Wir befinden uns in einer Zeit, in der das Ideal der Demokratie weltweit zunehmend an Bedeutung gewinnt, in der über Jahrzehnte beständige Staatsstrukturen sich innert kürzester Zeit transformieren, in der Menschen für ihr Mitspracherecht auf die Strasse gehen und bisweilen ihr Leben dafür lassen. Als Beispiel par excellence für eine gelebte und nahezu maximal ausgestaltete Demokratie wird seit jeher die Schweiz angesehen. Nichtsdestotrotz weist auch der Musterschüler hinsichtlich einiger Punkte im Bereich des Meinungsbildungsprozesses Mängel auf – unter anderem bei gewissen Fragen der Transparenz, was aber hinsichtlich der (bislang) mehr oder weniger erfolgreich verfolgten Wahrung des Bankgeheimnisses kaum überraschen dürfte.
Den Medien kommt innerhalb der Gesellschaft eine bedeutungsvolle Rolle zu. Sie haben die Fähigkeit, die öffentliche Meinungsbildung direkt und in starken Masse zu beeinflussen, zu Handlungen anzuregen und gar politische Karrieren zu zerstören, was in der letzten Zeit zur Genüge unter Beweis gestellt worden ist. Das ist auch gut so. Und gerade aus diesem Grund drängt sich aus Sicht der Rezipienten die Notwendigkeit einer transparenten Angabe der Besitzverhältnisse von Medienunternehmen auf, wie es bereits anlässlich der Affäre Hildebrand von verschiedenen Schweizer Parteipräsidenten gefordert wurde. Das Volk soll, was in vielen Staaten leider immer noch nicht zum Usus geworden ist, informiert werden und sich so eine eigene Meinung bilden können. Es soll aber gleichzeitig auch elementare Informationen über ebendiese Informanten beziehen können – denn gewisse Botschaften erscheinen, je nachdem welcher Quelle sie zugeschrieben werden, in einem ganz anderen Licht. Natürlich kann man hier einwenden, dass es sich bei den Quellen um freie, unabhängige Autoren handelt. Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack, wenn alle zwei Wochen ein bestimmtes Parteiprogramm von einem Magazin rauf- und runtergebetet wird, welches sich als unabhängig bezeichnet und zwecks öffentlicher Aufmerksamkeit mittels Unterstellungen und Unwahrheiten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens diffamiert. Das Volk hat und muss den Anspruch haben, über mögliche Interessenskonflikte, welche sich aus der Zusammensetzung der Inhaber und den vermittelten Inhalten der Medienhäuser ergeben können, im Bilde zu sein. Im Grunde genommen spricht lediglich ein Argument gegen diese Wertvorstellung – dagegen ist, wer etwas zu verbergen hat. So gesehen bei der Basler Zeitung, als nach langem Hin und Her publik wurde, dass Pate Blocher dort seine Marionetten installiert hat und im Hintergrund die Fäden zieht.
Die geforderte «Lex Weltwoche» tangiert, wie einige Kritiker monieren, keineswegs die Meinungs- oder Pressefreiheit. Den Autoren steht es weiterhin zu, unvoreingenommen ihre Aufgaben der Berichterstattung wahrzunehmen und ihre Sicht der Dinge zu schildern. Die einzige Änderung stellt die Tatsache dar, dass der Medienkonsument die Information im Kontext sieht und dementsprechend ganzheitlich betrachten kann – ganz im Sinne des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses.
Hinzu kommt, dass eine Umsetzung dieser Vorlage richtungsweisend sein kann für das Vorgehen bezüglich weiterer politischer Missstände im Bereich der Transparenz. Die seit langem fällige rechtliche Verankerung der Finanzierung von politischen Parteien und Kampagnen, welche sowohl auf Bundes- als auch praktisch auf gesamter Kantonsebene fehlt, könnte so neuen Aufwind bekommen. Denn die von Reimann und Konsorten initiierte «Pseudo-Transparenz-Initiative» wird sich schlussendlich als kontraproduktiv erweisen und lediglich als Legitimation für die Nichteinleitung weiterer Schritte hinsichtlich der Finanzierung gelten. Die Schweiz hat, darf und muss solche Ansprüche als Musterschüler der gelebten Demokratie haben – und wird zum Nachsitzen im Fach Transparenz verdonnert.
Die Forderung der sechs Parteichefs an die Weltwoche, ihre Besitzverhältnisse offenzulegen, ist nicht viel mehr als eine kurzgedachte Trotzreaktion. Man mag von der Affäre Hildebrand halten, was man will, doch eines ist klar: Auch eine Offenlegung der Besitzverhältnisse bei der Weltwoche hätte an Hildebrands Rücktritt nichts geändert.
Was also hätte eine Lex Weltwoche für einen Nutzen? Nach CVP-Präsident Darbellay sei dadurch zu verhindern, dass in der Schweiz Zustände wie in Italien herrschen. Man will nicht, dass Politiker Medien als Propagandainstrument missbrauchen. Dies klingt vernünftig, werden doch die Medien oftmals als «vierte Staatsgewalt» betitelt. GLP-Präsident Martin Bäumle will deshalb, dass alle Medien offenlegen, wer bei ihnen Einfluss ausübt. So gut die Idee zunächst auch klingen mag, ihr Nutzen ginge gegen null und ihre Umsetzung wäre enorm schwierig.
In der Schweiz vermuten die Gegner von Christoph Blocher schon lange, dass er an der Weltwoche beteiligt ist. Selbst wenn an dieser Verschwörungstheorie tatsächlich etwas dran sein sollte: Was würde eine Offenlegung der Besitzverhältnisse ändern? Das Blatt positioniert sich klar am rechten Rand und wird mehrheitlich von Lesern, die in dieser politischen Region beheimatet sind, gelesen. Der interessierte Schweizer Bürger weiss, mit welchen Augen er Artikel dieses Magazins zu lesen hat. Genauso wie er weiss, dass die NZZ liberal und die WOZ links ist. Dazu ist die Offenlegung von Besitzverhältnissen nicht nötig.
