Sarah Umbricht und Annika Sonderegger zu Besuch bei Professor Schweizer.
Ein Bauernhaus? Oder ein gewöhnliches Einfamilienhaus mit weissem Gartenzaun? Eine Loft oder gar eine freistehende Villa? Was erwartet uns wohl am Ende unserer Autofahrt mit Professor Schweizer? Ich war ganz schön gespannt aufs Ziel und ich war vertieft in Gedanken – ich liess darum meine Kollegin Sarah auf dem Vordersitz des Autos das Gespräch führen. Sie hatte kein Problem, spannende Themen zu finden. Da wurde mit Professor Schweizer über die katholische Kirche philosophiert, über den Papst oder darüber, was genau denn «Liebe dich selbst, wie den andern» heisse. Dabei erklärte uns Professor Schweizer, dass die Schwierigkeit dabei nicht in der Liebe zum anderen liege, sondern vielmehr in der Liebe zu sich selber. Wer sei schon mit sich selber und der eigenen Arbeit jemals zufrieden? Die meisten Menschen sehen mehr Fehler in sich selber als sie gute Dinge sehen – Professor Schweizer findet dies schade. Nebenbei erzählte er uns die Geschichte von Bischofszell und der umliegenden Dörfer, durch die wir fuhren. Ich hätte nicht gedacht, dass es da soviel zu erzählen gab und das obwohl ich seit 21 Jahren im Thurgau lebe. Bald war die Fahrt dann auch schon zu Ende und wir fuhren durch die Altstadt von Bischofszell in Richtung seines Hauses. Professor Schweizer liess es sich aber nicht nehmen, eine kleine Rundfahrt durch die Altstadt zu machen und uns ein paar geschichtsträchtige Häuser zu zeigen.
«Der Garten ist ‹mein Reich›»
Wenig später sassen wir auf der Terrasse und genossen die angenehme Atmosphäre. Die untergehende Spätsommer-Sonne beleuchtete den Tisch, auf dem Professor Schweizer ein Schälchen mit gefüllten Oliven, einen Teller Salzgebäck sowie Getränke und Silbergäbeli ausgebreitet hatte. Von der Terrasse aus sieht man direkt hinunter auf den Garten, der zum Haus – einem ehemaligen Pfarrhaus – gehört. Obwohl er im Garten – gemäss eigener Aussage – seit zwei Wochen nicht mehr gearbeitet hat, sieht der Garten sehr einladend aus. Später kriegten wir eine kurze Führung und konnten dabei nicht nur den Rosengarten bewundern, sondern auch allerlei süsse Früchte probieren: Himbeeren, Trauben und Feigen. Insbesondere die Feigen erstaunten uns, da sie ja nicht gerade typisch sind für unser Klima. «Der Garten ist ‹mein Reich›, ich verbringe im Sommer so viel Zeit wie möglich hier. Er ist gleichsam Sport und Erholung, für mich also ein idealer Ausgleich zu meinen sonstigen Tätigkeiten. Ausserdem mag ich die mediterrane Atmosphäre, die hier im Thurgau dank dem Bodensee herrscht», schwärmt Professor Schweizer. In seinen Ferien unternimmt er am liebsten Kulturreisen. «Der europäische Raum bietet kulturell wahnsinnig viel», beginnt er und erzählt dann von seinen Reisen. Rom sei absolut unantastbar in dieser Hinsicht. «Da hat man lebendige 2’500 Jahre Geschichte!» Allgemein habe er sonst eher Mühe, Ferien zu machen. Aber manchmal könne man die Arbeit mit Ferien verbinden.
«Kultur interessiert mich schon mein Leben lang»
Kultur ist bei Professor Schweizer aber nicht nur in den Ferien ein Thema, sie ist allgegenwärtig in seinem Leben. Im Treppenhaus und in fast jedem Raum hängen Bilder an den Wänden – neben den Werken von bekannten Künstlern auch Gemälde von «namenlosen Hobby-Malern». Diese einzigartige Mischung verleiht der Sammlung eine besonders sympathische Note. Auf der Treppe, die zum Estrich hoch führt, stapeln sich Bücher. Teilweise sind sie noch verpackt, einige neuere liegen neben vielen älteren Werken. Im ganzen Stapel war jedoch kein einziges Buch zu finden, welches sich in irgendeiner Weise mit dem Thema «Rechtswissenschaft» befasst. Professor Schweizer meinte dazu: «Ja klar, ich interessiere mich sehr für deutsche Literatur und Kunst. Politik und Kunst interessieren mich schon mein Leben lang.» Dann beginnt er, uns mit leuchtenden Augen von seinem Amt als Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Schweizer Kunstgeschichte zu erzählen. Das erste Mal, dass so etwas wie zufriedener Stolz zwischen den Worten mitschwingt.
