Ungefähr 50 Mal.
Schmeichelt Ihnen das Interesse der Medien? Ist das ein wenig Belohnung?Ich bin nie ein Mensch gewesen, der das Rampenlicht gesucht hat. Am Anfang bin ich ein wenig gehemmt gewesen, aber heute weiss ich, dass das eben meine Geschichte ist. Ausserdem gibt es noch immer viele Menschen, die nach dieser Geschichte fragen, und deswegen erzähle ich sie.
Was ist das Geschäftsmodell hinter Doodle?Wir vertreiben drei Produkte: Das öffentliche Produkt Doodle, das wir alle benutzen, um unsere Termine zu organisieren. Es ist gratis, und wir versuchen, eine möglichst grosse Reichweite zu erhalten, um die Marke zu etablieren. Unsere Umsätze erwirtschaften wir mit zwei kommerziellen Produkten: Werbung und Branded Doodle. Mit Branded Doodle erhält eine Firma ihr eigenes Doodle mit Namen und Logo der Firma, optional werbefrei und mit zusätzlichen Sicherheitsoptionen.
Wie viele Auszeichnungen hat es bisher für Doodle gegeben?Gar nicht so viele. Die jüngsten nennenswerten sind wohl der Public Award von Swiss ICT sowie der Open Web Award von Mashable. Ausserdem haben wir im vergangenen Herbst das CTI Start-up Label erhalten und damit den Coaching-Prozess von CTI Start-up abgeschlossen.
Für die Grösse von Doodle ist das aber eine respektable Anzahl von Auszeichnungen.Ja, aber die grösste Auszeichnung ist eigentlich die Anzahl Nutzer, die wir jeden Monat erreichen. Das ist auch das, was uns immer wieder am stärksten motiviert.
Warum haben Sie Doodle drei Jahre lang als privates Projekt betrieben, obwohl dies sicherlich viel Zeit in Anspruch genommen hat?Weil es mir Spass machte. Zum einen haben mich die vielen positiven Rückmeldungen der Benutzer sowie deren Aussage, dass sie dank Doodle viel Zeit und Nerven sparen können, motiviert. Zum anderen hat mich die Herausforderung gereizt, den Dienst auszubauen, neue Funktionen anzubieten und trotzdem alles einfach und überschaubar zu halten.
Kam die Entscheidung, Doodle zu professionalisieren, plötzlich oder war sie absehbar? War es jemals eine Option, das Projekt abzugeben?Der Entscheid war eine Kombination aus mehreren Umständen: Ich war nach 4 Jahren Lehrtätigkeit an der ETH bereit für eine neue Herausforderung. Mein damaliger Büronachbar Paul Sevinç war am gleichen Punkt und bereit, mit mir das Unternehmen Doodle zu starten. Ausserdem hatte Doodle mit gegen 200‘000 monatlichen Besuchern bereits eine stattliche Grösse erreicht, die eine Professionalisierung nahelegte. Das Projekt abzugeben, war nur insofern eine Option, als dass ich von mehreren Parteien angefragt worden war, ob Doodle zu kaufen sei.
Die Idee war da, die Technologie war da, die Mitarbeiter waren da. Wie sind Sie etwa mit den rechtlichen Fragen umgegangen?Für die rechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Firmengründung haben wir uns ganz einfach ein Buch gekauft, das alles erklärt. Daran haben wir uns im Wesentlichen orientiert. An wichtigen Punkten haben wir zudem Juristen beigezogen und uns auf die Inputs von erfahrenen Personen abgestützt.
Wie fühlt man sich, wenn man auf Investorensuche ist?Wie immer, wenn man etwas zum ersten Mal macht: Man ist etwas verunsichert und weiss nicht immer, wie man mit den Leuten umgehen soll. Nach einigen Gesprächen beginnt sich das zu ändern, man gewinnt an Sicherheit und wird offensiver. Man stellt dann häufiger die Gegenfrage: «Was können Sie uns denn bieten, wenn Sie bei uns investieren dürfen?»
Das waren ja sicherlich auch persönlich immer wichtige Schritte, beispielsweise vom Kreativen zum Geschäftsführer. Hat Sie das verändert?In gewissen Punkten habe ich mich sicher verändert und verändere mich noch. Am auffälligsten für mich ist, dass ich noch nie in so kurzer Zeit so viel gelernt habe und nach wie vor lernen muss. Beim Aufbau eines Unternehmens wird man immer wieder in kaltes Wasser geworfen und muss sich rasch mit neuen Situationen und Unvorhergesehenem auseinandersetzen können. Ich versuche auch schneller zu reagieren, wenn ich mit internen und externen Personen zusammenarbeite: Ich sage viel früher, ob ich etwas will oder nicht, so hält man sich nicht zu lange mit Unnötigem auf.