Wenn Politiker wirklich «italienische Verhältnisse» verhindern wollen, müsste die ganze Problematik anders angegangen werden. Denn es ist auch bestens bekannt, dass in Italien ein Grossteil der Medien Silvio Berlusconi gehören. Trotzdem schränkte ihn dies nicht ein, die Medien zu seinen Zwecken zu nutzen. Wenn man wirklich verhindern will, dass Politiker Einfluss auf Medien ausüben, bedürfte dies weitaus anderer Gesetze und nicht bloss solcher, die auf die Problematik hinweisen.
Man stelle sich vor, jeder Klein- und Kleinstverlag müsste seine Besitzverhältnisse offenlegen. Das ist nicht bloss absurd, sondern auch mit unnötigem bürokratischem Aufwand verbunden. Zudem gibt es unzählige Wege, einen Verlag so zu finanzieren, dass im Endeffekt nicht klar ist, wer jetzt der wirkliche, endgültige Geldgeber ist. Überdies vergisst man schnell, dass Geld nicht die einzige Möglichkeit ist, Einfluss auszuüben. Die Verlagshäuser müssten auch alle Freundschaften und sonstigen Beziehungen der Redaktoren offenlegen, um eine Transparenz der Einflussnahme zu gewährleisten.
In der Schweiz ist die Meinungsfreiheit in der Bundesverfassung fest verankert. Jedermann darf schreiben, was er will. Eine Rechtfertigung, wieso man etwas schreibt, ist nicht erforderlich. Bloss weil von Journalist A ein Artikel erscheint, der Politiker B nicht gefällt, hat sich A noch lange nicht zu rechtfertigen, wieso er diesen Artikel geschrieben hat. Sobald also eine unpopuläre Meinungen publiziert wird, soll der ganze dahinterstehende Verlag eine Striptease vollziehen? Meinungsfreiheit sieht anders aus. Eine Lex Weltwoche klingt schön. Bei einer genaueren Betrachtung wird jedoch klar, dass die aus einer politischen Niederlage entstandene Forderung keinen wirklichen Nutzen mit sich bringt und sogar mit der Verfassung in Konflikt gerät.
Ausserdem: Ist es nicht äusserst fragwürdig, dass ausgerechnet von denselben Politikern, welche nicht einmal ihre eigenen Parteifinanzierungen offenlegen, gefordert wird, dass Verlage genau dies mit ihren Geldquellen tun sollten?
In Gruppen zu acht stehen sie um die Leiche. Die Körper sind schon grösstenteils präpariert: Die Haut ist bereits entfernt worden, ebenso das Fett. Die Leiche liegt auf dem Bauch, da gerade die Rückenmuskulatur besprochen wird. Der Rest des Körpers ist mit einem Tuch verhüllt. Das Tutorat der Klinischen Anatomie findet jeden Freitag statt, von Montag bis Mittwoch wird präpariert. Während zwei Semestern arbeiten die Studierenden am gleichen Körper. Auf die Frage, ob sich der Körper denn so lange halte, wird mir lächelnd erklärt, dass er derart mit Formalin und anderen Chemikalien behandelt wurde, dass er sich bis zu drei Jahre halten würde. Das erklärt auch den chemischen Duft, der durch den Raum weht – Verwesungsgeruch kann hier nicht aufkommen.
Es ist schwer vorstellbar, dass dieses «Anschauungsobjekt» auf dem Metalltisch früher einmal ein lebender Mensch war. Zu Beginn des letzten Semesters waren die Leichen zwar bereits mit den verwesungsprozess-stoppenden Chemikalien behandelt, aber ansonsten vollständig intakt. «Die Studierenden sollen in diesem einen Jahr jede Struktur des menschlichen Körpers sehen, die es zu sehen gilt», so Prof. Dr. Dr. Ullrich, Professor für Anatomie an der Universität Zürich.
Eine 148-seitge Anleitung soll den Studierenden die nötigen Grundlagen vermitteln, ihnen klare Anweisungen geben, wie was präpariert werden soll und in welcher Reihenfolge vorgegangen wird. «Die Haut wird von der Mittellinie nach lateral bis zum Trapeziusrand abpräpariert und bleibt dort hängen.» – so die erste Arbeitsanweisung an die Studierenden. Doch wie ist es wirklich, wenn man den ersten Schnitt setzt? Schirin, Medizinstudentin im vierten Semester, erinnert sich gut an ihren ersten Tag im Präparierkurs: «Am Anfang waren wir alle etwas nervös. Nicht unbedingt wegen der Arbeit an der Leiche selbst, sondern auch, weil wir nicht wussten, welche Erwartungen an uns gestellt werden würden.» Ekel habe sie dabei vielleicht nur am Anfang empfunden, meint Patricia, die in Basel Medizin studiert: «Am Anfang dachte man vielleicht kurz «Igitt!», aber nach zwanzig Minuten war man bereits völlig darauf konzentriert, nicht zu viel abzuschneiden und alles richtig zu machen.»
In keinem Moment könnte man nackter sein, als wenn man tot auf einem Metalltisch liegt und darauf wartet, präpariert zu werden. Und auf der anderen Seite stehen junge Studierende, die einen toten Menschen aufschneiden, sein Innerstes vollständig ergründen und jede Grenze der Intimität des Toten überschreiten müssen. Neben dem fachlichen Wissen soll der Kurs auch Lernprozesse in Gang setzen, die dabei helfen, mit dem ständigen Überschreiten der Intimgrenzen umzugehen. Ein Arzt muss tagtäglich seine eigenen natürlichen Grenzen und die seiner Patienten überschreiten. Er muss sie, um sie zu behandeln, an Stellen berühren, die im alltäglichen Umgang miteinander nicht berührt werden würden. Aus diesem Grund werden bereits zu Beginn des Studiums die ersten Hemmschwellen und Barrieren im Kontakt mit anderen abgebaut. Bei einem Untersuchungskurs zum Bewegungsapparat müssen die Studierenden sich gegenseitig abtasten und die Bewegungen aneinander erlernen. «Ich glaube, wir untereinander sind uns näher. Man zuckt nicht mehr zusammen, wenn man zufällig berührt wird. Auch stört mich das Gedränge im Bus nicht mehr, da war ich früher definitiv empfindlicher», meint Schirin lachend. Sie habe zwar keine Berührungsängste mehr, die baue man ja gleich zu Beginn ab, dennoch hätte sie immer noch etwas Scheu davor, das Gesicht und das Gehirn zu präparieren, meint Patricia. «Ganz ehrlich – diese beiden Körperteile sind so viel persönlicher als der Intimbereich!»