«Tiere sind quasi bessere Menschen»
Leider habe er aber kaum Zeit, seinen Hobbys nachzugehen. «Die Wissenschaft erfordert sehr viel Einsatz und Zeit, denn die Konkurrenz ist hoch.» Aber manchmal frage er sich schon, ob alles nötig sei, was er tue. Durch das grosse Engagement in der Wissenschaft und in der Politik hat es sich auch ergeben, dass Professor Schweizer keine Familie gegründet hat. «Ich habe das nicht explizit so geplant, aber mein Leben hat sich einfach so entwickelt», sagt Professor Schweizer nachdenklich. Er pflege aber einen intensiven Kontakt zu seiner Schwester, die im Kanton Glarus lebt, da wo auch er selber aufgewachsen ist. Seine Schwester hat eine Hündin – Mascha – die er «über alles liebe». Da Professor Schweizer ohne Haustiere aufgewachsen ist, hat er jedoch erst spät seine Liebe zu Tieren entdeckt. Einen eigenen Hund wolle er erst, wenn Hündin Mascha nicht mehr lebe: «Ich möchte Mascha nicht ‹vor den Kopf stossen›.» Er fügt an, dass er von Tieren tief beeindruckt sei: «Ich glaube, wir unterschätzen Tiere. Sie verstehen uns und können kommunizieren. Tiere sind quasi bessere Menschen.»
«Das bereue ich heute»
Ebenfalls einen sehr hohen Stellenwert in Professor Schweizers Leben hatten seine Eltern. Der Tod seiner Eltern sei das Schlimmste gewesen, was bisher in seinem Leben passiert ist. Professor Schweizers Eltern waren der festen Überzeugung, dass zum Studium ein Auslandaufenthalt gehört und auch am Ende seines Studiums hätten seine Eltern ihm ein weiteres Semester oder Jahr im Ausland ermöglicht. Doch ein gutes Stellenangebot beim Staat liess ihn nicht los und er nahm die Stelle an. Heute bereut er dies. Er ist darum der Meinung, dass man sich in jungen Jahren nicht zu schnell binden sollte, um sich noch ein wenig in der Welt umsehen zu können. Gute Stellenangebote gibt es auch noch, wenn man wieder zurückkommt. Weiter rät Professor Schweizer – als Tipp für die Studierenden –, dass man sich nicht vom «Credits-Denken» unterkriegen lassen sollte. Er wünscht sich, dass die Studierenden sich von ihren Interessen und von der «Nötigkeit für ihr Ziel» leiten lassen, nicht von den Credits. Professor Schweizer ist der Meinung, dass ein Ausgleich enorm wichtig ist – «ein seelischer, emotionaler Ausgleich»; beispielsweise die Teilnahme an kulturellen Anlässen oder sonst ein intensives Sozial- und Kulturleben. Überhaupt sei die Studienzeit eine besondere Zeit: «Man kann zum ersten Mal experimentieren und frei den eigenen Bedürfnissen nachgehen. Nutzen Sie dies!» Er fügt an, dass alles legitim sei, solange dabei niemand verletzt wird.
Jemanden zu verletzen, genau davor fürchtet sich Professor Schweizer. Er habe kein Talent darin, persönliche Konflikte auszutragen und er sei nicht fähig, verbale Ohrfeigen auszuteilen. Dies zeigt sich auch in seiner Gestik, seiner bedachten Sprechart und seinen Manieren, an denen sich mancher HSG-Student ein Beispiel nehmen könnte. So mussten wir z. B. während der ganzen Besichtigung kein einziges Mal irgendeine Tür selber öffnen.