“Man darf es sich nicht zu bequem machen.”

Major Erwin bei der Work Session
Major Erwin bei der Work Session “The Media – A Sword. But who carries it?”

Michael Erwin, einer der jüngsten Majore der US-Army führte am Rande des Symposiums ein Interview mit prisma. Als Dozent der renommierten Westpoint Akademie und ehemaliger Soldat im Irak und in Afghanistan war er prädestiniert, über aktuelle geopolitischen Themen ausgefragt zu werden – und über seine persönliche Meinung zum Thema „Leadership“. Nach einem kurzen Gespräch über die Notwendigkeit von Koffeintabletten, um das Symposium zu überstehen, wenden wir uns den inhaltlichen Fragen zu.

Erzählen Sie uns etwas über Ihre Motivation, hierher zu kommen. Woher wissen Sie vom Symposium?

Ich bin immer noch bei der Armee, im nächsten Monat werde ich wieder mit dem Unterricht in Westpoint beginnen. Dort haben sie mir von der Möglichkeit erzählt, hierher zu kommen. Also habe ich mir das angeschaut, und sah, wie genial es ist – da musste ich kommen.

Welche Gemeinsamkeiten sehen Sie zwischen militärischer Führung und der Führung eines Unternehmens?

Gute Frage. Ich denke, es gibt erst mal einige große Unterschiede. Beispielsweise werden Unternehmen vom wirtschaftlichen Erfolg angetrieben, während es beim Militär ganz anders aussieht: Sie kümmern sich um Ihre Jungs und die Mission, und im Falle eines Angriffs müssen sie Ihre Soldaten sicher nach Hause bringen. Aber natürlich gibt es auch Gemeinsamkeiten. Im Endeffekt suchen sie sowohl in einer guten Firma wie in einer guten militärischen Organisation Menschen, die zusammenarbeiten. Man setzt sich Ziele und arbeitet zusammen, um diese Ziele zu erreichen. Es geht auch viel um die zwischenmenschliche Chemie, wie z.b. bei Google, die den Esprit erfolgreicher Unternehmen ausmacht.

Es ist demnach sowohl für die Armee wie auch für ein Unternehmen wichtig, sich Ziele zu setzen, die man erreichen kann und will?

Absolut. Eine der wichtigsten Sachen, die ich bei der Armee gelernt habe, ist es, Ziele zu setzen. Und nicht nur Ziele zu setzen, sondern sie hoch zu setzen. Also wenn du denkst, du kannst deine Soldaten zwei Meilen in einer bestimmten Zeit laufen lassen – fordere 15 Sekunden kürzer. Solange es vernünftig ist, setz das Ziel höher. Denn: Je höher die Ziele sind, desto mehr wird geschafft.

Das Erreichen der Ziele hängt auch von Führung ab. Was sind denn die drei wichtigsten Elemente von „Leadership“?

Die Nummer eins: Mut. Mut zum richtigen Handeln, auch wenn es nicht einfach ist. Häufig muss man Entscheidungen treffen, die für Menschen ungemütlich sind, die Menschen unsicher machen. Aber wenn es im Interesse der Organisation ist, muss man diesen Mut aufbringen und ihn im Sinne ihrer Führungsrolle interpretieren.  Nummer zwei: Ausdauer. Ausdauer ist ein Schlüsselfaktor. Egal ob beim Militär, in der Wirtschaft oder bei NGOs: Du brauchst Ausdauer, um mit Rückschlägen klar zu kommen. Nummer drei ist etwas, was ich als soziale Intelligenz klassifizieren würde. Es ist das Gefühl, zu wissen wann die Soldaten eine Pause brauchen, du spürst es, sobald die Dinge falsch laufen. Man braucht die Fähigkeit zum Erspüren, wie andere Leute ticken. Soziale Intelligenz ist essentiell, weil es alle Aspekte der Führung beeinflusst.

