Anna Rosenwasser mit Skizze des Bundeshaus im Hintergrund gezeichnet von Liv Antonsen
Das Politiker*innen kritisiert werden, ist Teil der Demokratie und wichtig für einen funktionierenden öffentlichen Diskurs. Dass gerade Politikerinnen dabei oft zur Zielscheibe und mit sachfremden Kommentaren überschüttet werden, ist ebenfalls nicht neu. Zurzeit überwerfen sich die Journalisten der Schweiz allerdings mit fragwürdigen Artikeln über die Zürcher Nationalrätin Anna Rosenwasser. Dabei sinken sie auf ein Niveau, in dem sie über Körbchengrössen und Dinoprints auf einem Kleidungsstück schreiben. Eine Antwort auf zwei inhaltlich bescheuerte Artikel.
Inside Paradeplatz: Weder Finanzen, Politik noch Körbchengrössen scheint ihr Fachgebiet
Ein zuletzt erschienener Artikel von Inside Paradeplatz macht keine gute Figur: In dem Artikel mit dem Titel «Anna Rosenwasser: Ha ke Ahnig» skizziert der Autor ein Bild von der SP-Nationalrätin, in dem er zuerst über ihre Fähigkeiten als Journalistin schreibt – erster Platz in einer Umfrage unter Schweizer Journalisten, um kurz darauf auf ihren zuletzt erschienenen Artikel in der Republik zu kommen. In diesem Artikel ihrer Kolumne beschreibt Anna Rosenwasser eine Situation, die sie in ihrer Rolle als Politikerin erlebt hatte. Sie wurde zusammen mit einer Handvoll anderen Politikern von einem Gymnasium zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Man hatte ihr die Diskussionsfragen im Vorhinein zugeschickt und sie hatte sich vorbereitet. Nur leider stellte sich dann heraus, dass die zugesandten Fragen vom Vorjahr waren, für das diesjährige Thema steht sie nun unvorbereitet da. Dementsprechend zurückhaltend beteiligt sie sich an der aufwendig aufbereiteten Diskussion der Schüler*innen und den anderen geladenen Politkern. Es schmerzt sie, wenig zusagen zu haben und doch hält sie sich an die Aussagen, von denen sie sicher sein kann, dass sie stimmen. All das führt sie im Artikel der Republik aus. Ihr Fazit: Schwäche zugeben, Scheitern zeigen und die Messlatte beim Dazulernen anzusetzen.
Sag mir, wie schwer ist es einen guten BH zu finden?
Daraus schlussfolgert der gewiefte Journalist, dass sie nichts zu den behandelten Themen – Aussenpolitik, Armeeausgaben, Neutralität – wüsste. Daraus schliesst er, zusammen mit der Anzahl an Interpellationen, die die frisch gebackene Nationalrätin innert eines Jahres eingereicht hatte (2 Stück), auf ihre gesamte politische Kompetenz und ihr Engagement in der Politik. Bizarrer Weise schreibt er zuvor mehrere Absätze über Anna Rosenwassers Körbchengrösse, im Kontext ihrer journalistischen Tätigkeit. Sie selbst hatte vor Jahren einen Artikel über die Sexualisierung der weiblichen Brüste geschrieben. Darin hatte sie auch die Schwierigkeit erwähnt, einen passenden BH in Zürich zu finden, der auch bei einer grossen Körbchengrösse gut sitzt. Dabei schrieb sie, dass es schwieriger sei, in Zürich einen passenden BH zu finden, als an Drogen zu kommen.
In Bezug auf diese Textstelle erörtert er zusammenhangslos über mehrere Absätze, dass es sehr viel schwieriger sein muss an Drogen zu kommen, als einen geeigneten BH für die Körbchengrösse 80D zu finden. Schliesslich gibt es BHs in Grösse 80D sowohl als «Sport-BH, mit Spitzen, soft oder transparent». Mit diesen Ausführungen illustriert der Journalist allerdings vor allem eines: Dass er Rosenwassers Schweigen bei der Schuldebatte zu Unrecht als Unfähigkeit kritisiert hat. Er scheint nicht zu bemerken, dass eine Meinung zu haben leichter ist als ein Thema wirklich zu verstehen. Nur weil er schon einmal eine Frau im Spitzen-BH gesehen hat, kann er nicht bei einer BH-Debatte mitreden. Er selbst hat schliesslich noch nie einen getragen und scheint auch nicht drei Sekunden recherchiert zu haben.
