Das Geschäftsreglement des Senates der Universität St.Gallen hält in Art. 18 fest, dass die Senatsmitglieder zur Verschwiegenheit über die Verhandlungen und Dokumente des Senates verpflichtet sind, die nach den Umständen oder gemäss besonderer Regelung geheimzuhalten sind. Vor allem das Kommissionsgeheimnis ist sinnvoll, da es unteranderem den Prozess der Meinungsbildung schützt, das heisst offen, wie auch unabhängig Meinungen gebildet und geäussert werden können.
Die Bestimmung im Geschäftsreglement ist relativ unbestimmt. Die Frage, was im konkreten Einzelfall genau von der Amtsverschwiegenheit erfasst wird, ist für die alten Hasen im Senat vielleicht einfach. Für neue Mitglieder wie beispielsweise die studentischen Vertreter, welche vielleicht gerade neu in den Senat gewählt wurden, stellt die Unterscheidung jedoch ein etwas schwierigeres Unterfangen dar. Deshalb scheint es auch nicht verwunderlich, dass hier Potenzial für Verunsicherung vorliegt. Eine zu enge Auslegung der Bestimmung kann jedoch dazu führen, dass alles, was im Senat behandelt wird, plötzlich mit dem
Stempel «geheim» gekennzeichnet wird. Das wäre der Öffentlichkeit und damit vor allem den Studierenden sicherlich nicht dienlich.
Die Wahlen des neuen Rektors
Wie den meisten nach der intensivenBerichterstattung klar sein dürfte, war Bernhard Ehrenzeller zunächst Präsident der Findungskommission. Nach dem drei mögliche Nachfolger vonThomas Bieger abgesprungen waren, trat Ehrenzeller als Präsident zurück und stellte sich selbst als Kandidaten zur Verfügung. Das sind eigentlich alles bereits Informationen, die während des laufenden Prozesses gar nicht nach aussen hätten kommuniziert werden sollen.
Dennoch hatten beispielsweise die studentischen Vertreter im Studentenparlament ein Anrecht darauf, über den Prozess der Rektoratswahlen informiert zu werden. Dies ist auch geschehen, ohne dass zunächst weitere Details nach aussen gelangt sind. Spätestens jedoch als ein studentisches Senatsmitglied vor dem Stupa genauere Details «geleakt» hatte – ob bewusst oder nicht – waren aber auch die Stupa-Mitglieder über mehr informiert, als sie eigentlich hätten sein sollen. Gemäss Quellen, haben auch Senatsmitglieder ihre jeweiligen Schools darüber informiert, dass Bernhard Ehrenzeller als neuer Rektor gehandelt wird.
Es war nicht die Universität, welche als erste proaktiv die Öffentlichkeit informiert hat. Es waren die Senatsvertreter selbst gewesen. Da stellt sich schnell die Frage, ob die Uni sich nicht einen Gefallen getan hätte, wenn sie bereits vorher offen kommuniziert hätte. Stattdessen sah sich diese erneut mit Schlagzeilen konfrontiert und musste reaktiv Statements raushauen.
Unklar und schwer nachzuvollziehen ist jedoch immer noch, wer die entsprechenden Informationen der Presse gesteckt hat. Letzten Endes wusste jedoch der halbe Campus von der Rektorenwahl und es dürfte für gut informierte Medien nicht schwierig gewesen sein, das mitzubekommen.
Sorgfältigere Arbeitsweise
Grundsätzlich kann es schnell heikel werden, sollten Senatsvertreter mit vertraulichen Informationen aus den Senatssitzungen hausieren gehen. Es ist einmal passiert und das Resultat im Zusammenhang mit den Rektoratswahlen war grösstenteils positiv. Vielleicht wäre es trotzdem empfehlenswert striktere Regeln einzuführen, wie beispielsweise im Umgang mit den Akten. Diese werden nämlich allesamt per Post verschickt. Zwar gibt es nach den Sitzungen jeweils eine fachgerechte Entsorgungsstelle. Viele nehmen die Unterlagen jedoch wieder mit nach Hause. Ausserdem sollten die studentischen Senatsvertreter besser über ihre Tätigkeit informiert werden. Es empfiehlt sich hier allenfalls mit dem Vorgänger ein paar Mal mitzugehen. Übergaben gibt es gemäss Aussagen bisher nur vereinzelt. Die Wissenssicherung war schon in der Vergangenheit öfters ein Thema. Auch das Durchlesen der Geschäftsordnung des Senats sollte selbstverständlich sein. Es kann jedoch nicht sein, dass man in Zukunft damit rechnen muss, einen Tag später einen Artikel im Tagblatt (und ja, auch im prisma) zu dem entsprechenden Thema zu lesen.
Der «START Hack»-Hackathon findet seit 2015 an der HSG statt. Hier wird jedoch nicht aus kriminellen Motiven gehackt, eher ist in enorm kurzer Zeit Software mithilfe von cutting-edge Technologien zu entwickeln und zu pitchen. 35 Stunden Entwicklungszeit. Über 50 Teams buhlen um die Gunst der Juries. Sie haben Freiraum bei Auswahl und Umsetzung. So zum Beispiel setzen Bosch und InventX den Schwerpunkt IoT (Internet-of-Things), Microsoft AI/KI (künstliche Intelligenz) und FLETA Smart contracts und Blockchain-Entwicklung. Das Format fruchtet. Gut 80 Prozent der gepitchten Projekte seien «grundsätzlich brauchbar», hörte ich später einen der Microsoft-Juroren bei der Urteilsberatung. Auch wenn sie nicht in die engere Auswahl kommen, können Teams bspw. durch Workshops oder Funding gezielt weiter unterstützt werden
Vitek, Andreas, Nick und David, Teilnehmer am diesjährigen START Hack, waren jeweils schon einzeln auf einigen Hackathons und haben sich für die von Microsoft gestellte Problemstellung zusammengetan. App-Entwicklung mit KI für einen positiven Impact – «AI for good» – lautet hier das Motto. Ihre App ‘Periscope AI’ soll ärmeren blinden Menschen helfen, Gefahrensituationen besser zu bewältigen. Das Team spezialisiert die Entwicklung vor allem auf Text- und Gefahrenerkennung, wobei der KI-Algorithmus «NeuroTalk 2» als Framework dient; er erkennt Objekte auf Bilddateien in Videos. Die App wird gestartet, das Smartphone durch eine Halterung mit der Kamera nach vorne zeigend positioniert. Die Gegenstände werden durch NeuroTalk (teilweise ungenau) bestimmt. Durch ein Text-to-Speech Plug-In erfolgt die Audioausgabe des Textes, auch eine Sprachübersetzung ist inkludiert. Ermöglicht wird beides durch den Microsoft Azure Server, auf dem die Daten zur Sprachübersetzung und TtS liegen.
