«Am Ende war sowohl das Kind als auch die Dissertation da»

Eigentlich hatte Katarina Stanoevska-Slabeva nie geplant, in der Schweiz zu bleiben. Doch aufgrund eines aus dem Krieg geflohenen Professors und ihrer Gabe fürs Programmieren landete sie an der HSG – und blieb bis heute.

© Danielle Hefti

Offenherzig werden wir von Prof. Dr. Katarina Stanoevska-Slabeva im grossräumigen Design Thinking Lab des Institutes für Medien- und Kommunikationsmanagement (MCM) empfangen. Obwohl als Location für dieses Porträt normalerweise das Zuhause des jeweils Interviewten dient, nimmt uns unser Gegenüber mit gleich zwei schlagkräftigen Argumenten den Wind aus den Segeln: Erstens sei das Institut ihr zweites Zuhause, sagt die sympathische Frau lachend. Und zweites werde ihr Häuschen im schönen Rotmonten zurzeit innen wie aussen renoviert – für Fotos würde sich dies wohl nicht so gut machen.

Die heutige Vertreterin des Lehrstuhls für Corporate Communication und Titularprofessorin für Betriebswirtschaft und insbesondere Informationstechnologie wirkt quirlig, laut und voller Enthusiasmus – Eigenschaften, die sie auf ihren Ursprung zurückführt.

«Diss-» und «Habilitations-Kind»

Die 1964 im heutigen Nordmazedonien geborene Professorin hat nach wie vor einen starken Bezug zu ihrer Heimat: «Der Ort, an dem man aufwächst, prägt einen.» Da ihre Eltern immer noch dort wohnen, fliegen sie und ihr Mann, welcher ebenfalls aus Nordmazedonien stammt, mehrmals pro Jahr «nach Hause». Katarina Stanoevska-Slabeva betont jedoch, dass sie sehr glücklich seien in ihrer zweiten Heimat, der Schweiz. Hier sind auch ihre Kinder geboren worden und aufgewachsen.

Das Jahr, welches für die Dissertation gedacht war, erschien ihr zunächst als idealer Zeitpunkt, um Mutter zu werden. Hätte sie im Vorhinein gewusst, wie anstrengend das werden würde, hätte sie es vermutlich anders geplant. Ausser ihrem Partner hatte sie in dem damals fremden Land nämlich niemanden, der sich ab und zu um die Kinder kümmern konnte. Trotz aller Schwierigkeiten ist schliesslich alles gut gegangen: «Am Ende war sowohl Kind als auch Dissertation da», sagt sie und lacht. Nach dem «Diss-Kind», wie sie ihre Tochter liebevoll nennt, kam sechs Jahre später auch der Sohn, das «Habilitations-Kind», zur Welt.

Zeit mit ihren Kindern zu verbringen war schon immer ein wichtiger Ausgleich für die vielbeschäftigte Professorin: «Ich habe sie ja nicht auf die Welt gebracht, um sie dann nie zu sehen!» Heute ist sie stolz, wie sich diese zu eigenständigen Persönlichkeiten entwickelt haben. Dies als Mutter zu beobachten sei das Schönste, was man im Leben erfahren könne. Auch wenn ihr der Beruf sehr wichtig ist, steht die Familie dennoch an erster Stelle. Beides zu vereinbaren, stellt sich allerdings aufgrund ihrer perfektionistischen Züge manchmal als schwierig heraus.

Sich selbst die grösste Kritikerin

Ihren starken Hang zum Perfektionismus stuft die Professorin sowohl als Stärke als auch Schwäche ein. Diesem hat sie es zuzurechnen, dass sie ihre Dissertation insgesamt drei Mal schrieb, bis sie endlich damit zufrieden war. Zwar lebte sie als Kind mit ihrer Familie vier Jahre lang in Deutschland, aber das gelernte Vokabular einer Zwölfjährigen beinhaltete keine Fachausdrücke aus der BWL und Technik. Das sprachliche Niveau einer Dissertation musste sie sich dann auch mit Hilfe ihrer Kollegen hart erarbeiten. Als Perfektionistin mache sie sich selbst viel Druck und sei dabei auch ihre grösste Kritikerin. Folglich habe sie auch anderen gegen- über hohe Ansprüche: Von ihren Doktoranden verlangt die strukturierte Denkerin, dass sie Daten eine Geschichte entnehmen müssen. «Sonst hat man keinen guten Job gemacht.» Trotz oder vielleicht genau wegen dieser Ansprüche verfügt sie selbst über eine hohe Anpassungsfähigkeit. Sie betont aber, dass ein wenig Egoismus manchmal nicht schaden würde – es immer allen recht machen zu wollen sei nämlich sehr anstrengend. Besonders auch deshalb, weil es in ihrem Fall einige Situationen gab, die ihr viel abverlangten.

Drei grosse Schwierigkeiten

Als Frau mit ausländisch klingendem Nachnamen im Technologiebereich habe man gleichzeitig drei Schwierig- keiten zu überwinden. Erstens musste sich die heutige Professorin in einem männerdominierten Feld zuerst einmal Gehör verschaffen und klar machen, dass sie nicht da war, «um Kaffee zu kochen». Ein solches Umfeld in der vorbildlichen Schweiz vorzufinden, habe sie damals als «naive junge Frau» nicht erwartet; In Nordmazedonien hatten Frauen immer gearbeitet – nicht zu arbeiten, wie in der Schweiz damals normal war, sei ein Luxus, den man sich in ihrer früheren Heimat finanziell gar nicht hätte leisten können.

