Lex Weltwoche

Anlässlich der Affäre Hildenbrand verlangten die Präsidenten verschiedener Schweizer Parteien die Schaffung einer “Lex Weltwoche”, welche die Offenlegung der Besitzverhältnisse von Verlagen vorsieht. Zwei Redaktoren von prisma nehmen zur Offenlegung der finanziellen Besitzverhältnissen vom Medienverlag Stellung.

Pro (von Samir Mutapcija)

Wir befinden uns in einer Zeit, in der das Ideal der Demokratie weltweit zunehmend an Bedeutung gewinnt, in der über Jahrzehnte beständige Staatsstrukturen sich innert kürzester Zeit transformieren, in der Menschen für ihr Mitspracherecht auf die Strasse gehen und bisweilen ihr Leben dafür lassen. Als Beispiel par excellence für eine gelebte und nahezu maximal ausgestaltete Demokratie wird seit jeher die Schweiz angesehen. Nichtsdestotrotz weist auch der Musterschüler hinsichtlich einiger Punkte im Bereich des Meinungsbildungsprozesses Mängel auf – unter anderem bei gewissen Fragen der Transparenz, was aber hinsichtlich der (bislang) mehr oder weniger erfolgreich verfolgten Wahrung des Bankgeheimnisses kaum überraschen dürfte.

Den Medien kommt innerhalb der Gesellschaft eine bedeutungsvolle Rolle zu. Sie haben die Fähigkeit, die öffentliche Meinungsbildung direkt und in starken Masse zu beeinflussen, zu Handlungen anzuregen und gar politische Karrieren zu zerstören, was in der letzten Zeit zur Genüge unter Beweis gestellt worden ist. Das ist auch gut so. Und gerade aus diesem Grund drängt sich aus Sicht der Rezipienten die Notwendigkeit einer transparenten Angabe der Besitzverhältnisse von Medienunternehmen auf, wie es bereits anlässlich der Affäre Hildebrand von verschiedenen Schweizer Parteipräsidenten gefordert wurde. Das Volk soll, was in vielen Staaten leider immer noch nicht zum Usus geworden ist, informiert werden und sich so eine eigene Meinung bilden können. Es soll aber gleichzeitig auch elementare Informationen über ebendiese Informanten beziehen können – denn gewisse Botschaften erscheinen, je nachdem welcher Quelle sie zugeschrieben werden, in einem ganz anderen Licht. Natürlich kann man hier einwenden, dass es sich bei den Quellen um freie, unabhängige Autoren handelt. Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack, wenn alle zwei Wochen ein bestimmtes Parteiprogramm von einem Magazin rauf- und runtergebetet wird, welches sich als unabhängig bezeichnet und zwecks öffentlicher Aufmerksamkeit mittels Unterstellungen und Unwahrheiten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens diffamiert. Das Volk hat und muss den Anspruch haben, über mögliche Interessenskonflikte, welche sich aus der Zusammensetzung der Inhaber und den vermittelten Inhalten der Medienhäuser ergeben können, im Bilde zu sein. Im Grunde genommen spricht lediglich ein Argument gegen diese Wertvorstellung – dagegen ist, wer etwas zu verbergen hat. So gesehen bei der Basler Zeitung, als nach langem Hin und Her publik wurde, dass Pate Blocher dort seine Marionetten installiert hat und im Hintergrund die Fäden zieht.

Die geforderte «Lex Weltwoche» tangiert, wie einige Kritiker monieren, keineswegs die Meinungs- oder Pressefreiheit. Den Autoren steht es weiterhin zu, unvoreingenommen ihre Aufgaben der Berichterstattung wahrzunehmen und ihre Sicht der Dinge zu schildern. Die einzige Änderung stellt die Tatsache dar, dass der Medienkonsument die Information im Kontext sieht und dementsprechend ganzheitlich betrachten kann – ganz im Sinne des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses.

Hinzu kommt, dass eine Umsetzung dieser Vorlage richtungsweisend sein kann für das Vorgehen bezüglich weiterer politischer Missstände im Bereich der Transparenz. Die seit langem fällige rechtliche Verankerung der Finanzierung von politischen Parteien und Kampagnen, welche sowohl auf Bundes- als auch praktisch auf gesamter Kantonsebene fehlt, könnte so neuen Aufwind bekommen. Denn die von Reimann und Konsorten initiierte «Pseudo-Transparenz-Initiative» wird sich schlussendlich als kontraproduktiv erweisen und lediglich als Legitimation für die Nichteinleitung weiterer Schritte hinsichtlich der Finanzierung gelten. Die Schweiz hat, darf und muss solche Ansprüche als Musterschüler der gelebten Demokratie haben – und wird zum Nachsitzen im Fach Transparenz verdonnert.