Neben den Grenzen, die überschritten werden müssen, ist bereits das Wissen, dass man an einem Menschen arbeitet und dass dieser auch noch tot ist, «eine abstrakte Situation». So war denn auch Schirins Verhältnis zu der Körperspende ein geteiltes: Bei der Arbeit an nur einem Körperteil, beim vollständigen Fokus auf das Freilegen einzelner Nerven des Unterarms beispielsweise, verschwand das grosse Ganze. Trat man aber einen Schritt zurück, sah man wieder den Körper und den Menschen, den er einmal gewesen sein musste. Ähnlich ging es auch Tanja, die ebenfalls gerade den Präparierkurs der Uni Zürich absolviert: «Findet man im Körper Anomalien und Besonderheiten, zum Beispiel Operationsnarben, wird einem wirklich bewusst, dass dieser Körper einmal gelebt und etwas erlebt hat.» Für Patricia ist es eine Balance – man muss das Präparat als Lehrmittel ansehen, sonst kann man nicht damit arbeiten. Dennoch hat der Respekt für die Körperspende für sie oberste Priorität.
In all den Jahren ist denn auch Prof. Dr. Dr. Ullrich nie ein Student begegnet, der den Körperspendern nicht mit dem nötigen Respekt entgegengetreten wäre: «Überraschenderweise werden die natürlichen Schamgrenzen immer so weit als möglich bewahrt. Es wird oftmals nur der Teil des Körpers aufgedeckt, an dem gerade gearbeitet wird. Der Genitalbereich zum Beispiel wird praktisch nie enthüllt, wenn dies nicht notwendig ist.»
Schirin meint dazu auch, dass allen im Kurs bewusst sei, dass diese Menschen ihre Körper gespendet haben, aus dem Wunsch heraus, dass sie, die Studierenden, etwas lernen können. «Deshalb betrachte ich es auch als meine Aufgabe, dafür zu sorgen, alles richtig zu machen und zu schauen, dass es dem Körper möglichst gut geht.» Das sieht man auch während des Tutorats. Als dieses zu Ende ist, werden die Leichen mit Flüssigkeit eingesprüht und dann wieder vorsichtig eingewickelt und verpackt. Der Umgang ist sehr professionell, die Stimmung aber dennoch locker und angenehm. So kann nicht oft genug betont werden, wie wichtig Respekt und ein bewusster Umgang mit dem Präparat für diesen Kurs sind. Bereits während der Einführungsveranstaltung und in der Präparieranleitung werden die angehenden Mediziner darauf hingewiesen, den Körperspender wie einen Patienten zu behandeln, sich aber nicht bedrückt zu verhalten – «Ihr Körperspender war möglicherweise ein fröhlicher Mensch und hat viel und gerne gelacht.»
Aber wer sind diese Menschen, die ihre Körper der Wissenschaft und den angehenden Ärzten zur Verfügung stellen? Die Spende geschieht wohl aus dem Wunsch heraus, nach dem Tod noch etwas Gutes zu tun. Ohne diese Körperspenden wäre eine seriöse und professionelle Ausbildung in den Augen von PD Dr. Rühli kaum möglich: «Diverse Universitäten, zum Beispiel in den USA, haben das Präparieren stark reduziert oder abgeschafft und arbeiten nur noch an vorpräparierten Modellen oder digitalen «Leichen». Die Form eines Körpers, wie er von aussen und innen aussieht, was wie zusammenhängt, das kann man zwar theoretisch und an einem guten digitalen Modell lernen; den echten Kontakt, die Dreidimensionalität, die Qualität von Strukturen kann man aber virtuell kaum erfassen.» Die verbleibenden Gewebe, die nach dem Kurs noch vorhanden sind, werden übrigens kremiert und auf dem Ehrengrab des Anatomischen Instituts in Zürich begraben.
Sie würde ihren Körper durchaus als Körperspende zur Verfügung stellen, hofft aber, dass das nicht der Fall sein wird, meint Schirin. «Ich habe einen Organspendeausweis und habe angegeben, dass man alles von mir verwenden kann. Aber sollte ich zu alt sein oder zu krank, um zu spenden, dann käme eine Körperspende durchaus in Frage.» Auch Prof. Dr. Dr. Ullrich würde seinen Körper zur Verfügung stellen, allerdings nicht in Zürich: «Ich würde nicht wollen, dass jemand meinen Körper präparieren muss, der mich schon zu Lebzeiten kannte. Da würde die private Beziehung zu stark der professionellen überwiegen, das möchte ich niemandem zumuten.»
Sebastian Götz: Ich selber bin schon seit 2008 an dieser Universität und habe daher schon einiges an Erfahrung und habe mir auch über verschiedene Vereine ein ziemlich gutes Netzwerk schaffen können. Zum Zeitpunkt der Einreichung unserer Kandidatur war uns lediglich klar, dass wir sicherlich mit einer Gegenkandidatur aus den inneren Kreisen der SHSG rechnen müssen, über alles andere waren wir jedoch kaum informiert. Ich wusste jedoch, dass ich auf mein funktionierendes Netzwerk hier an der Universität und auch auf die Unterstützung vieler Freunde und Bekannter zählen konnte, wofür ich natürlich sehr dankbar bin. Ich denke, wir haben den Wahlkampf sehr ernst genommen, wussten aber von Beginn weg, dass wir sehr realistische Chancen haben.