Arbeitsethos und Konkurrenzdruck
Was sich in der Theorie noch verständlich anhört, ist äusserst fordernd. In dreistündigem Rhythmus finden organisierte Meetings zur Lagebesprechung und zum Agenda Setting statt. Layout- und Back-End-Entwicklung, Bugfixing und Präsentation sind in der Verantwortung der vier – jeder wird bei Problemen in die Diskussion mit eingebunden, jeder hat Verantwortung für seinen Task. Die Stimmung schwankt je nach Situation. Hochkonzentriert programmieren die Glücksritter beieinander, gönnen sich kaum eine Pause. Gegen 19:30 Uhr, Abendessen. Entspannung? Von wegen! Plötzlich nähert sich ein Kontrahent. Der hoch kompetitive Geschmack des Hackathons wird deutlich. «Bist du auch im Microsoft Case?», fragt er. «Ja… Was macht ihr?», fragt David nichtsahnend. «Nun, wir machen eine App für Blinde, die per Kamera Gefahren erkennen kann. Ein Alarm wird dann abgespielt.» Dem Team bleibt fast die Pizza im Hals stecken. Das andere Team hat nicht nur die fast gleiche Idee, es ist ihnen auch ganz dicht auf den Fersen. David gibt sich gelassen, die Software der Konkurrenz hat deutlich weniger Funktionen, sagt er – doch ein bitterer Nachgeschmack bleibt.
Es dunkelt und wird hektisch
12 Stunden noch, der Geräuschpegel steigt. Immer wieder tauchen Probleme auf, mehr als am Anfang gedacht. Ich tauche für einige Minuten ab. Es wird deutlich, ebenso unterschiedlich wie die Teams und deren Herkunft sind auch deren Vorstellungen vom Einsatz ihrer Technologie.
Vor der Uni treffe ich den hochmotivierten Abhinav, angereist aus Indien mit seinem Team. Sie haben dort vor kurzem in einem landesweiten (!) Programmierwettbewerb den ersten Platz belegt. Auch sie beschäftigen sich mit dem Thema KI, allerdings für die Bosch Challenge. Anders als das Periscope AI Team haben Sie den KI-Algorithmus kurzerhand selbst programmiert und lernen lassen. Erst vor zwei Jahren habe er mit dem Programmieren angefangen. Er demonstriert mir stolz seine KI, die viele Anwendungsbereiche hat: Gesichtserkennung per Kamera von Supermarkt bis Auto soll vor allem besser aufgeschlüsselte Daten für Zielgruppenanalysen, Scoring u.Ä. bereitstellen. Bis zu fünf Emotionen kann das System zudem erkennen. All das läuft auf einer kleinen Device, die Daten werden ausschliesslich lokal gespeichert, das vor allem datenschutzrechtliche Vorteile haben, doch Abhinav könne sich auch vorstellen diese zu umgehen. Wer profitiert davon? Ein grosser Markt, doch der positive gesellschaftliche Einfluss ist völlig fraglich. Die Datensammelwut bei Facebook, Google und Co. ist Datenschützern längst ein Dorn im Auge. Auch im Government Bereich lässt z.B. die jüngst von der EU-Kommission beschlossene umstrittene Biometrie-Datenbank Eurodac deren Alarmglocken schrillen.
Die Angst vor KI ist nicht unberechtigt, denn es ist vor allem die Frage, wie es angewendet wird.
Dennoch, für Bosch IoT haben sie das Ziel, die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Anhand von Emotionserkennung im Auto wollen sie akustische Feedbacks und Musikanpassungen vornehmen. Ist der Gesichtsausdruck bspw. aggressiv, wird ruhige Musik zur Entspannung gewählt. Man kann die KI jedoch mit Grimassen täuschen.
Abhinav und sein Team
Team Periscope AI ist kurz vor Mitternacht gut im Zeitplan. Ab und an stürzt die App auf dem Handy noch ab, auf dem Computer läuft sie ohne Probleme. Vor allem der Pitch wird geplant, nur noch wenige Tasks, wie die Implementierung der Übersetzungsfunktion, stehen an. Vitek schuftet am Debugging, Andreas ist an der Präsentation, Nick an der App-Entwicklung. Parallel dazu ist David mit der gleichen Aufgabe mit anderer Software betraut. Durch diese Strategie wollen sie sicherstellen, dass sie mindestens eine funktionierende Version haben, wenn es hart auf hart kommt. Der Workflow des Teams ist beeindruckend. Gegen 03:00 Uhr morgens beginnen Sie einen ersten Testlauf. Nicht alle Teams sind noch immer so motiviert. Manche haben bereits innerlich aufgegeben. Andere legen sich schlafen, um für den Pitch fit zu sein. Auch das tapfere START Organisationsteam werkelt nur noch im reduzierten Modus.
Kurz vor der Abgabe
09:30 Uhr am Morgen – 30 Minuten vor der Deadline wache ich mit Rückenschmerzen irgendwo auf einer Couch auf. Vor der Uni höre ich die Vögel singen. Team Periscope AI ist längst auf den Beinen, im Endspurt. Die App steht, das Team ist müde und mit seinen Kräften am Ende. 10 Minuten vor Ablauf der Deadline wird es noch einmal knapp. Das Team ist in der Besprechung als sei noch massig Zeit. Nach dem Upload um 10 Uhr haben sie kurz Zeit, die Pitches vorzubereiten. Jede Minute wird bis zum Schluss ausgekostet.