Hat sich Ihre Lebensführung verändert?Für mich nicht massiv. Ich habe schon immer viel gearbeitet. Geändert hat sich, dass ich konsequenter mit meiner Freizeit umgehe: Ich mache mehr Sport, weil ich merke, dass ich den Ausgleich brauche. Ich bin generell aktiver in meiner Freizeit.
Ist Arbeiten jetzt angenehmer, weil es das eigene Projekt ist?Das fördert zumindest das Verantwortungsgefühl. Es gibt ja viele Menschen, die ein Unternehmen gründen, um ihr eigener Chef zu sein. Das war bei mir nicht der Fall. Ich bin mit meinen Vorgesetzten immer gut ausgekommen.
Wie ist es nun, selber Chef zu sein?Bei uns sind die Hierarchien nicht so ausgeprägt. Wir sind ein kleines Team und versuchen gemeinsam, das Projekt vorwärtszutreiben. Aber in letzter Konsequenz bin ich natürlich derjenige, der verantwortlich ist. Ich erlebe viel, es ist sehr spannend und lehrreich, aber oft auch anstrengend. Ich merke, dass es kein Zuckerschlecken ist. Aber diesen Verdacht hatte ich schon immer (lacht).
Wenn man die Entwicklung betrachtet: Was waren die Details an Doodle, die wesentlich zu seiner Verbreitung beigetragen haben?Benutzerzentriertheit. Von Anfang an war es mein Ziel, einen einfachen Dienst anzubieten, der möglichst benutzerfreundlich ist und tiefe Einstiegshürden hat. Man muss nichts herunterladen, nichts installieren, man muss sich nicht einmal registrieren. Doodle hat auch eine gewisse Viralität, also eine Tendenz zur selbstständigen Verbreitung, eingebaut: Wer Doodle benutzt, lädt Leute ein, die oftmals neu mit dem Dienst in Kontakt kommen. Flankierend dazu haben wir sehr früh angefangen, zu internationalisieren. Schon die erste Doodle-Version wurde bald zweisprachig, heute ist Doodle in 29 Sprachen verfügbar und unterstützt Terminabsprachen über Zeitzonen hinweg.
Hatten sich die Gründer im ersten Jahr keine Gehälter ausgezahlt? Wie ist die Gehaltsverteilung heute?Im ersten Jahr hatten wir uns fast kein Gehalt ausgezahlt; der Lohnverzicht war das anfängliche Investment von Paul und mir. Mittlerweile zahlen wir uns und allen anderen MitarbeiterInnen Löhne aus.
Ist es für Sie eine vorstellbare Option, sich irgendwann von Doodle zurückzuziehen?Ich will nicht unbedingt mein Leben lang Doodle machen, aber über die nächsten Jahre werde ich die Firma weiter auf- und ausbauen.
Michael Näf, 35, studierte Informatik und Didaktik an der ETH Zürich. 2003 erfand er Doodle. Ende 2006 beschloss er zusammen mit seinem Kollegen Paul E. Sevinç, Doodle zu professionalisieren. Im Februar 2008 wurde nach erfolgreicher Investorensuche die Doodle AG gegründet, die heute neun Mitarbeiter zählt. Doodle wird unterdessen von mehr als 3 Millionen Benutzern pro Monat eingesetzt.