Andre Zumtaugwald: Dem kann ich nur beipflichten. Nach Bekanntwerden unserer Gegenkandidatur war klar, dass uns insbesondere die Tatsache, dass der zur Wahl aufgestellte Vizepräsident noch im Assessment ist, hilfreich sein könnte.
Andre: Sowohl als auch. Natürlich empfinden wir Freude über das entgegengebrachte Vertrauen, aber die nächsten Monate werden sicherlich anstrengend und verlangen wohl auch einen langen Atem. Es gilt nun, die Ärmel hochzukrempeln und sich in diese beiden Ämter einzuarbeiten.
Wie kam es überhaupt zu eurer Kandidatur?Sebastian: Das war eigentlich ein spontaner Gedanke, um nicht zu sagen eine Stammtisch-Idee. Wir beide haben uns über die hervorragende Arbeit von Philipp Wellstein unterhalten und haben gesehen, was es bringt, wenn die Studentenschaft auch mal von Leuten mit einer gewissen Aussenperspektive geführt wird. Am selben Abend beschlossen wir in einer ziemlich grossen Euphorie, für diese beiden Ämter zu kandidieren. Am nächsten Morgen kam dann aber die jähe Ernüchterung und wir waren uns nicht mehr so sicher. Das Gespräch mit einigen Vertrauten und mit einem uns gut bekannten HSG-Alumnus, der ebenfalls in seiner Studienzeit Präsident der Studentenschaft war, haben uns dann jedoch zu diesem Schritt bewogen.
Andre: Ich war zunächst etwas skeptisch, zumal ich selber nicht wusste, wie gross der Aufwand in etwa sein würde. Nachdem wir diesen Punkt jedoch ziemlich genau abstecken konnten und ich gesehen habe, mit was ich konkret rechnen muss, war ich absolut überzeugt!
Andre: Im Assessment habe ich die Studentenschaft eigentlich kaum wahrgenommen. Das ist auch ein Grund für mich, weswegen ich nun aktiv mitarbeiten will. Jeder Student und jede Studentin an der Universität St. Gallen ist Mitglied der Studentenschaft, ob er das will oder nicht, so verlangt es das kantonale Universitätsgesetz. Für mich ist daher wichtig, dass die SHSG greifbar, offen und auch erreichbar ist.
Sebastian: Ich hatte durchaus persönliche Kontakte zu vielen Mitarbeitern und Freiwilligen der SHSG. So konnte ich mir ein ziemlich gutes Bild machen. Da ich schon länger an der Universität bin, weiss ich aber auch, dass die Studentenschaft oft ein zwiespältiges Image unter den Studierenden hatte. Ich will auf alle Fälle, dass wir eine Studentenschaft für die Studentinnen und Studenten sind und nicht eine Studentenschaft für einen erlauchten Kreis von einigen wenigen.
Sebastian: Natürlich bin ich derzeit Senior der AV Steinacher, dies ist jedoch ohnehin in der Regel ein Amt, das nur für ein Semester ausgeführt wird. Daher wird sich mein Seniorat auch überhaupt nicht mit der noch bevorstehenden Zeit als Präsident der SHSG überschneiden. Interessenkonflikte kommen bei mir insofern nicht auf, als dass ich auch noch in anderen Vereinen Mitglied bin und auch dort auf Tuchfühlung gehen kann.
Andre: Ich selber werde voraussichtlich als Präsident des Walliservereins zurücktreten, vor allem auch weil die zeitliche Belastung ansonsten zu gross werden würde und ich auch in meinem Studium weiterkommen möchte.
Sebastian: Am wichtigsten ist uns, die Vereine weiter zu stärken und deren Stimme aktiv in die Studentenschaft einzubauen. An der HSG spielt sich ein wesentlicher Teil des studentischen Lebens in diesen Vereinen ab, sei dies nun im Lacrosse-Team, beim Offiziersverein, in einer Verbindung oder bei universa. Alle Vereine haben ein eigenes Profil sowie eigene Zielsetzungen und bilden zusammengenommen mehr oder weniger eine Art Abbild der HSG. Weiter spielt es für uns natürlich ebenfalls eine Rolle, die von unseren Vorgängern bereits eingeleitete Stärkung des HSG-Bachelors gegenüber Studierenden anderer Universitäten voranzutreiben und weiterhin darauf zu bestehen, dass «eigene» Studierende bei den Masterzulassungen gesondert behandelt werden, da HSG-Studenten immerhin ein sehr anstrengendes und intensives Assessment-Jahr hinter sich bringen mussten und auch der Bachelor auf einem sehr hohen Niveau ist.
Euer Programm scheint sich ja stark an die Arbeit von Philipp Wellstein und seinem Team anzulehnen. Wo wollt ihr eigene Akzente setzen?Andre: Wir wollen vor allem einen frischen Wind in die Studentenschaft bringen und trauen uns auch zu, gewisse Strukturen zu hinterfragen.
Sebastian: Es gibt aber sicherlich noch Baustellen, wobei die einen wohl etwas besser versteckt und die anderen offensichtlicherer Natur sind. Vor allem auch im Bereich G, der von sehr vielen Studierenden überaus geschätzt wird, muss man schauen, wie sich die Gesamtsituation um adHoc, Meeting Point und die verschiedenen SHSG-Parties entwickelt, wo man neue Akzente setzen will und was sich bewährt hat und man folglich auch beim Alten belassen will. Ob es zu einem Ruheraum kommen wird, der schon seit ich an dieser Uni bin im Gespräch ist, weiss ich nicht. Die Universität hat räumlich gesehen derzeit wohl andere Probleme, ganz abgesehen davon, dass wir mit der Universitätskapelle eigentlich bereits einen Raum der Stille haben, der kaum genutzt wird.
