Helden werden nicht geboren. Wir schaffen sie. Warum in jedem Helden auch etwas von uns mitschwingt.
Wir sind Helden. Der Name dieser deutschen Band: Eine ironische Breitseite gegen das Heldentum und die Heldenverehrung. So verwundert es auch nicht, dass «Denkmal», einer ihrer ersten grossen Hits, vom Abriss eines ebensolchen handelt. Während die Helden musikalisch ihren Tod fanden, wurden sie auch in der Wirtschaft zu Grabe getragen. Führung im Unternehmen sollte nicht mehr durch den «knallharten Macher» bestimmt werden, sondern von der gestaltenden und verständnisvoll lenkenden Führungskraft. Postheroisches Management war das Stichwort.
Aber Totgesagte leben länger, und so drängten die Helden zwar nicht in den Büros, aber zumindest auf den Kinoleinwänden, mit aller Macht zurück in unser Bewusstsein. Der Erfolg von Comicverfilmungen wie Spiderman oder X-Men zeigt, dass wir vom postheroischen Zeitalter genauso weit entfernt sind wie die Rolling Stones von ihrem endgültigen Abschlusskonzert. Helden werden nie aussterben, denn Helden sind das Spiegelbild dessen, was wir uns immer wünschen zu sein: edel, mutig und selbstlos, um nur einige Eigenschaften zu nennen. Sie ermöglichen es uns, wenn auch lediglich in unserer Vorstellung, einmal genau das Richtige zu tun und danach noch den wohlverdienten Ruhm zu ernten. Zugleich dienen sie uns aber auch als Entschuldigung für unser Nichthandeln in so manch brenzliger Situation. Schliesslich sind wir ja nur normale Bürger mit Jeans anstelle von farbigen Strumpfhosen.
Der nette Held von nebenan
Diese Entschuldigung klingt umso plausibler, je überzeichneter der Held ist. Niemand kann dafür verantwortlich gemacht werden, dass er Wände nicht senkrecht hochklettern kann oder dass sie nicht mit Schallgeschwindigkeit um die Erde fliegen kann. Das wussten auch die sozialistischen Regime jenseits der Mauer. Die Helden, die dort geschaffen wurden, waren meist normale Bürger. Einer der so genannten Helden der Sowjetunion war der erste Mensch im All: Juri Gagarin, Sohn eines Zimmermanns und einer Melkerin, die beide auf einer Kolchose arbeiteten. Nach seiner Rückkehr aus dem Weltraum wurde Gagarins Heldenimage gezielt vom Sowjetregime ausgebaut. Nicht nur, um die Überlegenheit des Sowjetmenschen und des dazugehörigen politischen Systems zu demonstrieren, sondern auch, um der eigenen Bevölkerung als Vorbild zu dienen. Die Menschen sollten ihm nacheifern, mit der Hoffnung, irgendwann vielleicht genauso berühmt zu werden. Dies konnte ein tröstender Gedanke sein, zuweilen auch eine Rechtfertigung für die ganzen Mühen, die man als einfacher Arbeiter für das System auf sich nahm. Eigentlich erzählten die Helden der Sowjetunion die typisch amerikanische Geschichte des Tellerwäschers, der zum Millionär wurde, nur mit kommunistischem Vokabular.
Am Anfang steht die Geschichte
Überhaupt beginnt jedes Heldenleben mit einer Geschichte. In ihr wird der Held geformt, werden seine Charaktereigenschaften bestimmt. Einmal ausgeklammert findet eine Charaktereigenschaft nur noch schwer zu ihrem Helden zurück. So wurde aus Alexander, dem jähzornigen und alkoholkranken Eroberer, Alexander der Grosse. Das ging so weit, dass behauptet wurde, Alexanders Schweiss sei «wohlriechend». Auch wenn so manches erfunden wurde, so herrscht immerhin Einigkeit in Bezug auf die unglaublichen militärischen Leistungen. Noch heute zeugt die Lage Alexandrias in Ägypten von diesen Errungenschaften.
Einen krassen Fall von Geschichtsklitterung zeigt das Beispiel von Rudolph Hess, der einige Jahrhunderte später in Alexandria das Licht der Welt erblickte. 1933 von Adolf Hitler zu dessen Stellvertreter ernannt, flog er 1941 nach Schottland, um mit dem Vereinigten Königreich einen Friedensvertrag zu schliessen. Die Englänger setzten ihn aber fest, und so scheiterte der Plan. Von Neonazis wird er heutzutage häufig als «Friedenstaube» bezeichnet und in dieser Rolle zum Helden erkoren. Dabei waren seine Handlungen nie von hehren Motiven geleitet. Hess war ein Opportunist und ein Rassist. Dennoch schaffte er es, sich zum Helden einer kleinen Gruppe von fehlgeleiteten Individuen aufzuschwingen.
Nicht die richtige Zeit für Helden
Das Beispiel Hess verdeutlicht, wie sehr der Held auch immer Produkt einer Gemeinschaft von Personen ist. Der Held verkörpert die Werte der Gemeinschaft, in der er verehrt wird. Genau wie die Gemeinschaft selbst verändern sich auch diese Werte mit der Zeit. Die Helden von heute sind vielleicht die Kriegsverbrecher von morgen und die Verlierer von gestern sind die Helden von heute. Die Verleihung der Ehrenmedaille an den US-Marine Dakota Meyer vor zwei Wochen wäre 1968 sicherlich auf ein anderes gesellschaftliches Echo gestossen, als dies heute der Fall ist. Teilweise führte dies auch zu skurrilen Erscheinungen: Der Partisanenfilm «Valter brani Sarajevo» («Walter verteidigt Sarajewo») floppte zwar im ehemaligen Jugoslawien, erlangte dafür aber in China ungeahnte Popularität. Diese war so gross, dass chinesische Eltern ihre Kinder gerne mal nach ebenjenem Partisanenhelden Walter benannten.
Nur dort, wo der Held auf die passenden gesellschaftlichen Werte trifft, wird er auch zum Helden werden. Wird er oder sie das verkörpern, was sich jeder von uns zu sein wünscht. Insofern verbirgt sich im Bandnamen «Wir sind Helden» trotz der ironischen Spitze gegen das Heldentum ein Körnchen Wahrheit.