Juries, Pitches und Siegerehrung
Die Deadline ist abgelaufen. Im Case Microsoft muss Team Periscope AI sich vor der fünfköpfigen Jury gegen einige andere bemerkenswerte Teams durchsetzen. Die Arbeit der 35 Stunden auf 10 Minuten komprimiert. Wer dabei schon ein funktionierendes Produkt live demonstrieren kann, ist im Vorteil. Bonuspunkte bekommt, wer sich Gedanken über Roadmap, Lizenz und ggf. Customer-Model gemacht hat.
Die Idee, blinden oder taubstummen Personen zu helfen, wurde von mehreren Teams aufgegriffen, doch nicht alle sind fertig geworden. Manche Teams sind an der Programmierung gescheitert, wollen dies aber nicht zugeben. Fragen wie «Where is the coding part?» musste sich etwa ein Trio von Business-Studentinnen aus Schweden stellen. Mit ihrer App Call4All wollten sie taubstumme Menschen monatlich zur Kasse bitten, damit diese ein Telefonat in Textform führen können. Da sie überhaupt kein funktionierendes Produkt vorweisen können, hagelt es Kritik.
Die Microsoft-Jury berät sich. Im Audimax folgt anschliessend die Siegerehrung. Zunächst werden die Case Sieger verkündet anschliessend die ersten drei Plätze mit den Hauptgewinnern. Der erste Platz geht an «404 – Team not found». Ihr bahnbrechender Algorithmus «Pax» wird die Helligkeitsschwankungen bei Videos live adjustieren und glätten, sodass Epileptiker diese ohne Einschränkungen anschauen können. Eine Innovation, über Open-Source vertrieben, und somit kostenlos abrufbar. Eventuell kann die Software auch vorbeugend wirken.
Bewertungssystem und Organisation
Als problematisch sahen einige Teilnehmer vor allem das Bewertungssystem an. Natürlich sollte jeder Case Partner selbst seinen Gewinner bestimmen. Die Besetzung der Hauptgewinner 1. bis 3. Platz erfolgte jedoch anders: Über einen Bewertungsbogen wurden diese drei Teams von den insgesamt acht Jury-Gruppen auserkoren. Das ist subjektiv und für ein Ranking ungeeignet. Das Bewertungssystem rechnet zwar mit einem Filter bei tendenziell abweichenden Juroren. Dies ist jedoch intransparent. Es ist nur schwer quantifizierbar, inwieweit ein Juror genau in seiner Bewertung nach oben oder unten von den anderen abweicht. Andererseits ist ein einheitlicher Filter zu ungenau. Besser wäre, die Wahl der ersten drei Plätze über ein Voting-System mit den Teilnehmern selbst durchzuführen, bei dem die Jury nur eine Vorauswahl trifft. So könnte es z.B. bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen zu einer transparenten Stichwahl kommen.
Bevor es für die Teams zurückgeht wäre zudem ein organisierter Rahmen fürs Networking unter den Teams mit Open-End oder Location-Cleaning schön gewesen, sodass nicht alleine am Bahnhof oder Flughafen gewartet wird. Die operative Organisation durch das START Team – eine Mammutaufgabe – wurde dankend gelobt.
Ergebnisse (Hauptgewinner):
1. Platz: Team 404, Pax, Video Flashlight Filter für Epileptiker, Open-Source Plug-In
2. Platz: LAIKA, Hardware Tool für Architekten zur Raumvermessung
3. Platz: Team Chinchilla, Carsharing App für Volvo (Team der Universität St.Gallen)
Aliye, kannst du dich an deinen ersten Tag in der Schweiz erinnern?
Natürlich. Ich bin vor vier Jahren für meine damalige Arbeit in die Schweiz gereist. In hatte in meinem Heimatland Äthiopien eine Stelle als Finanzexperte und Berater in mehreren Regierungsämtern. Vor meiner Ausreise war ich ausserdem Abgeordneter im Parlament.
Du tauschst also den Sitz in der Legislative gegen die Holzbank im Hörsaal – warum wolltest du nochmals an eine Uni? Schliesslich hast du bereits einen Bachelorabschluss.
Ich habe hier keine Arbeitsstelle gefunden. Mein Diplom in Management wurde von der Rektorenkonferenz Swissuniversities zur Anerkennung empfohlen, doch im Rekrutierungsverfahren kann jedes Unternehmen selbst entscheiden, ob es meinen Abschluss gleich wertet wie ein Diplom einer europäischen Universität. Ich habe mich einerseits zum BWL-Bachelor angemeldet, weil ich mir gute Jobaussichten mit dem Abschluss verspreche. Andererseits hilft mir das Studium, meine Sprachkenntnisse zu verbessern und mich zu integrieren – und es ist ganz grundsätzlich eine spannende Horizonterweiterung. Auch falls ich nach dem Studium keine qualifizierte Arbeitsstelle finden sollte, hat sich die Mühe für mich persönlich auf jeden Fall gelohnt.
Wie unterscheidet sich die Universität St.Gallen von der Universität in deinem Heimatland?
Mein Studium in Äthiopien ist inzwischen über zehn Jahre her. Wir hatten nicht genügend Unterrichtsbücher, es gab noch keine Laptops und die IT-Infrastruktur an der Uni liess einiges zu wünschen übrig. Es war ein ganz anderes Lernen als heute hier in der Schweiz. Natürlich haben sich auch die Forschungsinhalte und -schwerpunkte verändert.
Du bist etwa zehn Jahre älter als die meisten deiner Kommilitonen. Wie erlebst du den Altersunterschied?
Für mich war das nie ein Problem. Ich mag meine Mitstudierenden. Trotzdem sind wir natürlich an einem anderen Punkt im Leben. Ich habe zwei Töchter und setze meine Prioritäten heute anders als noch Anfang 20.
Als erster Geflüchteter, der den Übertritt vom Schnuppersemester ins Regelstudium geschafft hat, bist du ein Pionier. Macht dich das stolz?
Noch nicht. Ich hebe mir den Stolz auf, bis ich das Studium geschafft und den Einstieg in den Arbeitsmarkt hinter mir habe.