Sebastian: Ich denke, die Gebühren befinden sich momentan auf einer angemessenen Höhe, auch die finanziell unterschiedliche Behandlung zwischen Schweizern und Ausländern ist sehr gut nachvollziehbar. Wenn man die Gebühren innerhalb der Schweiz vergleicht, hat die Universität St. Gallen die zweithöchsten Studiengebühren. Ich denke aber, dass diese aufgrund der vielen Leistungen der Universität durchaus angemessen sind. Jeder kann Räume reservieren, Gruppenräume mieten, die Sporthalle benutzen, gratis ins Fitnesscenter gehen und geniesst in Übungsgruppen vielfach eine mehr oder weniger individuelle Behandlung. Dazu kommen viele einmalige Angebote diverser Vereine und Initiativen, darunter Vorträge, eine HSG Talents Conference, das St. Gallen Symposium und so weiter. Natürlich gibt es Baustellen, diese muss man angehen, aber im Grossen und Ganzen bietet die HSG ihren Studierenden schon ziemlich viel.
Andre: Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass derzeit eine weitere Gebührenerhöhung von uns als Studentenschaft nicht goutiert werden würde, wir also wirklich dagegen opponieren würden. Innerhalb so kurzer Zeit können und dürfen die Gebühren nicht schon wieder erhöht werden.
Andre: Ich will vor allem ein offenes Ohr für die Studierenden haben und als Ansprechpartner fungieren, falls irgendwo der «Schuh drückt» oder intervenieren, falls ein gewisser Zustand unhaltbar ist.
Sebastian: Natürlich können wir uns in diesem Amt auch persönlich entwickeln. Wir beide sind Studenten und haben nicht eine 40-jährige Praxiserfahrung vorzuweisen. Deswegen erhoffe ich mir natürlich auch, dass wir an diesem Amt persönlich wachsen und reifen können.
Sebastian: Mir ist das Studium wichtig und ich will unbedingt auch während meinem Amt gewisse Kurse machen und einige Credits ablegen. Die Präsenz in der Uni ist meines Erachtens für die Arbeit in der SHSG und insbesondere auch als Präsident unerlässlich, nicht zuletzt deshalb, weil nur ein an der Universität, in Vorlesungen und Übungen anwesender Studentenschaftspräsident wissen kann, wo die Sorgen und Nöte der Studierenden genau liegen.
Bei einem so intensiven Amt muss man sich natürlich auch auf den Anderen verlassen können. Welche Qualitäten muss ein Teampartner für euch haben? Was schätzt ihr aneinander besonders?Sebastian: Ich schätze an Andre seine Zuverlässigkeit und sein Mitdenken, sowie seine schnelle Auffassungsgabe und den unkomplizierten Umgang.
Andre: An Sebastian schätze ich vor allem, dass er eine sehr strukturierte Arbeitsweise besitzt und Probleme offen und direkt anspricht.
Andre: Die Diversität ist für uns entscheidend, so ist es für uns wichtig, dass wir auch die eine oder andere motivierte und engagierte Dame überzeugen können, bei uns im Vorstand mitzuwirken. Auch ist für uns klar, dass wir keine Reduzierung auf ein reines «Schweizer Team» suchen, sondern auch motivierte Ausländer aktiv bitten, sich für einen Vorstandsposten zu bewerben. Natürlich sind die Mehrheit der Studierenden Schweizer, dennoch gilt es auch die Interessen der ausländischen Minderheiten mit in die Vorstandsarbeit einfliessen zu lassen.
Andre, du wirst im nächsten Jahr ja vor allem nach Innen tätig sein. Als Personalverantwortlicher hast du sicher überzeugende Argumente parat: Wieso sollte ich mich als Vorstand bei euch bewerben? Was erwartet mich? Wie wird die Stimmung?Andre: Ich denke, eine solche Vorstandsposition ist eine einmalige Erfahrung und prägt einen fürs Leben. Wir beide – Sebastian und ich – sind ein eingespieltes Team und pflegen einen lockeren und lässigen Umgang miteinander und können gewisse Dinge auch mal bei einem Bier in einem Gartenrestaurant besprechen.
Sebastian: Auf alle Fälle, das ist so. Dennoch muss ich sagen, dass ich vor allem dann, wenn es um die gewissenhafte Erledigung von Aufgaben und Pendenzen geht, kein Pardon kenne und mir auch sehr viel an einer gewissen Disziplin und an korrekten Abläufen liegt. Das liegt wohl daran, dass ich eine ganze Weile im Militärdienst war. Ganz nach dem Motto: Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen.
Trübsal ist nicht attraktiv. Wer geliebt sein will, muss es wert sein, geliebt zu werden.» Dies ist eine der vielen Darstellungen Casanovas zur Liebe, wie sie im nach ihm benannten Film – 2005 in die Kinos gekommen – vorzufinden sind.
Abgesehen von den philosophisch anmutenden Unterhaltungen über Liebe, welche Francesca Bruni, die weibliche Hauptrolle, und der Protagonist Casanova führen, sind Film und Charaktere einfach gehalten. Sucht man nicht nach einer tiefgründigen Verfilmung, sondern nach belustigender Unterhaltung, so lädt der farbengewaltige – wenn auch historisch nicht ganz korrekte – «Casanova» mit viel Charme und Humor dazu ein, sich einen gemütlichen Abend vor dem Fernseher zu machen.
Der Film beginnt damit, dass Casanova ein Ultimatum gestellt wird, entweder bis zum Karneval zu heiraten oder Venedig zu verlassen, nachdem der berühmte Liebhaber selbst vor einem Nonnenkloster nicht Halt gemacht hat. Als er sich mit seinem amüsanten Diener Lupo Salvato auf Brautschau macht, begegnet ihm Francesca Bruni, welche im Film als Feministin in einer von Männern dominierten Gesellschaft dargestellt wird. Ihre Denkweise lässt Casanovas Interesse erwachen und ein kompliziertes Rollenspiel beginnt, in dem er sich mal als seinen Diener Lupo, dann wiederum als Francescas Verlobten Paprizzio und nicht zuletzt als Bernardo Guardi ausgibt, einen laut Inquisition ketzerischen Schriftsteller.
