Tütü, Plié – war’s das?

Ballett ist laut vorherrschender Meinung etwas für kleine Mädchen. Das Training der Tänzer – geschweige denn eine Karriere – ist jedoch nebst Glitzer und Musik ein Workout der ganz eigenen Art. Ein Selbstversuch beweist dies.

Wir alle haben die eine oder andere Bekannte, die einmal, als sie klein war, ins Ballett ging. Ohne den Gedanken schon nur zu Ende zu führen, hat man das stereotypische Bild eines dreijährigen Mädchens im rosaroten Kleidchen mit Krone im Kopf. Dafür soll der Unisport ein Angebot haben? Ich entschied mich also diesem Klischee auf den Grund zu gehen.
Aus dem Selbstexperiment lassen sich mehrere Schlüsse ziehen. Lasst mich aber noch kurz ausholen: Nach 16 Jahren Training, vier Jahren professioneller Arbeit und einer gefühlten Ewigkeit an verbrachten Stunden im Studio habe ich wohl eine ganz andere Sicht auf eine Ballettstunde an der HSG. So entschied ich mich, die Stunde in Begleitung einer Kollegin, die bisher noch keine Erfahrungen sammeln konnte, zu besuchen. Die Resultate waren überraschenderweise ähnlich: Wir beide waren uns über die Selbstzufriedenheit einig. Sie mit dem Einblick in eine unterschätzte Welt und ich mit dem Fund eines Raums, in dem ich einerseits meiner Leidenschaft freien Lauf geben kann und andererseits an meiner Technik feilen kann – ohne, dass es zu komplex sein muss. Das Niveau variiert von Anfängern bis Profis, doch jeder findet sich zurecht und kann das Maximum aus den 75 Minuten herausholen. Man sollte nicht behaupten, dass ein Anfänger sich sofort wohl fühlen wird und den eigentlichen Sinn dahinter sehen würde, oder dass der Trainingsplan eines Profis mit dieser einen Stunde ausgelastet wäre. Für den Spass und die Abwechslung vom Studium ist es den ach so weiten Weg ins Sportgebäude trotzdem wert.

Die Sache mit dem XXL-Shirt

Stell dir vor, du kommst in den Trainingssaal. Alle haben ihre Haare gebunden. Du merkst sehr schnell, dass dein T-Shirt, mit dem du raffiniert deinen mit Pasta gefüllten Magen verdecken wolltest, im Vergleich viel zu weit ist. Du bist die einzige Person mit diesem Problem. Stillschweigend begibst du dich in Richtung eines an der Wand befestigten horizontalen Rohrs. Du stellst deine Sporttasche neben dir auf den Boden. Dann siehst du aus dem Augenwinkel wie eine junge Dame rechts von dir ihr Bein nach oben schwingt und es mit der anderen Hand fängt. Ihre Hüfte knackt dabei. Dir tut es schon vom Zuschauen weh. Du erschrickst, lässt es dir aber nicht anmerken; dafür ist dein Ego zu gross.
Wie der Rest im Raum machst du Anstalten dich aufzuwärmen. Aber sowohl deine Bemühungen, ein Bein aufs Rohr zu bringen, als auch der Versuch mit den Fingerspitzen den Boden zu berühren, scheitern. Als du langsam aufgeben willst, kommt die Lehrerin in den Saal – alles wird still. Sie begrüsst euch und zeigt die erste Übung. Du denkst dir, dies sei ja wohl «bubi-leicht»: Squats mit ausgedrehten Füssen – für das musst du nun echt nicht so beweglich sein. Voll überzeugt und mit neuem Selbstvertrauen führst du die erste Übung zu einer Klavierbegleitung durch. Plötzlich treffen deine Augen eine Figur, die dir ähnlich sieht und sich auf der anderen Seite des Raums befindet. Sie trägt die gleichen Kleider wie du, doch tanzt sie wortwörtlich aus der Reihe. Schnell fällt dir auf, dass es sich um dein Spiegelbild handelt und deine Bewegungen gar nicht so graziös aussehen wie gedacht. Natürlich muss das selbstbewusst heruntergespielt werden – einfach cool bleiben.
40 Minuten sind vorbei. Verschwitzt begibst du dich mit allen anderen in die Mitte. Kombinationen aus Sprüngen, Drehungen und Ständen werden vorgegeben. Als dir schliesslich jegliche Koordinationsversuche misslingen, ist die Stunde vorbei. Du bist am Ende deiner mentalen und physischen Energie. Trotzdem durchdringt dich ein Gefühl der Zufriedenheit. Die Anmerkungen der Lehrerin, trotz vieler unbekannter französischer Wörter, konntest du einigermassen zuordnen und sogar ein «gut» oder «besser» abstauben. Zufrieden verlässt du den Spiegelraum.

Alles andere als schwer

Tänzer haben es nicht leicht. Die gestreckten Beine und unzähligen Drehungen, sind alles andere als ein Kinderspiel. Dabei muss man noch so tun, als wäre die Welt voller Regenbogen und Sonnenschein, ausser man tanzt Julia und findet einen toten Romeo neben sich liegen. Ob es nun deine Zehenspitzen überleben, oder man sie schon gar nicht mehr spürt vor Schmerz, interessiert den rationalen Zuschauer nicht – er will einen schönen Abend haben und nicht um das Wohlergehen der Künstler bangen müssen. Um diesen Hochleistungssport betreiben zu können, muss man sich nicht nur Choreografien merken und regelmässig trainieren. Wichtig sind auch Kraft und Ausdauer, die unter anderem durch Pilates gestärkt werden, wie auch die richtige Technik, um den Energieverbrauch während einer Choreografie besser einzuteilen. Tägliches Training erfordert physische Stärke, psychischen Willen und Überzeugung, mit jedem Schritt das Richtige zum richtigen Ton oder Takt zu tun.

Nur Karriere?

Wieso soll sich jemand, der zukünftig kein weisser Schwan sein will und nicht schon seit jungen Jahren Ballett tanzt, zu einem solchen Kurs-Besuch entscheiden? Hierüber lässt sich streiten, doch Ballett ist gesund. Ich spreche hier nicht von Überbeweglichkeit oder der Tatsache, dass sich das Körpergewicht die meiste Zeit auf einer Plattform von 5 cm2 befindet – es geht vielmehr um den mentalen Aspekt. Die klassische Musik wirkt beruhigend und fördert die Konzentration. Das Merken von Übungen und Schrittkombinationen fördert das Kurzzeitgedächtnis und fordert es mit etwas anderem als Matheformeln heraus. Das Erlernen von Choreografien verbindet Gehörtes, Gefühltes und Gesehenes. Es werden Hauptsächlich kleinere Muskeln trainiert, was zur allgemeinen Körperhaltung und -spannung beiträgt.

Das Biskuit vom Tiramisú

Ballett gilt als Basis aller Tanzstile. Obwohl es scheint, dass alles Klassische altmodisch und langweilig ist, wird man in jedem anderen Tanzkurs eine Referenz zu der von Louis XIV begründeten Art von Tanz hören. Das zeigt, wie wichtig dieser eine Tanzstil für die Herausbildung aller modernen Tänze ist. Man sollte das Ganze nicht unterschätzen. Glücklicherweise ist unsere Universität so vielfältig, dass sie auch solche Kurse anbietet.
Bist du bereit für etwas Neues oder für etwas, dass du dich bisher noch nicht getraut hast? Ballett findet jeweils dienstags von 14 Uhr bis 15.15 Uhr im Fitness-Saal 3 statt.


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