Wie bei der normalen Kleidung gilt: «M» ist nicht gleich «M» und der Schnitt kann trotz gleicher Bezeichnung deutlich bequemer (oder eben unbequemer) ausfallen. Tatsächlich ist die BH-Industrie auf kleine bis mittlere Grössen spezialisiert. Die grösseren Grössen berücksichtigen dabei die anderen Halteansprüche und Gewichtsversteilungen kaum.
Branchen des Halbwissens
Der kritische Journalist stellt somit vor allem eines zur Schau: Wie in manchen Branchen mehr Wert auf Halbwissen und schöne Worte gelegt wird als auf Fakten. Besonders betroffen scheinen Journalismus und Politik, sowie BWL. Wir von der HSG werden das schliesslich wissen. Kritisieren ist leicht, etwas Verstehen etwas anderes. Zu hoch für die «Journalisten» des Inside Paradeplatz.
Der Freund eines Freundes und der eine Lieblings-BH
Jedenfalls hat jede Person den Freund eines Freundes, einer Freundin, eines Bekannten, den man fragen kann, wo man an den einen oder anderen «Stoff» kommt. Gute BHs besitzen viele Frauen jedoch oft nur einen oder zwei. Weil man nicht unendlich viele kaufen kann, weil man sie erst mal zwei Tage tragen muss, um zu wissen, wie sie sitzen und weil man nicht Wochen nur mit BH-kaufen verbringen kann. Die stilistische Hyperbel, die der gute Journalist wohl etwas zu ernst nahm, ist somit tatsächlich näher an der Realität als seine «Einschätzungen» gegenüber BHs.
Was Brüste und Neutralität gemeinsam haben
Zuletzt bemerkt der Inside Paradeplatz Journalist spöttisch, Rosenwasser solle sich als progressives Nationalratsmitglied vielleicht mal vornehmen, darüber nachzudenken, oder nachzulesen, was das den sei, die Schweizer Neutralität (Thema der Podiumsdiskussion). Nur verhält es sich mit der Schweizer Neutralität ähnlich wie mit Brüsten: Jeder in der Schweiz wird eine Meinung zu Brüsten haben, aber nicht jeder versteht die BH-Industrie oder die Qualität der BH-Angebote.
Mit seiner Reduktion des politischen Engagements auf die Zahl von Interpellation zeigt er des Weiteren gekonnt auf, dass er offenbar auch nicht viel von Politik oder dem nationalrätlichen Geschäft versteht. Auch scheint es ihm fremd, dass es üblich ist, dass nicht jedes National- oder Ständeratsmitglied zu jedem in den Sälen des Bundeshauses debattierten Themas vertieft informiert ist. Tatsächlich ist die diskutierte Bandbreite riesig. Daher geben Parteien Stimmempfehlungen ab und man orientiert sich je nach Thema an der jeweiligen Expertengruppe innerhalb der eigenen Fraktion. Da muss er sich wohl noch gehörig einlesen, aber wenn ich eine Empfehlung abgeben darf: besser nicht mit so uninformiertem Klatsch & Tratsch wie aus Inside Paradeplatz.
Weltwoche: Frivolitäten im Ständeratssaal
Auch die Weltwoche glänzt mit ihrem Artikel über Anna Rosenwasser und ihrer Führung im Bundeshaus nicht gerade. Anders als ihre sonstigen Artikel, die gekonnt Fakten verdrehen, Diktatoren verharmlosen und Lügenschlösser aus reisserischen Sätzen kleistern, fällt der Artikel zu Anna Rosenwasser überraschend flach aus. Wenn sie keine Lügen zusammenschustern, um politisch zu hetzen, scheint ihnen nur Kleinkariertheit geblieben zu sein. Auf dem Aufmacher-Bild ist Anna Rosenwasser während einer freiwilligen Führung, die sie interessierten Bürger*innen im Bundeshaus gibt, in der Kammer des Ständerats zu sehen. Sie sitzt «wie eine jung gebliebene Kantilehrerin» – was für eine kreativ wüste Beschimpfung – auf einem Tisch. Die interessierten Bürger*innen sitzen in den Reihen und sind bunt angezogen – oh Schreck! Einer sitzt sogar auf dem Boden und trägt «eine pyjamaartige Kleidung mit Dinoprint». Das ist offenbar die neueste Krise der Demokratie laut Weltwoche.
