Warum bei Frauen nichts los ist und Männer an nichts denken


Bei Frauen ist nie nichts los. Wenn wir also auf die Frage «Was ist los?» mit «Nichts» antworten, dann kann das Alles sein – ausser Nichts, weiss Redaktorin Evelyne Schlauri.


An erster Stelle möchte ich anmerken, dass nicht alle Frauen dieses Klischee bedienen. Ebenso wenig, wie es alle Männer aus diesem Artikel auszugrenzen gilt. Dennoch sind gewisse Antwortmuster beim einen Geschlecht häufiger anzufinden – etwa auf die Frage «Was ist los?». «Nichts». Das ist etwa so, wie wenn man die Frage «Schläfst du schon?» mit «Ja» beantworten würde.

Viele Männer können es selten nachvollziehen, dass Frau etwas sagt, aber eigentlich etwas anderes meint. Warum sagen wir nicht gleich, was Sache ist? Eine einzige Antwort darauf gibt es natürlich nicht. Das ist nicht nur frauen- sondern auch situationsbedingt. Folgend eine fragmentarische Auswahl:

Nichts gegen Überforderung

Zum einen wollen wir unser Gegenüber nicht überfordern. Auf eine kurze, meist zwischen Tür und Angel geworfene Erkundigung wollen wir unseren Mitmenschen nicht direkt unter einem hochkomplexen, psychologisch vielschichtigen Monolog begraben. Erst auf ein feinfühliges Nachhaken hin, sehen wir uns ermutigt, unsere momentane Gefühlslage in Worte zu fassen. Hier gilt es fairerweise anzumerken, dass feinfühliges Nachhaken meist als situationsunabhängige Grundkompetenz erwartet wird und bei Nichterfüllung das Eis unter ahnungslosen Füssen schon leise zu knacken beginnt.

Nichts gegen Unterforderung

Zum anderen möchten wir unser Gegenüber natürlich auch nicht unterfordern. Wir gestehen dem Fragenden damit zu, dass er in der Lage ist, subtile Zeichen zu deuten und richtig darauf zu reagieren. Von diesen subtilen Zeichen gibt es meist nicht wenige: Wenn wir etwa «Nichts» sagen und dabei unsere Nasenflügel erzittern. Wenn wir «Nichts» brummeln und unsere Knöchel weiss hervortreten. Wenn wir «Nichts» fauchen und dabei unter zusammengezogenen Augenbrauen hervorfunkeln.

Frauen antworten ziemlich direkt auf ein «Was ist los?», nur nicht mündlich, sondern durch eine starke nonverbale Kommunikation. Und je besser das Gegenüber uns kennt, desto höher wächst unser Anspruch, dass unser Gesprächspartner diese Zeichen auch richtig zu interpretieren weiss und die passende Reaktion darauf zeigt. Übrigens: Es hilft in diesen Momenten selten, ein scheinbar wohlwissendes «Ist es wieder diese Woche im Monat…?» anzubringen. Diese risikofreudige Variante fegt das Eis in Sekundenschnelle unter den Füssen weg.

Zu guter Letzt kommt es nicht selten vor, dass sich unser «Nichts« auf etwas bezieht, was das Gegenüber falsch gemacht hat. Würden wir dessen Fehlverhalten auf dem Silbertablett servieren, schlüge nicht nur unser Stolz Alarm, auch würde sich auf Dauer kein Lerneffekt beim Fragenden etablieren. Ohne ein bisschen für die Antwort arbeiten zu müssen, würden sich diese Konversationen beim Gegenüber nur schwerlich im Langzeitgedächtnis festsetzen und somit nichts zu einer besseren Zukunft beitragen.

Es scheint also nicht zu weit gegriffen, dass ein «Nichts» auf die Frage «Was ist los?» nicht unwesentlich zur stabileren zwischenmenschlichen Beziehung beiträgt und somit die Welt nachhaltig zu einem besseren Planeten macht.


