiten sollte. Der Weg zum Ziel könne jedoch sehr vielfältig sein, wobei man selbst äusserst flexibel sein sollte: «Ein starker Wille kann Berge versetzen.» Was aber wohl die prägendste Erkenntnis zu sein scheint, ist die Gründlichkeit – sowohl beim Trainieren, als auch in der Forschung.
Von der Tennisschule ins Ausland
Nach der Sportlehrerausbildung fing Rudolph in Mannheim an BWL zu studieren. Noch während seinem Studium gründete Rudolph seine eigene Tennisschule, nicht zuletzt um dieses finanzieren zu können. Rudolph spielte zwar immer noch selber in Mannschaften, konzentrierte sich aber mehr und mehr auf das Unterrichten. Dabei plante er auch Reisen nach Mallorca, Jugoslawien und Spanien, wo die Tennisbegeisterte eine Woche lang trainierten. Nach dieser intensiven Tenniszeit war für Thomas Rudolph jedoch klar: jetzt braucht es einen Schnitt. Dieser kam gelegen, als sein Umzug in die Schweiz anstand. Während dem Schreiben seiner Diplomarbeit, für welche man damals noch ein dreiviertel Jahr zur Verfügung hatte, entdeckte er den Spass am Schreiben und der empirischen Arbeit, worauf er sich gerne der Forschung widmen wollte. Seine Arbeit wurde in Mannheim prämiert, was seinen Wunsch zu promovieren zusätzlich erweckte. Ihm wurde nahegelegt, dass eine Promotion fünf bis acht Jahre braucht, wie ein guter Wein sei, der reifen muss. Zwar habe er in Mannheim viel gelernt, doch acht Jahre waren für Rudolph zu viel – er suchte eine Möglichkeit, wo er dies schneller bekommen könnte. «Damals hatte ich mir ein Verzeichnis zum Thema «Wo kann man promovieren?» zugelegt und fünf Bewerbungen rausgeschickt, wobei eine St. Gallen war. Ich wusste ehrlich gesagt nicht einmal, wo St. Gallen genau liegt.» Nach seiner Ankunft hatte der baldige Doktor ein sehr angeregtes Gespräch mit dem damaligen Professor Weinhold, der ihm eine Promotion in zwei Jahren in Aussicht stellte. Durch eine spontane Entscheidung erfolgte somit der Umzug in den Süden.
Der Beginn einer neuen Ära
In Mannheim hatte Thomas Rudolph eher theoretisch und empirisch gearbeitet – hier in St. Gallen war dies anders. Wenn in seiner Diplomarbeit der praktische Teil stark gekürzt werden musste, war dies an der HSG sehr gefragt. Daraus folgte ein positiver erster Eindruck von St. Gallen. Am damaligen Lehrstuhl war Rudolph Assistent von Professor Weinhold: Damals kamen fünf Lehrstuhlmitarbeiter auf rund 50 Marketingstudierende, heute seien es etwa 100 wissenschaftliche Mitarbeiter, welche von den Instituten finanziert werden und das Marketingrenommé der HSG stärken. Thomas Rudolph bekam bald darauf ein Angebot in Richtung Handelsmanagement zu arbeiten, als sein Doktorvater ihm einen Forschungsauftrag des Bundes mit anvertraut hatte. Schon nach einem Jahr wollte Weinhold ihn als Leiter der Handlungsforschung einstellen, Rudolph wollte aber promovieren. Daraus entstand folgende Abmachung: Thomas Rudolph nimmt das Angebot an, legt aber die Schwerpunkte der Handelsforschung selber fest. Mit einem wichtigen Sponsor, dem Gottlieb-Duttweiler Institut, konnte er seine Dissertation schnellen Weges abschliessen.
Einen Kulturschock erlebte Thomas Rudolph nicht zwingend. St. Gallen war viel überschaubarer dazumal, vor allem im Vergleich mit Mannheim. «Ausserdem musste man in der Mensa nicht anstehen.» Die Forschungsthemen waren aber ähnlich, jedoch viel mehr auf die Praxis bezogen. «Am meisten gefiel mir jedoch die Kollegialität», erinnert sich der Professor. Für ihn war hier ein etwas magischer Ort: diese Vielseitigkeit, wo Prof. Tomzcak kurze Zeit später zum Tandem der Professoren Weinhold und Belz dazu gestossen ist, zeigte sich durch viele Gruppenarbeiten, Praxisprojekte und Zusammenarbeit mit vielerlei Menschen, wie beispielsweise dem russischen Aussenminister. Wichtig war auch die Natur, die in einer Grossstadt definitiv zu kurz kommt. «Ich komme mit Schweizern gut zurecht.» Rudolph findet die Menschen hier sehr angenehm, trotz einer Herausforderung, wo er gleich nach seiner Ankunft ein Protokoll zu einem Workshop schreiben musste. Die Teilnehmer sprachen alle in ihrem Dialekt, den er damals kaum verstand.
Segeln und Reisen
In seiner Freizeit reist Thomas Rudolph viel. Von Asien bis Amerika – jede kleinste Ecke möchte er entdecken. Er reist gerne an unterschiedliche Orte. Im Sommer jedoch geht er gerne mit seiner Frau Wandern. Auch Tennis spielt er noch ab und zu – am liebsten mit seinen Söhnen. Kultur gehört natürlich auch dazu: Jazzmusik und Museen. Doch Kreativität kommt in seiner Freizeit, aber auch in der Forschung nicht zu kurz: Die Suche nach neuen Feldern und Aspekten entfaltet sich in seinen Momenten der Entspannung. Sei es beim Joggen oder beim Segeln, Rudolphs Gedanken finden freien Lauf und es entsteht Neues.
Für Thomas Rudolph ist die Arbeit an der HSG ans Herz gewachsen: Dadurch verbindet er Leidenschaft, Kreativität und Viel-
seitigkeit. Was eine zufällige Auswahl auf einem Universitätsverzeichnis war, entwickelte sich zur langjährigen Arbeit an unserer Alma Mater und am Institut für Handelsmanagement, wozu auch der Gottlieb Duttweiler Lehrstuhl zählt. Wo diese Forschung uns in den nächsten Jahren hinführen wird, wissen wir zwar auch nicht, doch mit solchen äusserst interessanten Personen an der Spitze können wir nur das Beste erwarten.