Jedenfalls versucht der Artikel krampfhaft klarzumachen, dass Anna Rosenwasser mit ihrer «Frivolität», wie in einer «WG» im «altehrwürdigen Ständeratssaal» zu sitzen, diesen sozusagen entheiligt hat. Zusammenhangslos wird noch Anna Rosenwassers Kritik an der Übervertretung der konservativen, kleinen Kantone im Ständerat eingestreut. Zuletzt wird mit einem nicht direkt zusammenhängenden Zitat des Ratspräsidenten Andrea Caroni, wonach ihm respektvolle Nutzung des Ständeratssaales am Herzen liege, abgeschlossen.
Die neue Gefahr für die Demokratie
Denjenigen, deren Plus bei diesem Artikel steigt und die WG-artige Frivolität entsetzt, (bunt, unter anderem mit Dinoprints bekleidete Leute unter fünfzig und eine Politikerin, die auf dem Tisch sitzt) kann nur gesagt werden, dass die Demokratie sehr viel grössere Probleme hat: Etwa faktenfreie, polemisierende Zeitungen. Oder von selbigen Zeitungen verherrlichte, schwerreiche Unternehmer, die eine eigene Medienplattform besitzen, Meinungsfreiheit nach eigenem Gusto auslegen und sich beim zukünftigen Präsidenten anbiedern. Würdeloser scheint auch ein eskaliertes Handgemenge zweier SVP-Politiker mit Bundespolizisten im Bundeshaus während eines Staatsbesuches wegen einer gesperrten Haupttreppe.
Eine Respektlosigkeit: Nahbare Politik
Respekt für Demokratie zeichnet sich vielmehr doch gerade durch Engagement aus: Jungen Leuten die Politik näherzubringen und vielleicht etwas zugänglicher zu machen, indem nicht verlangt wird, dass sie Anzüge tragen, wenn sie das Bundeshaus betreten, ist dabei eine der vielen Varianten, durch die sich Rosenwasser engagiert. Schliesslich sollte demokratischer Diskurs nicht nur über vierzigjährige Männer in Hemd und Krawatte einschliessen. Sondern alle Bürger*innen, welche am demokratischen Diskurs teilnehmen möchten.
Kritik gehört zur Demokratie
Anna Rosenwasser lässt sich zumindest nicht von der niveaulosen Berichterstattung über sie einschüchtern. So schreibt sie auf ihrem Instagram-Kanal: «Ich lasse mich nicht entmutigen. Und [ich] bin dankbar für alle Journalist*innen, die mich stattdessen für tatsächlich relevante Dinge kritisieren.»
Dass sie es ernst meint, kann man am aktuellen Diskurs zum Frauenfussball sehen. Auf die Kritik eines Witzes reagierte sie erst verneinend, als sich dann aber eine Fussballerin selbst verletzt von der Aussage zeigt, bezieht die linke Nationalrätin Stellung. Egal ob liebevoll als Witz gemeint oder nicht, ihre Aussage habe verletzt und das tue ihr leid. «Medien berichten manchmal besonders kritisch über mich. Manchmal aber nicht ohne Grund», schreibt sie in einem weiteren Artikel in der Republik. Kritik gehört zur Demokratie, niemand ist fehlerlos, aber wenn kritisiert wird, dann doch bitte fundiert und mit Sachlichkeit. Selbst dann, wenn es Frauen sind, die ihr kritisiert.
Manusia heisst auf Indonesisch «menschlich» und menschlich ist das Bedürfnis nach guter Kleidung, nach Selbstausdruck in wie man sich kleidet. Menschlich ist auch die Art und Weise wie Lorena Madarena und Emma Kistemaker, die zwei HSG-Studentinnen und Gründerinnen des Start-Ups Manusia, ihre Kollektionen produzieren liessen. Menschlich sollte nicht nur die Art der Produktion der Kleider sein, sondern die Kleidungsstücke sollen auch den Ansprüchen der Nachhaltigkeit entsprechen.
Was Manusia auszeichnet ist, dass sie das Gegenteil von üblichen grünen Hoodies und braunen Yogahosen produzieren. Wie jede HSGlerin und jeder HSGler weiss, gilt in der rauen Businesswelt «Kleider machen Leute» und somit auch Kleider machen Geschäfte. Ein Schwachpunkt der nachhaltigen Mode in der Schweiz scheint, dass wenig bis gar keine Mode existiert, die sowohl nachhaltig wie auch Business-Look tauglich ist und diejenige, die man findet, keineswegs einem Studenten-Budget entspricht und daher immer eine lebenslange Investition ist. Was aber wenn man nächstes Jahr drei Kilo mehr wiegt? Oder einem der Blazer in schwarz vom letzten Jahr doch auf einmal etwas zu dunkel für die sommerliche Hochzeit erscheint?