Weshalb Männer an nichts Wichtiges denken können, ist für Frauen unvorstellbar. Männer hingegen können es nicht erklären. Redaktor Samuel Holenstein unternimmt trotzdem einen Versuch.


Wer kennt es nicht, das Vorurteil bezüglich der Antwort «Nichts» auf die Frage «Woran denkst du gerade?» Frauen wollen dann reden, Männer nicht, weil es nichts zu reden gibt. Doch stimmt das? Von der Seite eines Mannes her gesehen, kann ich sagen: Ja, so ist es.

Da wartete ich letztens am Hauptbahnhof St.Gallen beim Treffpunkt auf einen guten Freund. Es waren nur fünf Minuten, doch ich war zu früh. Da habe ich mal die Glaskuppe des Bahnhofes betrachtet, und das war eine zeitfüllende Sache. Es ist schon spannend, wie solch eine simple Sache die ganze Aufmerksamkeit einnehmen kann. «Was machst du da?» Mein Freund war angekommen. Die Decke hatte ich betrachtet. Doch in welchen genauen Gedanken ich da war? Ich weiss es beim besten Willen nicht mehr. Es war total unwichtig. Vielleicht dachte ich sogar an nichts. Das ist sehr gut möglich und hat bei mir in früheren Zeiten jeweils sehr gut geklappt, stellt somit nichts Unbekanntes dar. Jedoch habe ich nicht ganz und gar alles vergessen: Die Glaskuppel sollte mal wieder gereinigt werden.

Mann bleibt Kind

Es heisst ja, man könne nicht an nichts denken. Das mag wohl stimmen. Aber Männer können tagträumen, heisst: Sobald wir davon aufgeweckt werden (manchmal eben auch von einer Frau), haben wir vergessen, woran wir eben gedacht haben. Meistens sind es sowieso unwichtige Gedanken, ähnlich denen eines naiven Kleinkindes. Weshalb diese Spinne oben an der Wand jetzt lieber an dieser Wand, als an der gegenüberliegenden hängt?

Wenn nun jemand fragt, woran man denke, wird es schon ein wenig peinlich, als erwachsener Mensch die Psychoanalyse der Spinnengedanken als Gedankengang preiszugeben. Deshalb antworten wir schlicht mit «Nichts». Oftmals denken Männer nicht an grossartige tiefgehende Dinge, doch ich befürchte, das begreifen Frauen nicht. Sie versuchen, hinter den leeren Gedankengängen des anderen Geschlechts einen Sinn zu erblicken, welcher schlicht und einfach nicht vorhanden ist.

Aus der Sicht eines Mannes ist Nichtausgesagtes meistens unwichtig. Wir sind vielleicht auch deshalb unbegabt darin, nonverbale Zeichen zu erkennen. Dafür tragen wir oftmals das Herz auf der Zunge. Bei uns ist nie nichts los. Wir mögen zwar an wenig Sinnvolles denken, werden wir aber aufgefordert zu sagen, was los ist, teilen wir mit, wo der Schuh drückt. Dies wiederum läuft bei Frauen eher andersrum. Ihnen muss man die Worte regelrecht aus der Nase ziehen. Um dies zu bewerkstelligen, sind wir Männer meistens zu sehr mit unseren eigenen, unwichtigen Gedanken beschäftigt.

Wichtige Frage

Schlussendlich bleibt zu sagen: Wenn ein Mann nachdenklich aussieht, wird er diesen unwichtigen Gedanken gleich wieder vergessen, oder er ist ihm zu peinlich, ihn preiszugeben. Aber wieso hat man jetzt genau nochmals diese Stühle in diesem Vorlesungssaal gewählt? Wieso gibt es Kommilitonen, die nach der Vorlesung beim Professor etwas nachfragen müssen? Wieso ist die Darstellung auf der BWL-Folie nicht zentriert? Denken wir über diese Beobachtungen doch mal ein wenig nach, denn im Moment sind dies schon sehr interessante Fragen, die es unbedingt zu beantworten gilt.

Bilder: Livia Eichenberger


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