Das Weltwirtschaftsforum, kurz WEF für World Economic Forum, verwandelte dieses Jahr zum 50. Mal das beschauliche Schweizer Alpenstädchen Davos im Kanton Graubünden in eine Sicherheitshochburg. Von Stacheldraht, Scharfschützen, Armee- und Polizeiposten umgeben, trifft sich während rund vier Tagen das «Who is Who» aus Spitzenpolitik, Wirtschaft, Journalismus und Forschung, um gemeinsam über globale Themen zu diskutieren. Anders als der G20-Gipfel, das Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, ist das WEF eine apolitische Stiftung, die 1971 vom deutschen Wirtschaftswissenschaftler Klaus Schwab gegründet wurde. Neben dem «Annual Meeting» in Davos organisiert die Stiftung auch weltweit diverse weitere, kleinere Treffen.
Hoher Puls
Von 3’000 WEF Teilnehmern aus 100 Ländern geniessen über 100 VIP’s besonderen Schutz. Um die Sicherheit für die Teilnehmenden sicherzustellen, wurden so auch dieses Jahr unter der Leitung der Graubündner Kantonspolizei rund 5‘000 Soldaten der Schweizer Armee und eine nicht veröffentlichte Anzahl an Polizisten und Sicherheitsdienstleistern aus diversen Kantonen aufgeboten. Während dem WEF sieht man dadurch in Davos mehr Spezialeinheiten, Armeehelikopter, Polizeihunde und gepanzerte Limousinen als in einem Hollywood-Actionfilm. Für die Koordination des gesamten Sicherheitsdispositivs ist die Polizei verantwortlich. Das Bindeglied zum WEF und den verschiedenen Delegationen stellt aber die Security-Abteilung des WEF dar. Im Rahmen des Forums hatte prisma die Gelegenheit, persönlich mit dem Sicherheitschef des WEF, Stefano Trojani, über seine verantwortungsvolle Aufgabe zu sprechen und dabei mehr über den Betrieb hinter den Kulissen zu erfahren.
Vorbereitung
Nicht weniger als sechs Monate vor dem WEF in Davos beginnen die Vorbereitungen für das Sicherheitsteam um Stefano Trojani. Sein Team gleiche einer Feuerwehrorganisation, sagt er. «Entweder man steht im Einsatz oder man trainiert für den nächsten». Pläne, Konzepte und Trainings – die Abläufe haben sich nach einem halben Jahrhundert der Weltwirtschaftsforen gefestigt und perfektioniert, das Umfeld Davos ist bekannt. So erstaunt es nicht, dass es für das Sicherheitskonzept keine Rolle spielt, ob beispielsweise ein US-Präsident teilnimmt oder nicht. Die Sicherheit sei ohnehin gegen «high intensity»-Bedrohungen gerichtet, grosse Änderungen im System sind also selten. Einzig die Natur der Bedrohungen hat sich in den vergangenen Jahren verändert. So sind auch im Sicherheitskonzept des WEF der Klimawandel und die Cybersicherheit wichtige Punkte. Demonstrationen von «extinction rebels» oder Anhängern Greta Thunbergs werden besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Obwohl die Demonstrationen bis anhin immer friedlich verlaufen sind, besteht immer das Risiko kleiner, gewaltbereiter Gruppen. Und dennoch, für Trojani ist verständlich, «die Menschen wollen sich mitteilen» und die Sicherheitsverantwortlichen reagieren als Konsequenz sensibler auf Vorkommnisse dieser Art. Trotz der steigenden Beliebtheit solcher Demonstrationen hatte das WEF bisher keine Probleme, gerade im Vergleich mit den gewalttätigen Ausschreitungen eines G20-Gipfels.
Festung in den Bergen
In Davos liegt die gesamte Führung und Verantwortung der Sicherheit bei der Polizei. Dennoch läuft alles auch über den Tisch des WEF Sicherheitschefs und muss mit ihm und seinem Team koordiniert werden. Das WEF Security-Team ist im inneren des Kongresszentrums zusätzlich für Sicherheitsmassnahmen wie Feuerschutz, Evakuation und Kontrollen zuständig. So wird ein reibungsloser Ablauf sichergestellt und die zahlreichen Delegationen bewegen sich stets gut geschützt im oder auf dem Weg vom oder zum Kongresszentrum. Das Sicherheitskonzept einer Delegation, beispielsweise der des US Präsidenten, integriert sich somit in das Gesamtkonzept und lässt die Delegationen nach Absprache sich grösstenteils frei bewegen. Verläuft alles nach Plan, besteht die Aufgabe des WEF Sicherheitschefs somit aus Überwachung und Koordination. Und nichtsdestotrotz, in der Realität passieren manchmal Dinge, die in der Theorie so nicht geplant sind. Ein aussergewöhnliches Vorkommnis, bei dem nicht alles nach Plan lief, hat auch Stefano Trojani in seinen fünf Jahren als Sicherheitschef des Forums schon erlebt. So spannend die Einzelheiten dieses, dem Grinsen auf Trojanis Gesicht nach zu deuten, lustigen Vorfalls auch sein mögen, unterliegen sie leider der Geheimhaltung. Öffentlich bekannt wurde jedoch der Patzer des Piloten eines französischen Kleinflugzeugs. Dieser verirrte sich am dritten Tag des Weltwirtschaftsforums in dessen gesperrten und stark patrouillierten Luftraum und machte deshalb nähere Bekanntschaft mit einem Abfangjäger der Schweizer Luftwaffe. Nach kurzem Funkverkehr und visueller Identifizierung durch den F/A-18 Piloten der Luftwaffe wurde das Kleinflugzeug wieder aus dem Sperrgebiet eskortiert und der Luftraum gesichert. Innerhalb des WEF war dies aber kaum spürbar.
In der WEF-Blase
Hat man es als Besucher an den zahlreichen Ausweiskontrollen, Metalldetektoren, Schleusen und bewaffneten Sicherheitsleuten vorbeigeschafft und befindet sich im Inneren des Kongresszentrum, ist das Gefühl von Abschirmung perfekt. Den Mantel an der Garderobe abgegeben und auf dem Weg zur grossen Halle fühlt man sich wie an einer Messe. Bildschirme mit Zeitplänen der nächsten Diskussionen, Pressekonferenzen oder Gastrednern leuchten von überall. Man befindet sich merklich am WEF, die Aussenwelt existiert gefühlt nicht. Die Elite aus Politik, Wirtschaft und Forschung ist unter sich, diskutiert, plaudert in den lan- gen Gängen des Kongresszentrums oder trinkt Kaffee an einer der Bars. Einzig die zahlreichen Reporter, die wie Ameisen um die Staats- und Wirtschaftschefs herumwuseln, lassen einen verstehen, dass die Normalität weit entfernt ist und man vermutlich gerade einem König aus Fernost mit seinem Tross an Bodyguards den Weg versperrt hat. Ehe man sich versieht, akzeptiert man die Absurdität der Situation und folgt den Ausschweifungen der Personen, die nebenan die Treppe hochgehen und zufällig US-Präsident und WEF-Gründer sind.