Mein Credo: Vegane Ernährung

In regelmässigen Abständen finden Bilder und Berichte über die Zustände in der industriellen Tierhaltung ihren Weg in die Öffentlichkeit. Gleichzeitig gibt es eine wachsende Zahl von Menschen, die für eine fleischlose Ernährung plädieren. Gabriel Gertsch hat zu diesem Thema Stellung bezogen.

An dieser Stelle werden wir es aber nicht beim Verzicht auf Fleisch (Vegetarismus) bewenden lassen, sondern vom Veganismus sprechen, der Lebensweise ohne Konsum jeglicher tierischer Produkte. Das hat einen einfachen Grund: Die Argumente wider dem Fleischkonsum gelten gleichermassen für andere tierische Erzeugnisse wie Milch und Eier.

Klar ist: Der global steigende Fleischhunger ist ein Klimafaktor

Dank Studien von der UNO und dem unabhängigen Worldwatch Institute aus Washington ist längst unbestritten, dass die Produktion von Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs mehr CO2-Ausstoss verursacht als der gesamte globale Verkehr; nicht zu sprechen vom um ein Vielfaches schädlicheren Methan, das etwa Milchkühe in grossen Mengen ausstossen. Dazu kommt die enorme Ressourcenverschwendung der Fleischproduktion: Während die Herstellung von einem Kilogramm Weizen 1300 Liter Wasser erfordert, sind es für ein Kilogramm Rindfleisch ganze 15’000 Liter. Zur Veranschaulichung: Damit duscht ein durchschnittlicher Schweizer ein Jahr lang. Überdies ist die ineffiziente Umwandlung von Pflanzen in Fleisch (durchschnittlich 10 Kilogramm Mais, Soja etc. für ein Kilogramm Fleisch) mitverantwortlich für den täglichen Hungertod Tausender. Und nein, der Welthunger ist nicht nur ein Verteilungsproblem, wie mir viele ökonomisch gebildete HSGler entgegenhalten werden. Denn es ist die enorme Nachfrage nach pflanzlicher Nahrung zur Mästung der Nutztiere, welche den Weltmarktpreis für diese Güter in unnatürliche Höhen treibt und für die Ärmsten unerschwinglich macht.

Klar ist auch, dass sich diese Probleme mit zunehmender Weltbevölkerung noch verschärfen werden. Kein Wunder also, propagiert die UNO in einem Bericht von 2010 den Schritt zur veganen Ernährungsweise. Wäre das aber nicht ungesund, so gar kein Fleisch und keine Milch?

«Milch gibt starke Knochen!» – «Fleisch ist ein Stück Lebenskraft!»

Beide Aussprüche verdanken wir der Werbeindustrie. Halten sie aber auch einer wissenschaftlichen Betrachtung stand? Milch ist richtigerweise bekannt für ihren Calciumgehalt, doch kann der Körper Calcium nicht verarbeiten, wenn er es in Kombination mit tierischem Eiweiss verabreicht erhält – und scheidet es demzufolge wieder aus. Damit ist Milch einer der Risikofaktoren für Osteoporose, auch bekannt als Knochenschwund. Cornell-Professor Colin Campbell weist in seiner «China Study» auf weitere weit verbreitete Fehlannahmen hin: Auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (mit 36 Prozent die häufigste Todesursache in der Schweiz), Diabetes und Krebs wird durch den Konsum tierischer Produkte erwiesenermassen erhöht.

Ein weiterer Mythos ist die Rede von Mangelerscheinungen bei veganer Ernährungsweise. Dass auch dieser Vorwurf keineswegs einer gesicherten Erkenntnis entpringt, wissen wir dank der American Dietetic Association. Ihre Studie zu vegetarischen Ernährungsformen, die auf den Ergebnissen von Untersuchungen von 70’000 Wissenschaftlern basiert und als derzeitiger Stand der Forschung gilt, kommt zum Schluss, dass gut geplanter Veganismus für alle Stadien menschlichen Lebens (inklusive Schwangerschaft und früher Kindheit) angemessen ist und Gesundheitsvorteile bietet.

Genuss über alles?

Klima- wie auch Gesundheitsargumente sprechen also für eine Reduktion unseres Konsums tierischer Produkte. Eine Frage erspart uns diese ganze Diskussion dennoch nicht: Dürfen wir überhaupt Tiere töten, wenn es doch für uns nicht von überlebensnotwendiger Wichtigkeit ist, sondern blosser Luxus? Wie ist es zu rechtfertigen, dass wir Menschen ein Recht für Unversehrtheit zugestehen, während ein Hühnchen gerade mal das Recht geniesst, durch ein elektrisches Bad gezogen zu werden, bevor ihm die Kehle durchgeschnitten wird?

Diese Frage stellt sich übrigens für Vegetarier genauso wie für Fleischesser. Wer etwa Eier konsumiert, verantwortet auch mit, dass täglich tausende männliche Küken direkt nach dem Schlüpfen vergast werden, da sich ihre

Aufzucht zur späteren Schlachtung für den Bauern nicht lohnt.

Eine erste Antwort wäre: «Die Frage ist mir völlig egal, denn es schmeckt einfach so gut!» Wer sich derart wenig um die Folgen und Gründe seines Tuns schert, kann sich den Rest dieses Artikels getrost sparen. Die meisten aber rechtfertigen das Verspeisen von Tierleichen mit den zwei folgenden Argumenten:

«Schau mal in die Natur, es ist natürlich, Fleisch zu essen!»

Hierbei handelt es sich streng genommen gar nicht um ein ethisches Argument. Was ist, spielt schlicht keine Rolle für das, was sein soll. Schliesslich tun wir eine ganze Menge höchst unnatürlicher Dinge, eben weil es oft das ethisch Gebotene ist: So öffnen wir etwa Kranken den Bauch, um ihnen eine Spenderniere einzusetzen, anstatt sie naturgemäss sterben zu lassen. Ganz zu schweigen davon, dass angesichts des verbreiteten Einsatzes von Antibiotika auch auf Bio-Höfen von «Natürlichkeit» keine Rede sein kann.

«Menschen sind nun mal anders als Tiere!»

Oft wird vorgetragen, Menschen besässen höhere kognitive Fähigkeiten als die anderen Tiere und seien deshalb schützenswerter. Ersteres ist unbestritten. Doch es wird schnell klar, wieso das nicht von ethischer Relevanz sein kann: Ein Schwein etwa ist intelligenter als Säuglinge. Wenn das also das Unterscheidungskriterium sein soll, können sich Fleischesser getrost auch Menschenfleisch gönnen, solange es aus säuglingsgerechter Haltung stammt. Schliesslich ist es ebenjenes Fleischesser-Argument, welches die genannten Menschengruppen mit einigen Tierarten auf dieselbe Stufe stellt.

Noch trivialer ist es, die Minderwertigkeit der Tiere mit der vom Menschen abweichenden äusserlichen Gestalt zu begründen. Das erinnert unweigerlich an ein dunkles Kapitel der Geschichte, die Sklaverei. Bereits zu deren Blütezeit hat Jeremy Bentham die Analogie erkannt: «The French have already discovered that the blackness of the skin is no reason why a human being should be abandoned without redress to the caprice of a tormentor. It may one day come to be recognised that the number of legs, the villosity of the skin or the termination of the os sacrum, are reasons equally insufficient for abandoning a sensitive being to the same fate.» Dieser Tag ist überfällig.


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