Zweitens war ihr Name für Schweizer schwierig zu merken, was diesen oft unangenehmer war als ihr selbst. Und drittens war es schwer, einigen Leuten Technologie näher zu bringen: «Entweder mag man sie oder man hat Berührungsängste. Und wenn man Berührungsängste hat, versucht man gar nicht erst, diese zu verstehen.» Erst als Katarina Stanoevska-Slabeva die Chance bekam, ihre Kompetenz in diesem Bereich zu beweisen, konnte sie diese Steine aus dem Weg räumen. Dies ist ein Tipp, welchen sie Studierenden mit dem Ziel einer akademischen Karriere gibt: «Man darf sich nicht unterkriegen lassen und muss viel arbeiten.»

Das funktioniere allerdings nur, wenn man Leidenschaft für das ausgewählte Thema empfinde, ansonsten könne man sich nicht jahrelang damit beschäftigen undlängerfristiggutgenugsein. Aber auch strategische Überlegungen dürfen nicht zu kurz kommen: Ein Thema zu wählen, welches auf dem Markt aktuell ist, und wozu es in nächster Zeit freie Lehrstühle geben wird, sei auf jeden Fall nicht verkehrt. Jung anzufangen und dabei ein starkes Netzwerk aufzubauen, ist aus der Sicht der Professorin ebenfalls entscheidend für eine erfolgreiche akademische Laufbahn.

«Liebe auf den ersten Blick»

Katarina Stanoevska-Slabeva scheint ihre eigenen Tipps erfolgreich befolgt zu haben. Nicht etwa die zwischenmenschliche Liebe ist hier gemeint, nein. Das Zitat fällt im Zusammenhang mit ihrer Leidenschaft für Computer, welche noch aus einer Zeit stammt, in der es nicht einmal Internet gab. Bei der Implementation desselben an der HSG hatte sie mit dem damaligen Team am MCM übrigens eine der Hauptrollen inne.

Ebendiese Passion sprudelt bei jedem Satz nur so aus ihr heraus und gibt ihr täglich die Energie, um am Ball zu bleiben. Gerade in einem von solch rasanten Entwicklungen geprägten Forschungsfeld ist dies unabdingbar. Veranschaulicht wird dies auch anhand der Stapel Papier, die sich in ihrem Büro zu neuen Forschungsresultaten häufen und die Professorin zwingen, die Vorlesungsfolien jedes Semester zur Hälfte anzupassen. Dazu gehören auch die langen Reihe ihrer neuesten Publikationen, zu welchen unter anderem die hochaktuelle «persuasive Kommunikation» gehört, welche sie anhand Push-Benachrichtigungen erforscht.

Auch mit «nudging» und «behavioural design», welche Entscheidungen beziehungsweise das Verhalten von Konsumenten durch Technologie zu steuern versuchen, beschäftigt sich die For- scherin. Bei den Ausführungen kommt Katarina Stanoevska-Slabeva ins Schwärmen und erklärt uns, wie ihre Apple Watch sie abends um 23.30 Uhr noch dazu ermuntert, zehn Minuten spazieren zu gehen, um ihr Tages-Soll zu erfüllen. Das soll einen soweit beeinflussen, irgendwann selber daran zu denken, ohne von einem Gerät erinnert zu werden. «Faszinierend!»

Mit Herz und Seele dabei

Ihr Haupt- und Herzensprojekt ist aber «Horizon 2020». Es ist nicht das erste EU-Projekt der Titularprofessorin. Auf gewisse Weise rundet das grösste Research- und Innovationsprogramm der Europäischen Union ihre bisherige Arbeit perfekt ab, welche nach erfolgreicher Habilitation mit dem ersten Projekt der EU «IBIS» vor genau 20 Jahren startete. Damals stellten das Programmieren und die Fremdmittelfinanzierung die Kernaufgaben und -kompetenzen im eigenen, neu entstandenen Programmier-Team dar.

Startschuss für die steile Karriere war das Schweizer Stipendium, welche ihr den PhD an der HSG und somit die Fortsetzung ihrer Studien zum richtigen Zeitpunkt ermöglichte, war doch gerade ihr damaliger Doktorvater aus dem kriegszerrütteten Serbien der 90er-Jahre in die USA geflohen. Schon davor hatte sie in ihrem Heimatland die Gelegenheit gehabt, den ersten Lehrstuhl für Informationssysteme – die heutige Wirtschaftsinformatik – als Doktorandin aufzubauen.

Schliesslich waren es neben ihrer ambitionierten Persönlichkeit und schnellen Auffassungsgabe genau solche Erfahrungen, welche ihr halfen, in der Schweiz Fuss zu fassen und auch an der Universität St.Gallen an einem ähnlichen Lehrstuhl mitzuarbeiten. Wir sind nach diesem Gespräch felsenfest davon überzeugt, dass die fleissige Professorin hierbei – wie bei allem anderen in ihrem Leben auch – mit 150 Prozent Hingabe und Ehrgeiz herangegangen ist.


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