Was empfiehlst du anderen Geflüchteten, die sich für ein Universitätsstudium interessieren?
Lernt so schnell wie möglich die Landessprache, denn sie ist der Schlüssel zur Integration. Erst wenn wir die Menschen um uns verstehen, ihre Kultur und ihre Geschichte kennen, finden wir unseren Platz in der Schweiz.
Fühlst du dich manchmal auf deine Herkunft oder deinen Aufenthaltsstatus reduziert?
Natürlich muss ich oft erklären, woher ich komme und warum ich hier studiere. Es überrascht mich aber nicht, dass ich andere überrasche. Wenn du in Äthiopien zur Uni gehen würdest, müsstest du ja auch ständig die gleichen Fragen beantworten. Das gehört nunmal dazu.
Was ist dein Traum für nach dem Studium?
Ich hoffe, ich finde einen Job, der mich interessiert. Heute würde ich gerne in den Bereichen Marketing oder Speditionslogistik arbeiten. Ausserdem möchte ich so schnell wie möglich finanziell unabhängig werden. Vor kurzem habe ich einen Nebenjob gefunden: Ich werde in Asylverfahren für das Hilfswerk HEKS im Rechtsschutzmandat dolmetschen. Ich spreche Deutsch, Englisch, Amharisch und meine Muttersprache: Oromo. Der Nebenjob ist ein weiterer Schritt in Richtung Unabhängigkeit.
Die Taskforce Migration der Universität St.Gallen wurde inzwischen eingestellt, weil es nicht genügend studierwillige Geflüchtete gibt. Wie wichtig war für dich die Hilfe der Uni?
Die Taskforce Migration hat mir 2017 die Tür zu einem Schnuppersemester geöffnet. Ich durfte einen Kurs über Supply Chain Management belegen und konnte mir Gewissheit verschaffen, dass ich wirklich ein Universitätsstudium aufnehmen möchte. Ohne die Beratung und Unterstützung der Uni und des Hilfswerks HEKS hätte ich mein Studium nicht aufnehmen können.
Taskforce Migration eingestellt
2015 wurde die Taskforce Migration als «Drehscheibe für Flüchtlingsfragen» ins Leben gerufen. Unter anderem sollte sie den Studieneintritt von geflüchteten Menschen an der Universität St.Gallen vereinfachen. Vor rund zwei Jahren wurde die Taskforce eingestellt. Einige ihrer Aufgaben konnten im Folgeprojekt «Social Innovation Initiative» (SINI) bis im Herbst 2018 weitergeführt werden. Heute gibt es keine Stelle in der Universitätsadministration mehr, die ausschliesslich für Anfragen von Geflüchteten vorgesehen ist. Claudia Franziska Brühwiler, ehemalige Leiterin der Taskforce Migration, begleitet Interessierte allerdings weiterhin.
Über 100 Schnupperstudierende an den Universitäten Zürich und Basel
Aliye Ahmed ist der einzige von zwölf Geflüchteten, der nach dem Schnuppersemester das Regelstudium an der Universität St.Gallen aufgenommen hat. Zum Vergleich: An den Universitäten Basel und Zürich haben seit 2016 je über 50 Geflüchtete an einem Schnupperstudium teilgenommen. In Basel schafften sieben Geflüchtete den Übertritt ins Regelstudium. Die Universität Zürich spricht von einer Übertrittsquote von 20 Prozent. Der Grössenvergleich der Institutionen und die verschiedenen Studienangebote erklären die Unterschiede teilweise. Ausserdem sind die Integrationsprogramme unterschiedlich aufgebaut und geleitet.
Aktiv werden
Studierende der Universität St.Gallen, die einen Beitrag zur Integration von Geflüchteten leisten möchten, können sich im Verein «Youth Engagement» engagieren. Je nach Interesse und Studienhintergrund führen Studierende Rechtsberatungen für Geflüchtete durch, erstellen Marketingkonzepte für NGOs, unterrichten eine Sprache, leiten ein Sportprogramm oder arbeiten in der Strategiegestaltung des Vereins mit.
Beratung für hochqualifizierte Geflüchtete
Die HEKS-Fachstelle «MosaiQ» berät Zugewanderte aus Drittstaaten, die in der Schweiz eine Ausbildung absolvieren, abschliessen oder anerkennen lassen möchten. «Die HSG verschenkt ihre Abschlüsse nicht. Wer einen will, muss hart dafür arbeiten. Das gilt für Zugewanderte genauso wie für Einheimische. Die Rahmenbedingungen für Geflüchtete an der Universität St.Gallen sind hart aber fair», sagt Jelena Milošević, Leiterin Fachstelle HEKS MosaiQ Ostschweiz.
Informatik und die HSG verbindet eine Hass-Liebe, die seit dem 10. Februar 2019 ein neues Kapitel erhalten wird. Wird an der Universität St.Gallen von Informatik gesprochen, meint man meist IT – die Verwaltung von bestehenden Services Systemen, nicht funktionierenden E-Mail-Logins oder das unendlich langsame Eduroam, das den Genuss von Netflix während der Vorlesung mehr als einschränkt.
Doch die Wissenschaft der Informatik kam an der HSG bisher eher zu kurz. Das soll sich nun ändern. 18,8 Millionen Franken sprachen die Stimmbürger im Kanton der Universität im Rahmen der IT-Bildungsinitiative zu. Für die HSG sind diese Gelder mit dem Auftrag der Gründung einer School for Information Science und dem Aufbau von je einem BachelorMasterprogramm in Informatik und Management verbunden. Fünf neue Professuren werden hierfür in den kommenden Jahren geschaffen, die Berufungsverfahren hierfür begannen sofort nach der gewonnenen Abstimmung.