«Casanova» lässt sich auch all denjenigen wärmstens empfehlen, welche sich gerne von Maskenbällen und der wunderbaren Architektur Venedigs verzaubern lassen wollen. Der Film ist reich an Szenen, in denen Gondolieri über die venezianischen Kanäle fah-ren und dem Zuschauer einen imposanten Eindruck von der reizvollen Stadt vermitteln. Passend dazu ist die geschneiderte Kleidung, bei der viel Liebe zum Detail zu erkennen ist, ganz im Stil des Rokoko gehalten.
Für die eingefleischten HSG-Studierenden, welche noch nicht davon überzeugt sind, sich den Film anzusehen: Es lässt sich sehr wohl auch eine wirtschaftliche Komponente finden. Francescas Verlobter Paprizzio ist ein erfolgreicher Schweineschmalzfabrikant und behauptet, dass er sein Schmalz-Imperium mit wirtschaftlichen Kenntnissen aus Genua führt.
In drei nicht zusammenhängenden Kapiteln wird man vom Ich-Erzähler P. B. Jones auf eine Reise durch die Herrenhäuser, Stadtwohnungen und Nobelhotels der Welt der späten 80er-Jahre mitgenommen und hüpft mit ihm von Bett zu Bett. In episodenhaften Erzählungen erhält man diverse Einblicke, so auch in die Vergangenheit von Jones, die ihn zu dem macht, der er geworden ist.
Er sah sich früh als prädestiniert dafür, seinen Lebensunterhalt durch die Arbeit in einem Escort-Service zu verdienen. Als Masseur und Lustknabe gelang ihm so auch schnell der Einstieg in die oberen Kreise der Gesellschaft. Das Schöne an P. B. Jones ist, dass er nicht nur gegenüber allen anderen zynisch und kritisch, bösartig und garstig ist, sondern auch gegenüber sich selbst. So ist er sich vollumfänglich darüber im Klaren, dass er schon als kleiner Junge verdorben gewesen sein muss und für ein Stückchen Schokolade alles getan hätte. In seinem Urteil über sein Umfeld ist er immer ehrlich und beschreibt treffend die skurrilen Figuren der 80er-Jahre, so dass man ein Schmunzeln nicht unterdrücken kann.
Es sei für ihn kein Problem gewesen, die Kapitel derart zusammenhanglos zu schreiben, sagt Capote über sein Werk, «weil sowohl die Personen als auch die verschiedenen Handlungszüge direkt der Wirklichkeit entnommen sind».
Mitten im März – bei wolkenfreiem Himmel und Temperaturen um gefühlte 20 Grad – besuchen wir Martin Eling in seiner Wohnung in Rotmonten. Im ersten Stock empfängt uns der Professor für Versicherungswirtschaft und führt uns sogleich durch seine vier Wände in den sonnendurchfluteten Wintergarten.
Dabei erhaschen wir einen ersten Blick auf die Einrichtung – oder zumindest auf das, was schon vorhanden ist: eine kaum benutzt aussehende Polstergruppe sowie ein Fernseher. Der Esstisch ist zwar bestellt, aber noch nicht geliefert. Momentan laufe noch das Projekt «Familienzusammenführung» und deshalb sei noch alles ziemlich provisorisch, erklärt uns Martin Eling. Vorderhand gibt es aber auf dem verglasten Balkon ein Tischchen aus einem schwedischen Einrichtungshaus, ein Relikt aus den eigenen Studienzeiten, an das wir uns setzen. Beim frühlingshaften Prachtwetter geniessen wir die wunderschöne Aussicht über ganz St. Gallen und bitten zum Interview.
Mit gerade einmal 34 Jahren gehört Martin Eling definitiv zu den jüngeren Professoren an der Universität St. Gallen. Wir wollen zuerst wissen, wie er denn zu seiner Anstellung gekommen ist. Begonnen hat er seine Ausbildung mit dem BWL-Studium in Münster, das jedoch starke Bezüge zur Finance aufwies. Die empirische Arbeit habe ihm schon damals sehr zugesagt, erläutert der Dozent und ergänzt: «Das Studium bereitete mir viel Spass, weshalb ich mich auch für eine Promotion entschloss.» In dieser Arbeit beschäftigte er sich mit dem Thema «Asset Management» und kam so zum ersten Mal in Kontakt mit der Forschung im Versicherungswesen.
Als sein Doktorvater, Hato Schmeiser, 2005 den Ruf nach St. Gallen bekam, fragte dieser Martin Eling an, ob er nicht als Postdoc mitkommen wolle. Aus Freude an der Arbeit und weil ihm die Gallusstadt – auch dank des schönen Wetters an jenem Schnuppertag – sofort gefallen habe, entschloss er sich, hierher zu ziehen. «Hier konnte ich mich weiterentwickeln und beschäftigte mich in meiner Habilitation mit Fragen des Risikomanagements oder der Regulierung», beschreibt Martin Eling seinen nächsten Karriereschritt. In der Zwischenzeit genoss er auch den Aufenthalt als Forscher und Dozent in Madison (Wisconsin), ein Lebensabschnitt, der ihn (auch) nachhaltig sehr geprägt habe, nicht zuletzt wegen den extremen Witterungsbedingungen mit Temperaturen um minus 20 Grad.
Nachdem er im März 2009 seine Lehrbefähigung an der HSG erworben hatte, zog es Martin Eling an die Universität Ulm. Besonderen Reiz hatte die kombinierte Fakultät von Wirtschaftswissenschaften und Mathematik, die insbesondere für die quantitative Arbeit in Versicherungsfragen ideal geeignet war und somit auch eine fruchtbare Zeit ermöglichte. Im Jahr 2010 wurde dann an der HSG als Initiative von acht grossen Schweizer Versicherern und dem Schweizerischen Versicherungsverband der Lehrstuhl für Versicherungsmanagement ins Leben gerufen, der für zehn Jahre von diesen auch getragen wird. Mit der neu geschaffenen Stelle kam Martin Eling wieder zurück nach St. Gallen. «Die Position ist äusserst attraktiv. Man arbeitet an einer führenden Wirtschaftsuni, ist sehr praxisnah und unter den Kollegen herrscht ein sehr gutes Verhältnis – mir wurde sofort das Du angeboten.», erklärt er seinen neuerlichen Umzug.
