«Für mich ist das Ganze ein Abenteuer»

Ein Gespräch mit Michael Näf über Doodle, Unternehmertum und Chef-Sein.

Sie sind Gründer und CEO des kostenlosen Online-Koordinationsdienstes Doodle. Wie oft haben Sie Ihre Erfolgsgeschichte schon erzählt?

Ungefähr 50 Mal.

Schmeichelt Ihnen das Interesse der Medien? Ist das ein wenig Belohnung?

Ich bin nie ein Mensch gewesen, der das Rampenlicht gesucht hat. Am Anfang bin ich ein wenig gehemmt gewesen, aber heute weiss ich, dass das eben meine Geschichte ist. Ausserdem gibt es noch immer viele Menschen, die nach dieser Geschichte fragen, und deswegen erzähle ich sie.

Was ist das Geschäftsmodell hinter Doodle?

Wir vertreiben drei Produkte: Das öffentliche Produkt Doodle, das wir alle benutzen, um unsere Termine zu organisieren. Es ist gratis, und wir versuchen, eine möglichst grosse Reichweite zu erhalten, um die Marke zu etablieren. Unsere Umsätze erwirtschaften wir mit zwei kommerziellen Produkten: Werbung und Branded Doodle. Mit Branded Doodle erhält eine Firma ihr eigenes Doodle mit Namen und Logo der Firma, optional werbefrei und mit zusätzlichen Sicherheitsoptionen.

Wie viele Auszeichnungen hat es bisher für Doodle gegeben?

Gar nicht so viele. Die jüngsten nennenswerten sind wohl der Public Award von Swiss ICT sowie der Open Web Award von Mashable. Ausserdem haben wir im vergangenen Herbst das CTI Start-up Label erhalten und damit den Coaching-Prozess von CTI Start-up abgeschlossen.

Für die Grösse von Doodle ist das aber eine respektable Anzahl von Auszeichnungen.

Ja, aber die grösste Auszeichnung ist eigentlich die Anzahl Nutzer, die wir jeden Monat erreichen. Das ist auch das, was uns immer wieder am stärksten motiviert.

Warum haben Sie Doodle drei Jahre lang als privates Projekt betrieben, obwohl dies sicherlich viel Zeit in Anspruch genommen hat?

Weil es mir Spass machte. Zum einen haben mich die vielen positiven Rückmeldungen der Benutzer sowie deren Aussage, dass sie dank Doodle viel Zeit und Nerven sparen können, motiviert. Zum anderen hat mich die Herausforderung gereizt, den Dienst auszubauen, neue Funktionen anzubieten und trotzdem alles einfach und überschaubar zu halten.

Kam die Entscheidung, Doodle zu professionalisieren, plötzlich oder war sie absehbar? War es jemals eine Option, das Projekt abzugeben?

Der Entscheid war eine Kombination aus mehreren Umständen: Ich war nach 4 Jahren Lehrtätigkeit an der ETH bereit für eine neue Herausforderung. Mein damaliger Büronachbar Paul Sevinç war am gleichen Punkt und bereit, mit mir das Unternehmen Doodle zu starten. Ausserdem hatte Doodle mit gegen 200‘000 monatlichen Besuchern bereits eine stattliche Grösse erreicht, die eine Professionalisierung nahelegte. Das Projekt abzugeben, war nur insofern eine Option, als dass ich von mehreren Parteien angefragt worden war, ob Doodle zu kaufen sei.

Die Idee war da, die Technologie war da, die Mitarbeiter waren da. Wie sind Sie etwa mit den rechtlichen Fragen umgegangen?

Für die rechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Firmengründung haben wir uns ganz einfach ein Buch gekauft, das alles erklärt. Daran haben wir uns im Wesentlichen orientiert. An wichtigen Punkten haben wir zudem Juristen beigezogen und uns auf die Inputs von erfahrenen Personen abgestützt.

Wie fühlt man sich, wenn man auf Investorensuche ist?

Wie immer, wenn man etwas zum ersten Mal macht: Man ist etwas verunsichert und weiss nicht immer, wie man mit den Leuten umgehen soll. Nach einigen Gesprächen beginnt sich das zu ändern, man gewinnt an Sicherheit und wird offensiver. Man stellt dann häufiger die Gegenfrage: «Was können Sie uns denn bieten, wenn Sie bei uns investieren dürfen?»