Doch HSG und Informatik – kann das gut gehen? Fakt ist: Schon vor der IT-Bildungsinitiative investierte die Universität im Rahmen des reformierten Bachelor BWL in den Ausbau ihrer Informatikressourcen. Vier neue ordentliche Professuren wurden besetzt. Mit Siegfried Handschuh, Damian Borth, Barabara Weber und Simon Mayer konnten herausragende Köpfe für die HSG gewonnen werden. Diese forschen und unterrichten dabei nicht nur im Schnittfeld von Betriebswirtschaft und Informatik, sondern sollen explizit auch ihre generischen Kompetenzen an Studierende aller Studienprogramme weitergeben. Die von den HSGlern so dringend benötigten digitalen Skills sollen so möglichst schnell verbessert werden.
Die Frage, ob sich der Aufbau eines Informatikschwerpunktes an der HSG lohnt, wo doch nur knapp 70 Kilometer westlich in Zürich an ETH und UZH ein globales Zentrum für Naturwissenschaft und Informatikforschung ist. Zur Beantwortung der Frage muss man differenzieren. Eine Kopie der Zürcher Informatik wird an der HSG nicht angestrebt. Vielmehr soll mit B.Sc. und M.Sc. in Informatics and Mangement ein Feld abgedeckt werden, welches so in der Schweiz noch nicht beforscht und unterrichtet wird. Informatikfachkräfte mit Managementwissen oder Manager mit Informatikhintergrund sind das Produkt, welches an der HSG geschaffen werden soll. Der Grundgedanke der HSG, das interdisziplinäre Denken wird dabei traditionell hochgehalten. Wir können somit gespannt bleiben, wie die HSG sich weiterentwickeln wird, wenn ab 2022 die ersten «HSGNerds» ausgebildet werden.
«Liebes prisma-Team, anbei schicke ich euch zwei Exemplare des ersten HSG-Dramas», hiess es anfangs Jahr in einem an unsere Redaktion adressierten, postalischen Schreiben. Beigelegt waren zwei Büchlein im Reclam-Format: «Überm Rad: Kontakt von HSGler und Volk. Generalprobe». Auf 48 Seiten und «based on some true stories», wie es auf der ersten Seite heisst, setzt sich der Autor unter dem Decknamen Martin J. Freistrøm ordentlich überspitzt mit den gängigsten Klischees und (jüngsten) Geschehnissen an der HSG auseinander. So ist der Leser unter anderem hautnah dabei, wenn «Studieninteressierte minderwertiger Schweizer Universitäten mit Abschluss in Wirtschaftswissenschaften» den Orientation Day for Master Candidates besuchen und wenn «eine Studentin mit ‘International Affairs’-Pullover vorbei hüpft und singend auf der Wiese einzelne Blumen pflückt».
Ganz gemäss der Widmung – «Dedicated to the HSG Spirit and all of his friends» – wollen wir euch das Stück natürlich nicht vorenthalten. Zweiter Akt, Szene 1, Quartierbeiz zum Krug – ein Auszug:
ANDERER BÜEZER. (im ausländischen Akzent) Hey ihr Wichtigtuer, was sucht ihr eigentlich hier? Eure Spezies sehen wir hier nicht oft…
HSGLER. Weshalb wir hier sind? Gemäss meinem Cousin (sagt «Kusäng»), der in einem Kurs im freien Wahlbereich eine innovative Marktforschung gelaunched hat, ist das Bier in diesem Lokal a priori satte 20 (betont) «Räppli» günstiger als in der relevanten Peer-Group im Umkreis von 3,3 km vom St. Galler Marktplatz. Als homo oeconomicus muss ich diese Arbitrage natürlich ausnutzen – summa summarum bin ich ja nicht dumm – und den Markt somit als Ganzes effizienter machen. Heute müssen wir aber als Gruppe noch eine Präsentation für einen Kurs beenden und die Uni ist bereits geschlossen. Darum sind wir hier.
BÜEZER. (nun ebenfalls aufgestanden und sich frontal vor den Tisch positionierend) Schau! Du kommst mir doch irgendwie bekannt vor – bist du nicht diese Gestalt, die jeweils dienstags und donnerstags gegen Mitternacht seine Abfälle im öffentlichen Mülleimer beim Marktplatz entsorgt?
HSGLER. (sichtlich entzückt) Ja, genau! Pause. Endlich jemand, der mein wahres «genius» bemerkt! Verstehe ich gar nicht in der Schweiz, wie ein rationaler Bürger auch noch freiwillig für seinen Müll bezahlt. Per se ja ein Allmend-Gut, für dessen Kosten ich bestimmt nicht privat aufkomme!
ANDERER BÜEZER. (in ausländischem Akzent) Ich bin der Müllmann, der also (betont) deinen Dreck einsammelt. Und Steuern für deinen Abfall und deine Ausbildung bezahle ich auch noch… echt bewundernswert, (drückt seine Brille ganz nahe an die Nase) dein (spricht es sehr klar aus) «genius opportunitus»!
(Spöttisches und übertrieben lautes Lachen aus der Stammtischrunde)
BÜEZER. (bleibt still und murmelt kleinlaut) Auch ich muss mein Bier kaufen, weil es anderswo zu teuer ist. Aber –
STAMMTISCH IM CHOR. Aber Abfallentsorgung auf Kosten der Gesellschaft…? Wer Ohren hat, der höre.
HSGLER. (zum anderen Büezer) Was? Ich verstehe nicht ganz… Vielleicht liegt es aber auch am Schweizerdeutschen. Wie meinst du das? Übrigens, kommst du aus dem Balkan? Serbien?
ANDERER BÜEZER. Montenegro.
HSGLER. Müllmann, Serbe – äh, Monteneger. Dann nenne ich dich «Garbic».
In einer kleinen Vitrine liegt es da, das sorgfältig gerollte Sushi. In verschiedenen Ausführungen lacht es den Studenten an und schreit: „Nimm mich mit!“. Ein Ruf, dem der Student kaum widerstehen kann. Nach langem, mühevollem Warten und Ausharren in den Mensa-Schlangen gibt es wieder eine Alternative zum Catering der Migros: den Sushiladen «Local Food & Drinks» an der Guisanstrasse 1 vis-à-vis der SKK. Die Zeiten des repetitiven Mensa-Essens sind vorbei. Das neueröffnete Lokal überrascht die Studenten jeden Mittag mit einer Varietät an warmen asiatischen Gerichten, Saladbowls und natürlich Sushi. Für den Durst oder das nachmittägliche Sugarlow zwischendurch eilen die farbenfrohen Smoothies zur Rettung. Auch Kaffee und Tee sind im hip eingerichteten Lokal vorzufinden. Die Köstlichkeiten können vor Ort verzehrt werden, eignen sich jedoch auch für den gestressten Studenten, der das Sushi lieber während der Vorlesung verschlingt.