Generell mag er die grosse Freiheit, die der Beruf des Hochschullehrers mit sich bringt: «Man kann morgens festlegen, mit welcher Frage man sich heute beschäftigen möchte.» Zudem begeistern ihn die gesellschaftlich hochrelevanten Themen, die seine Arbeit beinhaltet, so zum Beispiel Fragen zum demografischen Wandel oder zu den immer häufiger auftretenden Naturkatastrophen. Auf einen Nenner gebracht: die Vielfalt und Vielseitigkeit der Themen, aber auch der Ausbildung selbst. Gerade durch die Finanzierung aus der Wirtschaft entsteht eine symbiotische Beziehung zwischen Datenlieferung einerseits und Wissensvermittlung an Führungspersonen andererseits.
Martin Eling bezeichnet sich selbst als «nicht besonders grossstadtaffin». Das spiegelt sich auch in der Wahl seiner Studien- und Lehrorte. Münster, Madison (Wisconsin), Ulm und St. Gallen zählen wohl alle nicht zu den Weltmetropolen. Dennoch gefällt ihm gerade hier die unglaublich hohe Lebensqualität, etwas, das man auch in der Stadt immer wieder spüren könne. Zudem sei St. Gallen geschichtlich sehr interessant, man denke an die Stiftsbibliothek, die Geschichte der Universität oder auch an die vielen alten Bauten in der Altstadt. Nicht zuletzt weiss der Dozent aber auch die Nähe zum Bodensee zu schätzen: «Meine Frau und ich schwimmen sehr gerne, da bietet der Bodensee eine tolle Möglichkeit.» Ferner kann er hier auch einem anderen Hobby – dem Joggen – frönen. Gerne geht er dazu in den nahe gelegenen Wildpark oder geniesst die Natur auf seiner Lieblingsstrecke entlang des Freudenbergs im Süden der Stadt. Vorläufig steht St. Gallen als Wohnort – insbesondere berufsbedingt – nicht mehr zur Diskussion. Allerdings würde sich Martin Eling über eine Zweitwohnung in seiner niedersächsischen Heimat, wo auch seine Frau aufwuchs, freuen: «Ich bin immer froh, wenn ich mal wieder zu Hause sein kann. Wir haben dort viele Freunde, die wir distanzbedingt nicht oft sehen können.»
Abends nach der Arbeit widmet sich Martin Eling zusammen mit seiner Frau gerne dem Kochen, der idealen Möglichkeit für ihn abzuschalten. «Wir versuchen jeden Abend, gemeinsam etwas zuzubereiten.» Dabei werden nur frische Zutaten verwendet. Entgegen der allgemeinen Empfehlung esse er mittags häufig nur einen Salat und abends ausgiebiger. Dies müsse er noch verbessern erklärt der 34-Jährige mit einem Lachen. Eine andere Möglichkeit auszuspannen, sei die Zeit in der Natur. Ein Tag ohne Sport im Freien liege eigentlich nicht drin. Spätestens am zweiten Tag verspüre er das Bedürfnis wieder nach draussen zu gehen. Nicht zuletzt befindet sich die Wohnung in einer ruhigen Gegend, auf halbem Wege zwischen der Universität sowie dem Institut beim Hotel Sonne. Für Erholung ist also gesorgt.
Im Wohnzimmer steht zwar ein Fernseher, der aber eigentlich nur eine Attrappe sei. Die Flimmerkiste läuft im Hause Eling höchst selten. Die Nachrichten werden normalerweise auf dem Computer verfolgt; am Fernseher wird höchstens mal eine DVD angesehen. Ein wichtiges Einsatzgebiet hat die Röhre dann aber doch: «Ich bin ein grosser Fussballfan,» erklärt Martin Eling. Besondere Begeisterung bringt er für die junge Mannschaft von Borussia Dortmund auf, die er schon sehr lange unterstützt. Fussball – national oder international – sei für ihn auch der Moment, wo er richtig Emotionen zeigen könne und es keine Zurückhaltung mehr gebe.
Als wir Martin Eling eine beliebig hohe Geldsumme anbieten und wissen wollen, wofür er diese einsetzen würde, denkt er interessanterweise nicht an den fehlenden Esstisch im Wohnzimmer, sondern meint: «Wirklich wichtig sind mir eigentlich nicht Dinge, die man kaufen kann, sondern die Freiheit, an einem schönen Nachmittag einfach das Institut mal Institut sein zu lassen und einen Ausflug in den Alpstein zu machen.» In Abklärung ist hier auch schon, ob er am kommenden Samstag bereits am Schnee vorbei auf den Hohen Kasten kommen könnte. Auf der anderen Seite würde er das Geld für Reisen einsetzen, um andere Länder kennen zu lernen. In diesem Bereich weise er eine hohe Zahlungsbereitschaft auf.
Immer interessant ist die Frage nach der Zukunft. In gut fünf bis zehn Jahren sieht sich der junge Dozent immer noch im blauen Institutsgebäude an der Ecke Kirchlistrasse in Richtung Wildpark, an einer schönen Kaffeebar sitzend, mit der noch immer gleichen Begeisterung für Versicherungsfragen und einer guten Vernetzung zur Schweizer Assekuranz.