Alles scheint damit zu beginnen, dass Dr. Ulrich Thielemann, seines Zeichens Vizedirektor des Instituts für Wirtschaftsethik an unserer Universität, Ende März auf Einladung der Grünen-Fraktion vor dem Finanzausschuss des Deutschen Bundestags vorstellig wurde. Hier der wichtige Auszug aus dem Protokoll der Sitzung:
Ortwin Runde (SPD): Wenn wir die Situation USA – Schweiz […] sehen: Haben Sie den Eindruck, dass die Fortschritte, die dort in Richtung Anerkennung von Informationspflichten gemacht wurden, ohne die Kombination mit nationalem Druck erreicht worden wären? […]
Dr. Thielemann: Vielen Dank für die Frage. Mein Eindruck ist, dass in der Schweiz – und das zeigen auch die gegenwärtigen Verwerfungen – keinerlei Unrechtsbewusstsein darüber besteht, dass die Schweiz […] Steuerausländer, also Personen, die gar nicht im Lande anwesend sind, vielleicht auch niemals anwesend waren, besteuert oder steuerlich behandelt. Und zu der steuerlichen Behandlung gehört natürlich auch die Verweigerung des Informationsaustausches, und zwar so, wie das notwendig wäre, um hier eine umfassende, gesetzmässige und gleichmässige Besteuerung in den Wohnsitzstaaten zu erreichen. Darüber besteht in der Schweiz keinerlei Unrechtsbewusstsein, überhaupt kein Problembewusstsein. Insofern stimme ich ganz mit Ihnen überein: Offenkundig hat die Schweiz – und andere Steueroasen ganz genauso – nur darum Zugeständnisse gemacht, weil der internationale Druck da war, offenbar auch der USA, die es leid war. Die USA sah nicht ein, dass Steuerbürger ihres Landes, die das Land noch nicht einmal irgendwann verlassen haben, nur darum, weil sie Kunde einer Bank waren oder noch sind, die in der Schweiz ihren Wohnsitz hat, dem Schweizer Recht unterstellt sind. […] Darum muss das [gemeint ist die Anerkennung des Wohnsitzprinzips und des Ansässigkeitsprinzips durch die Schweiz] durch Sanktionsmassnahmen der Staaten gestützt werden, meines Erachtens durch die Sanktionsmassnahmen […].
Die Aussage von Thielemann, dass der Schweiz jegliches Unrechtsbewusstsein fehle und dass er, wenn man die Schweiz zu einer Verhaltensänderung bewegen möchte, Sanktionen für notwendig halte, sorgte in der Schweiz in der Folge für grosse Unruhe.
«Dies stösst mir sauer auf», meinte beispielsweise CVP-Nationalrat Thomas Müller. Und auch Ständerat Ivo Bischofberger empfand die Wortwahl Thielemanns als «sehr unglücklich» gewählt.
Auch Ulrich Cavelti, Rechtsberater der Finanzdirektoren-Konferenz und Titularprofessor an der HSG, gab zu bedenken: «Im jetzigen Umfeld muss man sich fragen, ob solche Äusserungen geschickt sind.»
Eine forschere Stellungnahme kam jedoch vom akademischen Direktor unserer Executive School, dem emeritierten Professor Franz Jaeger. Dieser forderte umgehend Thielemanns Absetzung, falls dieser sich nicht von seinen Aussagen distanziere. Unterstützt wurde er dabei vom ehemaligen Economiesuisse-Chef Ueli Forster.
Auch SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli schaltete sich als Kommentator ein. «Die HSG hält sich mit den Wirtschaftsethikern ein paar Hofnarren. Dieses Institut braucht es nicht.» Mörgeli selber hatte zuvor als Titularprofessor der Universität Zürich die Wissenschaftswelt mit Artikeln wie «Das Bild des Arztes in der Karikatur am Fin de siècle» bereichert.
In einem Interview vom 6. April mit dem St. Galler Tagblatt nahm nun unser Rektor Ernst Mohr zum Fall Thielemann Stellung; bevor überhaupt die Protokolle der Sitzung vorlagen. Mohr berichtete, dass er nach dem Vorfall umgehend mit Thielemann telefoniert hätte. Mohr gab unumwunden zu: «Es fällt mir tatsächlich nicht leicht, mich in dieser Situation vor meinen Dozenten zu stellen.» Auf die Frage, ob eine Entlassung von Thielemann zu erwarten sei, antwortete Mohr: «Jeder Angestellte der HSG kann entlassen werden.» Weiter stellte er fest, dass der Lehrstuhl für Wirtschaftsethik in Zukunft «stärker als heute nach innen zu wirken» habe.
In einer Stellungnahme des Rektorats vom 8. April stellte dieses klar, dass Dr. Thielemanns Ansichten nicht die Meinung der Universität wiedergeben. Die Universität verzichtet jedoch auf weitere disziplinarische Massnahmen, welche über diese Distanzierung hinausgehen.
Die Tatsache, dass sich Rektor Mohr nicht hinter seinen Angestellten stellt und sogar seine Entlassung nicht ausschliesst, sorgte für eine Gegenreaktion.
«Die Kritik von HSG-Rektor Ernst Mohr an Ulrich Thielemann ist ungeheuerlich», sagte Alt-FDP-Ständerat und Staatsrechts-Ikone Professor René Rhinow. Die Meinungsfreiheit eines Wissenschaftlers sei «unantastbar».