Ein Familienbetrieb
Beim Durchscrollen des Ins- tagram-Kanals von Local Food & Drinks (@officiallocal) wird deutlich, dass die Inhaber des Sushiladens wissen, wie sie bei den Studenten punkten: Täglich erscheinen neue appetitanregende Stories von verschiedenen Gerichten. Nicht nur mit dem Marketing auf Instagram, sondern auch mit der Gastronomie kennt sich die junge Familie Lau aus – schon Mama Lau führte früher ein asiatisches Restaurant in der St. Galler Innenstadt. Gastronomie liegt der Familie mit asiatischen Wurzeln somit im Blut. Das widerspiegelt sich auch in der Aufgabenteilung und Gastfreundschaft der vier Inhaber; so besitzt jedes der Ge- schwister einen eigenen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich (beispielsweise das Mittagsmenü). Das ermöglicht einen reibungslosen Ablauf, auch zur stressigen Mittagszeit.
Nich nur an der Guisanstrasse
Local Food & Drinks verkauft seine leckeren Sushikreationen nicht nur von 11 Uhr bis in die späten Abendstunden über die Theke, sondern auch über Eat.ch. Ab einem Bestellbetrag von 20 Franken kann sich der Student die Appetithappen sowie Salate nach Hause liefern lassen – in der St. Galler Innenstadt gar ohne Liefergebühren. Im Vergleich zum preislich höher positionierten Laufband-Sushirestaurant «Yooji’s» am Bahnhof vertritt das Local ebenfalls studentenfreundlichere Preise. So gibt es ihre Sushiboxen für zwei Personen ab 23 Franken und Salad Bowls sogar bereits ab 8 Franken. Für grössere Gruppen eignet sich die Party-Box mit 84 Stück für 103 Franken. Mit einer Lieferzeit von 40 Minuten liegt Local im Durchschnitt der Lieferanten. Nach Aussage der Geschäftsführerin Vivian Lau läuft das Lieferangebot gut: Bereits vor der Eröffnung am 1. März haben sie jede Woche mehrere Sushiboxen ausgeliefert, wobei ein weiterer Anstieg der Lieferungen erwartet wird. Die durchgehende 5-Stern-Bewertung auf «Eat.ch» spricht jedenfalls dafür. Der einzige Schwachpunkt von Local: Eine Wasabi-Vergiftung ist nicht ausgeschlossen, der massvolle Konsum des grünen Dämons ist nicht jedes Studenten Sache.
Verantwortlich für den lockeren Umgang mit öffentlichen Geldern an der HSG sei eine Mischung aus Überheblichkeit, Unfehlbarkeit und Nonchalance, in Einzelfällen gepaart mit Skrupellosigkeit. Das schrieb Tagblatt-Chefredaktor Stefan Schmid in seinem Kommentar. Unter dem Titel «Die HSG-Spendenaffäre (!) – sichtbares Zeichen einer tiefsitzenden Seuche» publizierte das Tagblatt darüber hinaus verschiedene Leserbriefe. Darin wurde unter anderem – kein Spass – die Zahlung einer Belohnung für die Veröffentlichung vorgeschlagen.
Die HSG erwartet vom Tagblatt auch gar keine Hofberichterstattung – im Gegenteil: «Es ist wichtig, dass wir in der Form des Tagblatts einen kritischen Spiegel haben», stellt Prorektor Ulrich Schmid klar. Jedoch herrscht Konsens darüber, dass die unangenehm aufdringliche mediale Berichterstattung die Bewältigung spesentechnischer Missstände alles andere als vereinfacht. Prorektor Kuno Schedler stuft es als sehr schwierig ein, wenn ein solch vertraulicher Bericht aus politischen Motiven dem Tagblatt auf dem Silbertablett serviert wird. Politiker sind gemäss Professor Vito Roberto halt einfach nicht dafür geschaffen, Geheimnisse für sich zu behalten. Es bleibt nun abzuwarten, ob die durch die Finanzkontrolle selbst eingereichte Anzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung Folgen nach sich ziehen wird.
In Anbetracht des politisch motivierten Leaks sowieso des angekratzten Vertrauens gegenüber der HSG ist es umso erstaunlicher, dass das kantonale Parlament am Montag nach dem Leak die Platztor-Vorlage mit überwältigenden 101 Ja- zu drei Nein-Stimmen zur Annahme empfahl.
Steuergelder – oder nicht?
Bei der sogenannten Spesenaffäre geht es um Steuergelder – «Schwachsinn», lassen alle, die an der HSG einen Namen haben, verlauten. Schmid bezeichnet die dahingehende «tagblättische» Berichterstattung als einseitig, da es zweifellos um privatwirtschaftlich erwirtschaftete Mittel gehe. Doch auch mit diesen durch die Institute erwirtschafteten finanziellen Mitteln sollte genauso sorgfältig umgegangen werden wie mit Steuergeldern.
Gemäss Vito Roberto wurde der Bericht der Finanzkontrolle mit sehr viel unnötiger Dramatik gespickt und gewisse Inhalte sind seines Erachtens schlichtweg Blödsinn: «Wenn 60 000 Franken als wahnsinnig hoher Betrag für drei Gutachten betrachtet werden, ist das der pure Neid der Journalisten.» Sodann ist bei vielen Instituten auf dem Deckblatt des Berichts der zusammenfassende Satz, dass die Rechnungslegung dem Gesetz entspreche, vorzufinden. Die Finanzkontrolle führte ihre Untersuchungen anhand eines Ampelsystems durch, wobei Gelb als Zeichen für Verbesserungsbedarf diente und Rot unmittelbaren Handlungsbedarf anzeigte. Jene roten Punkte wurden nach dem Leak im Tagblatt der Öffentlichkeit lauthals vorgesungen.
