In der Vorlesung ist er stets zu einem lockeren Spruch aufgelegt. Doch wie sieht seine Welt abseits des Marketings aus? Wir treffen Torsten Tomczak, der das Leben nicht immer allzu schwer nimmt und auch nachdenkliche Seiten von sich zeigt.
Schon auf der Autofahrt vom stürmisch verschneiten St. Gallen in das klimatisch doch etwas mildere Zürich machen wir uns Gedanken, was für einen Professor Torsten Tomczak wir in seinen vier Wänden antreffen würden. Tomczak ist zumindest jedem BWL-Studenten bekannt und seine Vorlesungen gehören zu den beliebtesten an der HSG, nicht zuletzt aufgrund seiner Entertainerqualitäten. Aber auch seine hohe Fachkompetenz und Begeisterungsfähigkeit werden von den Studenten geschätzt.
Wir finden uns in einem schönen Zürcher Wohnviertel vor einem modernen roten Haus wieder. Aus dem Aufzug kommend, stehen wir direkt im Wohnzimmer. Ein leger gekleideter Professor Tomczak empfängt uns und bietet uns Tee und Kaffee an. Die Wohnung ist modern und hell, eine grosse Glasfassade führt zu einer ebenso grossen Terrasse. Es wirkt heimelig, mit vielen Schuhen im Eingangsbereich, Bildern an der Wand und sonstigen Details, die alle etwas über die Bewohner verraten. Wir entdecken japanische Schriftzeichen und Kalligraphie. «Meine Frau interessiert sich dafür», erzählt Tomczak uns.
Aufgewachsen in Westberlin
Tomczak wurde 1959 in Westberlin geboren. Er beschreibt sich selbst mit zwinkerndem Auge als phasenweise guten Schüler, je nach Lebensphase und Interesse. In der Freizeit konnte er sich vor allem für Fussball begeistern. Eine Leidenschaft, die ihn bis heute begleitet. Als Fan von Hertha BSC besuchte er als 14-Jähriger regelmässig das Stadion, auch wenn er dafür die eine oder andere Griechisch- oder Lateinstunde opfern musste. Seinen Traum, Bundesligastürmer zu werden, konnte er dann doch nicht verwirklichen. Dafür fehlte es ihm vor allem an Kondition, weshalb er häufig in der zweiten Halbzeit ausgewechselt wurde. «Ich war einfach zu faul im Training», flachst er.
Tomczak wuchs im geteilten Berlin auf. Diese Erfahrung prägt ihn noch heute ein Stück weit. «Früher ging die Mauer ja mitten durch die Stadt. Da gab es dann so eine Ausbuchtung, wo heute Berlin Mitte ist.» In seinem inneren Bild von Berlin ist noch heute diese Ausbuchtung. Wenn er zu Besuch in Berlin ist, muss er sich manchmal beim Autofahren zwingen, nicht die alten Routen und damit Umwege zu fahren. Der Mau- erfall bleibt ihm als einer der einschneidensten Tage seines Lebens in Erinnerung. Die ganze Familie sass vor dem Fernseher. «Die Mauer fiel und keiner glaubte das. Auf einmal standen am selben Abend die Verwandten vor der Haustür.» Ab und an scheinen noch einige Fragmente des Berliner Dialekts in seinen Sätzen durch.
Studium in Berlin
Wir fragen ihn, wie wir uns den Studenten Tomczak vorstellen können. Mit Blick in die Ferne sagt er: «Das ist ewig her» – und holt etwas aus: «Nach dem Abitur hatte ich eigentlich keinen Plan». Eigentlich wollte er etwas ganz anderes studieren. «Archäologie», fügt er hinzu und schmunzelt ein wenig. Sein Vater war davon nur mässig begeistert. Er landete dann doch bei der BWL und entdeckte das Marketing für sich. Nach dem Studium ging er unter anderem in den elterlichen Betrieb. Tomczaks Eltern betrieben ein Handelsunternehmen, welches Molkereiprodukte verkaufte. Auch Marketing gehörte dazu. «So ist mir auch klar geworden, warum ich zum Marketing gekommen bin. Wahrscheinlich ist das familiäre Prägung.»
Weil er dann letztlich an der Uni gelandet und nicht im Handelsbusiness geblieben sei, sieht sich Tomczak ein wenig als schwarzes Schaf der Familie. Auch heute noch müsse er sich bei Familientreffen den einen oder anderen Kommentar anhören.
Von Berlin in die Schweiz
Nach einer Arbeitsstelle in einer klassischen Werbeagentur wurde Tomczak von seinem Doktorvater kontaktiert, der ihm eine Post-Doc-Stelle an der HSG empfahl. Dort gefiel ihm auf Anhieb die Atmosphäre der Institute, die wie kleine bis mittlere Unternehmen aufgebaut seien.
Der Schritt in die Schweiz fiel Tomczak nicht schwer. «Ich hatte immer ein sehr positives Bild von der Schweiz», erinnert er sich. Dank des Molkereibetriebs seiner Eltern war er in seiner Kindheit oft in der Schweiz. Häufig verbrachte die Familie ihre Ferien hier. Wir fragen ihn nach seinem Lieblingswort auf Schweizerdeutsch. Er überlegt nicht lange: «Gsi!», und vor allem dessen Funktion im Satz gefalle ihm sehr.
Tomczaks grosse Leidenschaft ist die Musik. «Der Held meiner Jugend ist Neil Young. Und natürlich David Bowie. Die 70er-Jahre waren das Jahrzehnt, in dem ich musikalisch sozialisiert wurde.» Später wurde er Fan von Oasis. «Wirklich schade, dass die sich getrennt haben.» Tomczak spielt auch in der Professorenband «No Business». «Seit 15 Jahren machen wir regelmässig miteinander Musik», erzählt er uns und kündigt prompt ein Live Comeback seiner Band an – «Return of No business». Er war massgeblich am mittlerweile legendären HSG-Song beteiligt. «Wir haben die Musik einfach mal aufgenommen und einem professionellen Produzenten gegeben.» So entstand die HSG-Hymne, die mittlerweile sogar als Remix-Version existiert.
Neben der Musik geht er gerne Joggen. Jeden zweiten Tag, zwischen sieben und zehn Kilometer. Dann denkt er über alles Mögliche nach. Anderen kommen gute Ideen unter der Dusche, ihm beim Joggen.
Klar schaue er auch fern. Vor allem natürlich Fussball auf Sky. Unter tausend Serien empfiehlt er uns die Serie «Justified». Ansonsten liest er gerne Krimis von Ian Rankin. Generell versuche er medial immer up-to-date zu bleiben. Er habe den Vorteil, dass er sich für sämtlichen «Mist» interessiere. Im Wartezimmer beim Arzt lese er jeweils die Gala, was seine Frau amüsiere. Als Marketingprofessor sei man eben nie ganz ausser Dienst, scherzt er.
Überhaupt scheint Marketing in Tomczaks Alltag omnipräsent zu sein. Hier fängt er an, ausschweifend zu philosophieren. Über Privates redet er nicht ungern, aber bedachter als über Fachliches. Wir merken, dass die Privatperson Tomczak und der Professor in der Vorlesung zwar die selbe, aber ohne Widerspruch nicht ganz die gleiche Person ist. Grundsympathisch sind uns jedenfalls beide.
Bilder Alexandra Furio
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Thomas Heyer
Habe mich sehr gefreut, nach vielen Jahren etwas von meinem “Mentor” aus Westberliner Zeiten zu lesen.
Thomas Heyer
Berlin – Zehlendorf