Begonnen hat alles mit der Liebe zur Mode und der Nachhaltigkeit, dem Engagement im studentischen Verein oikos, dem Dokumentarfilm «The True Cost» über die Schattenseiten des Fast-Fashion Industrie und mit diversen Kursen des Studiums über Corporate Social Responsibility. In Bali entwickelte sich die Idee zur Gründung eines nachhaltig und fair produzierenden Schweizer Modelables. 2018 wurden die beiden Freundinnen Lorena und Emma mit ihrer Start-Up Idee «Manusia» als nachhaltiges Schweizer Modelabel in das Entrepreneurial Talents Programm von Start@HSG aufgenommen. So erhielten sie finanzielle Unterstützung und Zugang zu exklusiven Events und Investorennetzwerken. Bei dem HSG-Modeprojekt Un-Dress hatten die beiden Gründerinnen die Möglichkeit, ihre neue Kleiderkollektion bei einem nachhaltigen Modewettbewerb vorzustellen und gewannen den Un-Dress Fashion Award 2021. Dieser ermöglichte die Kollektion für zwei Wochen im PKZ an der Bahnhofstrasse in Zürich auszustellen und zu verkaufen. «Bei Un-Dress konnten wir uns auf die Probe stellen, uns von ExpertInnen beurteilen lassen und als Gewinnerinnen von mehr Reichweite profitieren», so Lorena.
Ihre erste Kollektion liessen die Unternehmerinnen in der Türkei mit Biobaumwolle produzieren und verarbeiten, die es ermöglichte die gesamte Lieferkette an einem Ort zu haben. Einen Produktionsstandort zu finden, der allen ihren Ansprüchen gerecht wurde, suchten die beiden aber lange. Sie reisten sogar in die Türkei, um alles vor Ort wahrnehmen zu können. Nachdem ihre zweite Kollektion 2021, produziert aus Reststoffen, innert einer Woche ausverkauft war, wagten sie den nächsten Schritt in Richtung eines neuen Geschäftsmodells in der Modeindustrie; Manusia als Mietplattform für Kleider. Nach ausführlicher Marktrecherche in Kooperation mit der FHNW beginnen die beide nun eine Testphase von drei Monaten, um anhand von Pop-Up Stores festzustellen, ob ihr neues Geschäftsmodell Anklang in der Schweiz findet.
In den USA ist die Option Kleider auf bestimmte Dauer zu mieten bereits fest etabliert, wie etwa durch das erfolgreiche Unternehmen «Rent the Runway» doch in Europa gibt es noch kaum vergleichbare Angebote. «Dass dieses Modell die Zukunft ist, ist unbestreitbar», so Lorena. Das begründet die Unternehmerin damit, dass es auf nachhaltigste Weise die heutigen Bedürfnisse nach qualitativ hochwertigen Kleidern und immer mehr Variation befriedigt.
Betritt man heute den SQUARE, so findet sich im Erdgeschoss ihr Pop-Up Store. Bunt und vielfältig ist die Sammlung an Kleidern, die nun im Testlauf vermietet werden. Sie können unkompliziert anprobiert und durch das Scannen eines QR-Codes direkt gemietet werden. Über die Webseite von Manusia lassen sich die Kleider auch online mieten und zusenden. Gerade im Zusammenhang mit dem nahenden HSG-Ball am 21. Mai scheint dieses Angebot besonders attraktiv, da es sich für viele Studentinnen lohnen kann ein «neues» Kleid für das Wochenende zum Flottenpreise von 10-15 CHF pro Tag zu mieten, anstatt ein gänzlich neues für 100 CHF oder mehr extra zu kaufen. Kleine Schäden an den Kleidern übernimmt das Unternehmen selbst und die im Preis inkludierte Reinigung durch ihr Partner Öko-Textil-Reinigung ist ebenfalls nachhaltig.
Besuche den Pop-Up von Manusia noch bis heute Abend am Square und finde vielleicht schon bald ein Outfit für deinen nächsten Anlass.