Dem Fall Sester sei dank…
Für den Umstand, dass nun sämtliche Spesenangelegenheiten mit einer neuen Brille betrachtet wurden, ist ein gewisser Peter Sester wohl nicht unschuldig. Erschwerend hinzu kam, dass sich der Leiter der Finanzkontrolle in seinem allerersten Amtsjahr befindet und sich dementsprechend um jeden Preis beweisen muss. Pikantes Detail am Rande: Der Fall Sester wurde durch den geschäftsleitenden Ausschuss (GLA) des Instituts – und nicht etwa durch die kantonale Finanzkontrolle – aufgedeckt. Da hat die Finanzkontrolle offensichtlich versagt, geht dieser Fall doch bis ins Jahr 2014 zurück.
Ebenfalls entlastend für die HSG gilt es zu berücksichtigen, dass bereits Ende des letzten Jahres – also noch vor dem Leak – ein viertes Prorektorat geschaffen wurde. Dieses wurde mit Peter Leibfried, einem Spezialisten für Rechnungslegung und Revision, vielversprechend besetzt.
Ebendieser Leibfried war nun federführend für den durch die Spesenaffäre ausgelösten und den Himmel versprechenden Massnahmenplan verantwortlich. Zentrales Element dieses Planes sind «Sonderprüfungen» durch die GLA. Unklar ist, inwiefern die GLA aufgrund ihrer Nähe zu den Instituten und deren Exponenten geeignet sind, um diese «Sonderprüfungen» seriös durchführen und den Finger ohne falsche Scheu in die Wunde zu legen.
In diesem Zusammenhang gilt es zu erwähnen, dass die Rolle der GLA derzeit durch eine Arbeitsgruppe kritisch hinterfragt wird. Die Erkenntnisse daraus werden ins neue Universitätsgesetz einfliessen. Trauen sich die GLA die Sonderprüfung nicht zu, können sie die Prüfung im Auftragsverhältnis an die Finanzkontrolle delegieren. Externe, privatwirtschaftliche Revisionsgesellschaften würden gemäss Leibfried, auch aus wirtschaftlichen Gründen, erst als Ultima Ratio hinzugezogen.
Den im Massnahmenplan Compliance verwendete Begriff «Sonderprüfung» findet Rechtsprofessor Roberto «herzig». «Offensichtlich wissen diese Leute nicht, dass es sich bei der Sonderprüfung um ein Institut des Aktiengesellschaftsrechts handelt», gibt er belustigt zu Protokoll.
Whistleblower willkommen
Das per 1. Februar 2019 in Kraft getretene Spesenreglement darf gemäss Prorektor Leibfried nicht als «Rocket Science» abgefeiert werden. Das Reglement wird erst mittels konkreten Anwendungsfällen zum Leben erweckt. Hierfür soll auch eine Wissensdatenbank dienen, die im April online geht. Hinzukommen Schulungen, bei welchen die Sensibilisierung der Universitätsangehörigen im Zentrum steht. Die heutige Ombudsstelle der Universität wird darüber hinaus zu einer externen und von der Universität unabhängigen Institution, die auch als Anlaufstelle für Whistleblower dienen soll, ausgebaut. Auch der angekündigte Verhaltenskodex soll eben gerade kein Papiertiger sein. Im Endeffekt kann verantwortungsvolles Verhalten jedoch niemals gänzlich an einen solchen Verhaltenskodex outgesourct werden.
SHSG-Präsident Yannik Breitenstein äusserst sich zurückhaltend kritisch zu den ergriffenen Compliance-Massnahmen: «Die Massnahmen sind nicht per se nicht gut, aber wohl etwas zu harsch für die HSG, da das Institutsmodell ernsthaft gefährdet wird.»
Um den Begriff des Kulturwandels führt anlässlich der spesentechnischen Verfehlungen selbst der abenteuerlichste Weg nicht vorbei. Das Fehlen einer gewissen Sensibilität wird auch vonseiten der Unileitung eingeräumt. Übrigens: Teilweise wurden auch schon Rückzahlungen geleistet.
Weitaus gefährlicher als das angekratzte Vertrauen der HSG in der Öffentlichkeit ist gemäss Roberto, dass das Vertrauen der Professoren in die Politik leidet. Bei der HSG handelt es sich um eine regionale Uni, die sich dank den 95 Millionen von den durch die Professoren geführten Instituten aufplustert – der Kanton schiesst hingegen lediglich etwas mehr als 50 Millionen ein. «Der Erfolg der HSG fusst auf der Autonomie der Institute», unterstreicht auch Breitenstein.
Die Legitimität des opportunistischen – wir tun alles für die besten Klicks – Verhaltens des Tagblatts ist hochgradig fragwürdig. Betriebswirtschaftliche Aspekte vermögen auch bei einem Tagblatt nun mal nicht jedes Bashing rechtzufertigen.
Klar, auf der Spesenseite sind gewisse Fehler passiert. Beispielsweise ist es doch allerhöchste Eisenbahn, dass fortan das Vier-Augen-Prinzip beim Visieren von Belegen konsequent durchgesetzt werden soll. Doch trotz allem gilt es festzuhalten, dass die Politik nicht zu erkennen scheint, dass es mit dem überaus erfolgreichen Institutsmodell behutsam umzugehen gilt.
Genauso muss die Universitätsleitung unbedingt darauf Acht geben, dass sie mit überschiessenden Massnahmenkatalogen das Vertrauen der Professoren und damit den Instituten nicht einer untragbaren Zerreissprobe ausliefert.
Es ist drei Uhr in der Früh und der Mond ist nicht zu sehen. Ein in St.Gallen altbekannter Nebelschleier verdunkelt das Städtchen. Aber nicht vollkommen, irgendwo im dritten Stock in einer etwas ranzigen Küche sitzt ein Student in vollem Lichte. Er ist gerade aus dem Club heimgekommen und betrachtet höchst konzentriert und mit glänzenden Augen die sich in der Mikrowelle langsam drehenden Ravioli. Auch drei Querstrassen weiter brennt noch eine Lampe; wieder ein Student, welcher in gebückter Haltung an seinem Schreibtisch sitzt. Mit wildem Tastengehaue versucht er, eine Arbeit für die morgige Abgabe fertigzustellen, während ihm ein Tränchen die Wange hinab rinnt.