Was sind Ihres Erachtens die drei größten Bedrohungen für eine erfolgreiche Führung? Was sind die größten Fehler, die man machen kann?

Eines der ersten Dinge, die mir da in den Sinn kommen ist die Distanz zu den Leuten, die du führst. Man klettert die Karriereleiter immer weiter hoch, da wird es einfacher sich von der echten, harten Arbeit zu entfernen. Da ist es wichtig, enge Beziehungen zu den Leuten am Boden zu haben. Auf der anderen Seite kann es auch ein Fehler sein, mit ihnen in Kontakt zu bleiben: Sie werden weniger kritisch und anspruchsvoll. Ein anderer grosser Fehler betrifft die Arbeitsmoral. Im Lauf der Zeit wird man faul und drückt sich vor den schwierigen Arbeiten. Man sucht sich Gründe, weniger zu arbeiten. Das ist einer der Gründe, warum beim Militär alle drei, vier Jahre eine Rotation stattfindet: Es soll nicht zu gemütlich werden. Es darf nie dazu kommen, dass man sich eine Komfort-Zone einrichtet, dass man seine Arbeiten also nur noch in einem Trott erledigt.

Da Sie sowohl in Afghanistan wie auch im Irak gedient haben: Wie wird es dort nach dem Tod Bin Ladens weitergehen?

Bin Ladens Tod wird nicht sonderlich viel ändern. Die NATO ist in Afghanistan schon jetzt mit sehr vielen Ressourcen beteiligt, dazu kommt die wertvollste Ressource vor Ort: Die Menschen. 2001 gingen dort weniger als eine halbe Million Menschen zur Schule, heute sind es sieben, von denen drei Millionen Mädchen sind. Es gibt Schulen und Krankenhäuser, all diese Dinge haben sich dramatisch verbessert. Allerdings warten noch zwei, drei Jahre harter Arbeit auf uns, in denen wir so viele afghanische Kräfte so gut wie möglich ausbilden möchten. Wir wollen sicherstellen, dass die afghanischen Sicherheitskräfte, die Regierung, die Richter bis dahin so professionell geworden sind, dass sie wirklich die komplette Kontrolle über ihr Land übernehmen können. Wenn wir uns richtig reinhängen, wird die Mission am Ende hoffentlich erfolgreich sein.

Sie sind sehr optimistisch, was Afghanistan angeht.

Das bin ich. Insgesamt bin ich schon ein optimistischer Mensch, und wenn man sich dazu noch die Entwicklung der letzten Jahre ansieht… Es sind erhebliche Fortschritte deutlich geworden. Klar, weit weg von Perfektion, es gibt noch viel zu tun. Aber auch gegen die vielen Elemente, die den Fortschritt aufhalten möchten: Ich bin optimistisch.

Die Rolle des Militärs hat sich sehr verändert, von einer Eingreiftruppe hin zum Wiederaufbau. Wie sieht das die amerikanische Bevölkerung?

Ich glaube, die meisten Menschen sehen die Armee immer noch als Verteidigungsarmee. Nur wenn sie jemand in der Armee kennen, sehen sie wie vielfältig die Aufgaben des Militärs heute sind. Abgesehen davon sind wir immer noch für den Kampf bereit – und ich glaube, dass das nötig sein wird.

Eine Abschlussfrage: Wenn Sie an die Studenten hier oder in Westpoint denken. Was für einen Ratschlag geben Sie ihnen mit auf den Weg?

Es ist immer wichtig, dass mit der Führung auch eine Verantwortung einhergeht. Die grosse Botschaft, die ich vermitteln möchte – und vermitteln werde – ist: Es ist sehr wichtig, das Leben anderer Menschen zu verstehen. Es ist wichtig, die Konsequenzen seiner Entscheidungen abzusehen. Sie müssen mit allem führen, was sie haben!

Das Interview führten Tobias Palm und Isabel Harstrick.

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