Das waren ja sicherlich auch persönlich immer wichtige Schritte, beispielsweise vom Kreativen zum Geschäftsführer. Hat Sie das verändert?

In gewissen Punkten habe ich mich sicher verändert und verändere mich noch. Am auffälligsten für mich ist, dass ich noch nie in so kurzer Zeit so viel gelernt habe und nach wie vor lernen muss. Beim Aufbau eines Unternehmens wird man immer wieder in kaltes Wasser geworfen und muss sich rasch mit neuen Situationen und Unvorhergesehenem auseinandersetzen können. Ich versuche auch schneller zu reagieren, wenn ich mit internen und externen Personen zusammenarbeite: Ich sage viel früher, ob ich etwas will oder nicht, so hält man sich nicht zu lange mit Unnötigem auf.

Hat sich Ihre Lebensführung verändert?

Für mich nicht massiv. Ich habe schon immer viel gearbeitet. Geändert hat sich, dass ich konsequenter mit meiner Freizeit umgehe: Ich mache mehr Sport, weil ich merke, dass ich den Ausgleich brauche. Ich bin generell aktiver in meiner Freizeit.

Ist Arbeiten jetzt angenehmer, weil es das eigene Projekt ist?

Das fördert zumindest das Verantwortungsgefühl. Es gibt ja viele Menschen, die ein Unternehmen gründen, um ihr eigener Chef zu sein. Das war bei mir nicht der Fall. Ich bin mit meinen Vorgesetzten immer gut ausgekommen.

Wie ist es nun, selber Chef zu sein?

Bei uns sind die Hierarchien nicht so ausgeprägt. Wir sind ein kleines Team und versuchen gemeinsam, das Projekt vorwärtszutreiben. Aber in letzter Konsequenz bin ich natürlich derjenige, der verantwortlich ist. Ich erlebe viel, es ist sehr spannend und lehrreich, aber oft auch anstrengend. Ich merke, dass es kein Zuckerschlecken ist. Aber diesen Verdacht hatte ich schon immer (lacht).

Wenn man die Entwicklung betrachtet: Was waren die Details an Doodle, die wesentlich zu seiner Verbreitung beigetragen haben?

Benutzerzentriertheit. Von Anfang an war es mein Ziel, einen einfachen Dienst anzubieten, der möglichst benutzerfreundlich ist und tiefe Einstiegshürden hat. Man muss nichts herunterladen, nichts installieren, man muss sich nicht einmal registrieren. Doodle hat auch eine gewisse Viralität, also eine Tendenz zur selbstständigen Verbreitung, eingebaut: Wer Doodle benutzt, lädt Leute ein, die oftmals neu mit dem Dienst in Kontakt kommen. Flankierend dazu haben wir sehr früh angefangen, zu internationalisieren. Schon die erste Doodle-Version wurde bald zweisprachig, heute ist Doodle in 29 Sprachen verfügbar und unterstützt Terminabsprachen über Zeitzonen hinweg.

Hatten sich die Gründer im ersten Jahr keine Gehälter ausgezahlt? Wie ist die Gehaltsverteilung heute?

Im ersten Jahr hatten wir uns fast kein Gehalt ausgezahlt; der Lohnverzicht war das anfängliche Investment von Paul und mir. Mittlerweile zahlen wir uns und allen anderen MitarbeiterInnen Löhne aus.

Ist es für Sie eine vorstellbare Option, sich irgendwann von Doodle zurückzuziehen?

Ich will nicht unbedingt mein Leben lang Doodle machen, aber über die nächsten Jahre werde ich die Firma weiter auf- und ausbauen.

Michael Näf, 35, studierte Informatik und Didaktik an der ETH Zürich. 2003 erfand er Doodle. Ende 2006 beschloss er zusammen mit seinem Kollegen Paul E. Sevinç, Doodle zu professionalisieren. Im Februar 2008 wurde nach erfolgreicher Investorensuche die Doodle AG gegründet, die heute neun Mitarbeiter zählt. Doodle wird unterdessen von mehr als 3 Millionen Benutzern pro Monat eingesetzt.


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