Weil der Uni das Budget gekürzt wird, darf und muss sie nun vermehrt selbst Gelder beschaffen. Die Unabhängigkeit von Lehre und Forschung steht dabei auf dem Spiel.
Not macht bekanntlich erfinderisch. Wegen Spardrucks im Kanton wurde auch der Universität St.Gallen das Budget gekürzt: Auf stattliche 3.5 Millionen Franken pro Jahr muss sie ab 2016 verzichten. Wie aber soll die Uni das verkraften und gleichzeitig ihren Ruf als führende Wirtschaftsuni halten? Diese Frage hat sich wohl auch das sankt gallische Bildungsdepartement im Rahmen des Entlastungsprogramms 2015 gestellt und einen Lösungsvorschlag präsentiert: Das Budget wird gekürzt; im Gegenzug soll die Uni mehr unternehmerische Freiheiten erhalten. Das notwendige Gesetz dazu hat der Kantonsrat Ende Februar 2015 durchgewinkt. Die Uni soll sprichwörtlich entfesselt werden.
Uni ab 2016 mit Eigenkapital
Was im Ausland gang und gäbe ist, stellt in der Schweizer Universitätslandschaft ein Novum dar. Ab 2016 erhält die Uni einen fixen Staatsbeitrag, der jeweils auf vier Jahre ausgelegt ist. Innerhalb eines Leistungsauftrages darf die Uni künftig eigenständig bestimmen, welche Gelder sie für welchen Zweck aufwendet. Mit dem neuen Gesetz erhält die Uni zudem das Recht, «Eigenkapital in angemessener Höhe zu bilden, um unternehmerische Risiken zu tragen», wie es in der Botschaft der Regierung steht. Konkret heisst das: Die HSG erhält mehr Autonomie, indem sie Mittel selber erwirtschaften kann, etwa durch Forschungsaufträge, Fundraising und Sponsoring.
Dadurch steigt aber auch die Gefahr, dass die Uni von Geldgebern aus der Privatwirtschaft abhängig wird. HSG-Privatdozent Mathias Binswanger äusserte gegenüber dem Tages-Anzeiger die Befürchtung, dass sich die Forschung dadurch auf jene Bereiche konzentriere, «wo dieses Fundraising leicht ist». Der Berner Staatsrechtsprofessor Markus Müller spricht im Tages-Anzeiger gar von einem klaren Signal «für die hemmungslose Ökonomisierung der Wissenschaft». Ein weiteres Fragezeichen gibt es auch im Hinblick auf die Studiengebühren. So schrieb die NZZ im Februar, es sei noch zu klären, ob die HSG diese künftig selber festlegen kann. Nicht zuletzt könnte auch die Lehre zu kurz kommen, weil sich die Uni zur Deckung der Kosten vermehrt auf die Forschung konzentrieren muss – etwa durch Forschungsaufträge, die Geld in die Kasse spülen.
Die Universität ist indes überzeugt, dass sie mittelfristig durch Autonomie den tieferen Kantonsbeitrag kompensieren kann. So steht es in einer Medienmitteilung vom September 2013. Für eine Stellungnahme zu den jüngsten Entwicklungen war die Uni nicht erreichbar.
Praxis passt zur HSG-Kultur
Bei der SHSG blickt man «kritisch optimistisch» in die Zukunft. «Es ist wichtig, dass keine starken Abhängigkeiten zu einzelnen Unternehmen entstehen, denn die Unabhängigkeit der Forschung und Lehre muss gewahrt werden», sagt SHSG-Präsident Shin Szedlak. Er glaubt, dass die neue Praxis gut zur Kultur der HSG passt. «Es ist gut möglich, dass durch einen effizienteren Einsatz der Ressourcen Fortschritte erzielt werden können und die Qualität dadurch steigt», sagt er. Die Studentenschaft müsse in Zukunft aber ein Auge auf die Fremdfinanzierung haben, gerade weil der Aufbau von Eigenkapital attraktiver werde.