Zu Prof. Martin Eling
Geboren: 21.11.1977 in Thuine (DE)Hobbys: Natur und Berge, Sport (v. a. Joggen), ReisenLieblingslektüre: «Jeder stirbt für sich allein» von Hans FalladaLieblingsgericht: Apfel-Hack-PfanneLieblingsort: Alpstein
Das vom Spielertrainier Thore Harmuth geführte Herrenvolleyballteam der Universität St. Gallen hat Grosses vor. Schon diesen Mai soll bei den Hochschulmeisterschaften wenn möglich ein dritter Platz erzielt werden und das Training wird laut Thore dementsprechend anziehen.
Die doch eher kleine Gruppe von acht Spielern scheint äusserst engagiert und spielfreudig, das Zuspiel ist präzise und die Fehlerquote tief. Die Spieler, von denen fast alle auch in der Beachvolleyballmannschaft vertreten sind, scheinen zutiefst motiviert, bei den Meisterschaften eine gute Leistung abzuliefern und lassen sich auch beim Training durch nichts ablenken. Trotz des enormen Engagements ist die Stimmung entspannt und «auch der Spass kommt nicht zu kurz» sagt Lukas Haas, der seit vier Wochen im Team ist. Zur Steigerung der Effizienz soll nun auch das Training angepasst werden. Die längeren Spieleinheiten sollen mehr und mehr gezielt dazu genutzt werden, etwaige Defizite auszubessern und die Performance zu erhöhen erklärt Thore, der neben den Herren zusätzlich das Fortgeschrittenenteam sowie die Beachvolleyballer betreut und aktiv mitspielt.
Dass die Ziele sehr hochgesteckt sind, wissen sie alle, da sie, im Gegensatz zu anderen Hochschulteams, erst seit einer kurzen Zeit zusammenspielen und an Kommunikation und Teamspirit noch gefeilt werden muss. Das Team entwickelt sich jedoch sehr schnell weiter und auch ausserhalb des Trainings wird oft Zeit miteinander verbracht. Zuversichtlich zeigt sich dementsprechend auch Thore: «Wir werden in Zukunft sehr stark wachsen, wir brauchen nur noch etwas Zeit.»
Es gibt wohl kaum ein Thema, bei dem man in unserer Gesellschaft so gut dem Aufeinandertreffen von individueller Selbstbestimmung und gesellschaftlichen Konventionen nachspüren kann, wie das der Nacktheit. Im alttestamentarisch geprägten Kulturkreis fällt dabei natürlich sofort die doppelte Konnotation von Nacktheit als Symbol von Unschuld und Unbewusstheit und als Ausdruck von schambehaftetem Mangel und Schuld nach dem Sündenfall auf: Es ist die Erkenntnis, die den Menschen von sich selbst trennt, ihm seine Nacktheit bewusst macht und diese als schamvoll erscheinen lässt.
Beispielhaft kann man das Verhältnis von Nacktheit, Scham und Macht anhand der Rolle zeigen, die der Nacktheit in der Frauenbewegung gegeben wurde. In dieser galt Nacktheit sowohl als Symbol der Befreiung von gesellschaftlichen Konventionen als auch als verwerflich, insofern sie eine Unterwerfung unter den «männlichen Blick» innerhalb einer patriarchalen Gesellschaft implizierte. Dieser zweite Aspekt verweist darauf, dass im sozialen Kontext Nacktheit auch immer im Sinne einer Verwundbarkeit gesehen werden muss, wobei Nacktheit nicht nur ein Unbekleidetsein im wörtlichen Sinne, sondern auch ein «Unbehaustsein» im Allgemeinen ist.
Ein «Sichentblössen» auf der Grenze zwischen Privatem und Öffentlichem ist immer auch ein Initiationsritus. Man lässt sich fallen in der Hoffnung, aufgefangen zu werden: Seht her, so bin ich, und es ist gut! Darin konstituiert sich aber stets auch potenziell ein Herrschaftsverhältnis: der «Andere» wird zum potenziellen Erlöser, und es ist dieser Mächtige, der das Schamgefühl des Ohnmächtigen erzeugen und verletzen kann. Indem er ihm und allen anderen seine Unbehaustheit zu Bewusstsein bringt, löst er das Erlösungsversprechen nicht ein (da ähneln sich in unserer Gesellschaft der Umgang mit Arbeitslosigkeit, prekären Beschäftigungsverhältnissen, sozialer Andersartigkeit und die Geschichte vom Sündenfall: Sehet, ihr genügt nicht!).
Daneben manifestiert sich das Verhältnis von Nacktheit, Scham und Macht aber auf einer noch subtileren Ebene. Konventionen haben eine wichtige regulative Funktion in Gesellschaften, und erlernte Gefühle wie Scham tragen zu ihrer Leistungsfähigkeit bei, weil sie zu Regeleinhaltung und Verlässlichkeit führen. Die Konnotation von Verhalten und dem menschlichen «So-Sein» mit Gefühlen wie der Scham ist ein effektives Instrument bei der Ausübung von Macht, wie Michel Foucault an den Beispielen der gesellschaftlichen Konstruktion von Begriffen wie Sexualität und Krankheit exemplarisch nachgewiesen hat1: Wenn in einer Gesellschaft die Menschen allein aufgrund ihres So-Seins schuldhaft werden müssen (wenn sie also nicht gerade richtig «behaust» sind), können sie nicht frei sein und einem Aufbegehren gegen ungerechte Zustände wird der Impuls genommen. (Wie kann ich aufbegehren, wenn ich selber schuldhaft bin?) Die Ironie des modernen Diskurses z.B. in den Medien ist dabei, dass er vorgibt, es ginge ihm um die Selbstbefreiung des Subjekts. In Kafkas «Der Prozess» wird dies einzigartig zugespitzt: Josef K. wird schuldig, weil er gegen ein Gesetz verstösst, das er nicht kennt, nicht kennen kann. Sein So-Sein ist defizitär, und dieses Defizit wird er nicht mehr aufholen. Das Romanfragment endet mit der Hinrichtung Josef K.s, in die er sich seltsam passiv fügt: «Wie ein Hund! sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben.» So schliesst sich der Kreis zur Vertreibung aus dem Paradies.