Kontra (Lukas Wohlgemuth)

Die Forderung der sechs Parteichefs an die Weltwoche, ihre Besitzverhältnisse offenzulegen, ist nicht viel mehr als eine kurzgedachte Trotzreaktion. Man mag von der Affäre Hildebrand halten, was man will, doch eines ist klar: Auch eine Offenlegung der Besitzverhältnisse bei der Weltwoche hätte an Hildebrands Rücktritt nichts geändert.

Was also hätte eine Lex Weltwoche für einen Nutzen? Nach CVP-Präsident Darbellay sei dadurch zu verhindern, dass in der Schweiz Zustände wie in Italien herrschen. Man will nicht, dass Politiker Medien als Propagandainstrument missbrauchen. Dies klingt vernünftig, werden doch die Medien oftmals als «vierte Staatsgewalt» betitelt. GLP-Präsident Martin Bäumle will deshalb, dass alle Medien offenlegen, wer bei ihnen Einfluss ausübt. So gut die Idee zunächst auch klingen mag, ihr Nutzen ginge gegen null und ihre Umsetzung wäre enorm schwierig.

In der Schweiz vermuten die Gegner von Christoph Blocher schon lange, dass er an der Weltwoche beteiligt ist. Selbst wenn an dieser Verschwörungstheorie tatsächlich etwas dran sein sollte: Was würde eine Offenlegung der Besitzverhältnisse ändern? Das Blatt positioniert sich klar am rechten Rand und wird mehrheitlich von Lesern, die in dieser politischen Region beheimatet sind, gelesen. Der interessierte Schweizer Bürger weiss, mit welchen Augen er Artikel dieses Magazins zu lesen hat. Genauso wie er weiss, dass die NZZ liberal und die WOZ links ist. Dazu ist die Offenlegung von Besitzverhältnissen nicht nötig.

Wenn Politiker wirklich «italienische Verhältnisse» verhindern wollen, müsste die ganze Problematik anders angegangen werden. Denn es ist auch bestens bekannt, dass in Italien ein Grossteil der Medien Silvio Berlusconi gehören. Trotzdem schränkte ihn dies nicht ein, die Medien zu seinen Zwecken zu nutzen. Wenn man wirklich verhindern will, dass Politiker Einfluss auf Medien ausüben, bedürfte dies weitaus anderer Gesetze und nicht bloss solcher, die auf die Problematik hinweisen.

Man stelle sich vor, jeder Klein- und Kleinstverlag müsste seine Besitzverhältnisse offenlegen. Das ist nicht bloss absurd, sondern auch mit unnötigem bürokratischem Aufwand verbunden. Zudem gibt es unzählige Wege, einen Verlag so zu finanzieren, dass im Endeffekt nicht klar ist, wer jetzt der wirkliche, endgültige Geldgeber ist. Überdies vergisst man schnell, dass Geld nicht die einzige Möglichkeit ist, Einfluss auszuüben. Die Verlagshäuser müssten auch alle Freundschaften und sonstigen Beziehungen der Redaktoren offenlegen, um eine Transparenz der Einflussnahme zu gewährleisten.

In der Schweiz ist die Meinungsfreiheit in der Bundesverfassung fest verankert. Jedermann darf schreiben, was er will. Eine Rechtfertigung, wieso man etwas schreibt, ist nicht erforderlich. Bloss weil von Journalist A ein Artikel erscheint, der Politiker B nicht gefällt, hat sich A noch lange nicht zu rechtfertigen, wieso er diesen Artikel geschrieben hat. Sobald also eine unpopuläre Meinungen publiziert wird, soll der ganze dahinterstehende Verlag eine Striptease vollziehen? Meinungsfreiheit sieht anders aus. Eine Lex Weltwoche klingt schön. Bei einer genaueren Betrachtung wird jedoch klar, dass die aus einer politischen Niederlage entstandene Forderung keinen wirklichen Nutzen mit sich bringt und sogar mit der Verfassung in Konflikt gerät.

Ausserdem: Ist es nicht äusserst fragwürdig, dass ausgerechnet von denselben Politikern, welche nicht einmal ihre eigenen Parteifinanzierungen offenlegen, gefordert wird, dass Verlage genau dies mit ihren Geldquellen tun sollten?


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