Doch es sind nicht nur Studierende, welche zu dieser unchristlichen Zeit nebulösen Tätigkeiten nachgehen. Mönche erheben sich derweil von ihren Pritschen und machen sich bereit für die Matutin, ein Nachtgebet. Mit einem kurzen Vers wird diese eröffnet: «Herr, öffne meine Lippen, damit mein Mund dein Lob verkünde.» Genau was sich ein unstatthafter Student gerade in der Disco denkt, nur dass sich die Lobpreisung auf ein gewisses Hinterteil bezieht. Auch erntet er dafür nicht das Seelenheil, sondern nur einen angewiderten Blick und eine Respektschelle.
Mönchischer Lebensstil
Parallelen zwischen Studierenden und Mönchen finden sich jedoch nicht nur in der Nacht. Auch sonst gibt es bei genauerer Betrachtung nicht zu übersehende Gemeinsamkeiten: Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind so für beide Parteien, gelinde ausgedrückt, eher beschei- den. Mönche aus Bettelorden verdienen ihren Lebensunterhalt genau wie das ein Grossteil der Studierenden tun – durch «schnorren». Bei Letzteren geschieht dies vor allem durch die spendable Hand der Erzeuger. Dadurch ist man jedoch einer gewissen Erwartungshaltung unterworfen, welche nicht nur das Studium betrifft. Hat man wieder mal dem Grossonkel zum Geburtstag zu gratulieren verges- sen, wird gleich mit Kürzungen gedroht und man bangt um die Mittel für den nächsten Mittwochabend.
Zusätzlich befinden sich Mönche und Studierende Lektüre-tech- nisch auf derselben Höhe. Bei den Mönchen ist das Lieblingsbuch natürlich die Bibel. Studierende lesen dagegen «die blaue (respektive herkömmlich grüne) Bibel», das mysteriöse und sagenumwobene SGMM. Beiden Büchern scheint gemein, dass es ein oft gelesenes und epochales Buch ist, den genauen Inhalt aber niemand so richtig zu verstehen scheint.
Ora et labora
Schlussendlich und wohl am wichtigsten ist, dass die Studierenden den grossen Grundsatz der Mönche, ora et labora («bete und arbeite»), verinnerlicht haben. Besonders vor den Abschlussprüfungen lässt sich dies überall beobachten, wenn Studierende mit verzweifelten Stossgebeten gen Himmel um die Errettung des verkorksten Semesters hoffen.
Warum braucht es ein Coding Bootcamp in der Schweiz?
Es macht Sinn, Programmieren zu lernen, unabhängig davon, ob dies jetzt in einem Coding Bootcamp ist oder nicht. Nicht damit alle Programmierer werden, sondern um das grundsätzliche Verständnis dafür zu haben. Es ist wichtig mitreden zu können. Je besser man programmieren kann, desto mehr kann man in unserer zunehmend digitalen Gesellschaft nicht nur konsumieren sondern mitgestalten.
Wie weit ist die Schweiz im Bereich der Programmierausbildung?
Das Informatik-Studium, so wie ich es erlebt habe, ist sehr theoretisch.
Was müsste denn die Schweiz tun, um sich in diesem Bereich weiterzuentwickeln?
Offener werden im Rekrutierungsprozess gegenüber Kandidaten, die keine Uni-Abschlüsse, sondern ein Portfolio haben und sich das Programmieren selbst beigebracht haben.
Was ist aus deiner Sicht das Wichtigste, um Programmieren zu lernen?
Geduld. Und Konzentration im Sinne von, dass man nicht die ganze Zeit unterbrochen wird. Es braucht viel Fokus, um sich in die Welt des Programmierens hineinzudenken.
Was fasziniert dich persönlich am Programmieren?
Zum einen, dass man etwas neu kreieren kann und damit Probleme lösen und Sachen automatisieren kann. Zum anderen, dass man mit einer logischen Denkweise an die Sachen herangeht. Man nimmt ein Problem an und erarbeitet step-by-step einer Lösung.
Warum wolltest du dein eigenes Unternehmen gründen?
Ich hatte damals das Gefühl, ich könnte so mehr bewirken als wenn ich eine Angestellte wäre. Da es bis jetzt nichts in diese Richtung gab, dachte ich mir dann, dass ich damit starte.
Welche Ratschläge würdest du jemandem geben, der ein Unternehmen gründen will?
Einfach anfangen. Es ist gut, klein anzufangen und dann zu versuchen, möglichst viel Erfahrung und Feedback zu erhalten. Mit Master 21 haben wir so angefangen, dass wir einmal zwei Kurse als Probelektionen auf der Webseite laufen ausgeschrieben haben und geschaut haben, ob überhaupt Nachfrage dafür da ist. Wir nehmen immer Feedback entgegen und verbessern uns so kontinuierlich. Es ist wichtig zu planen, aber auch zu wissen, dass es meistens anders kommt als als geplant.
Was war dein grösster Erfolg?
Jedes Mal, wenn wir einen Kurs abschliessen und sehen, was die Leute gelernt haben, wie dankbar sie sind und welche Freude sie haben, ist es für mich Erfolg. Erfolg ist für mich zu sehen, wie Leute lernen und wachsen. Das Strahlen, welches die Menschen haben, die etwas gelernt haben, finde ich schön.
Und dein grösster Fehler?
Fehler sehe ich immer als Möglichkeit, etwas zu lernen. Bis jetzt gab es nie so einen katastrophalen Fehler, wie dass uns beispielsweise das Geld ausging. Vielleicht haben wir etwas zu früh in einen neuen Markt gestartet, aber ich sehe dies eigentlich eher als eine Lektion, aus der wir gelernt haben.
Was würdest du heute anders machen?
Nichts, genau aus dem Grund, dass wir bei allem lernen und wachsen konnten.