Auch der Freiburger Rechtsprofessor Thomas Fleiner hielt die Kritik von Mohr für «völlig unangebracht». Als Ethiker habe Dr. Thielemann zum Bankgeheimnis durchaus etwas zu sagen. Der Vorwurf von Mohr, Thielemanns Statement sei nicht wissenschaftlich gewesen, sei «bevormundend». Mohr solle lieber konkrete, inhaltliche Kritik an Thielemanns Aussagen üben.
Auch HSG-Professor Rainer J. Schweizer empfand die Reaktionen auf Thielemanns Äusserung als problematisch: «Es gehört zur Freiheit des Wissenschaftlers, dass er öffentlich Dinge sagen kann, die unbequem sind und nicht zum Mainstream zählen.»
Nach einem indirekten Angriff auf sein Institut für Wirtschaftsethik schaltete sich Professor Peter Ulrich, Thielemanns Vorgesetzter, ein. In einem Interview mit der WOZ sagte er, dass er zunächst darauf gehofft hatte, «dass das Rektorat seine Aufgabe wahrnimmt und alle Betroffenen fair behandelt. […] Das hat das Rektorat nicht getan.» Weiter kritisierte er die Stellungnahme des Rektorats: « […] Es wird mit keiner Silbe die jahrzehntelange, wissenschaftlich seriöse und integre Arbeit des Instituts für Wirtschaftsethik erwähnt. Es sieht aus wie eine Rüge für Thielemann. Sie [die Universität] distanziert sich einseitig von der Wirtschaftsethik, nicht aber von denjenigen, die unsachliche Forderungen in den Raum gestellt haben, also Franz Jaeger und Ueli Forster.»
Auf die Rücktrittsforderungen von Franz Jaeger angesprochen, stellte Ulrich folgende Mutmassung auf: «Herr Jaeger hat im St. Galler Tagblatt offen zugegeben, was die wahren Motive für seine Forderung waren. Er sagte: ‹Man sucht seit langem nach einem handfesten Grund, der gegen Thielemann spricht. Jetzt hat er ihn selber geliefert.› Muss man dazu noch etwas sagen? Ich will ja nicht spekulieren, aber das ist doch brisant. Das tönt nach einer orchestrierten politischen Übung, nach einem Druckversuch vonseiten der Wirtschaft auf die HSG. Das könnte ein Grund gewesen sein, weshalb alles so aufgebauscht wurde.»
So viel zu den wichtigsten Elementen des bisherigen Verlaufs der Affäre Thielemann. Die Statements wurden im Boulevardstil von verschiedenen Zeitungen ausgeschlachtet. Natürlich gab es noch viel mehr Kommentare von verschiedensten Seiten. Wir hoffen aber, euch einen guten Überblick über die wichtigsten Stimmen gegeben zu haben.
Quellen, wo nicht anders vermerkt: St. Galler Tagblatt, Tagesanzeiger
Erinnerst du dich noch daran, was du am 24. März gemacht hast? Wahrscheinlich hast du in einer mehr oder weniger spannenden Vorlesung gesessen oder einen Schneemann im immer noch winterlichen St. Gallen gebaut. Für 20 mutige Teilnehmer am ACT-Programm 2009, einem studentischen Austauschprojekt der SHSG, aber begann an diesem schicksalhaften Tag das Abenteuer ihres Lebens: zehn Tage Vereinigte Arabische Emirate (VAE); Reichtum, endlose Wüsten, geheimnisvolle Emirati und so manches Märchen aus 1001 Nacht warteten.
Nach dem herzlichen Empfang durch das emiratische Organisationskomitee am Flughafen in Dubai wurden wir in ein nobles Hotel gefahren, welches unsere Unterkunft für die nächsten 10 Tage sein sollte. Nach einer Mütze Schlaf fuhren wir am nächsten Tag in die Hauptstadt der VAE, Abu Dhabi, wo wir der Zayed-Moschee, welche Platz für 20’000 Gläubige bietet, einen Besuch abstatteten und die emiratischen Teilnehmer näher kennen lernten. Wir verstanden uns von Anfang an sehr gut, was nicht zuletzt an der neugierigen und bodenständigen Art der einheimischen Studierenden lag. Auch konnten unsere Schweizer Teilnehmer erste Erfahrungen mit der schwarzen Abaya und dem Kopftuch sowie der bodenlangen Nationaltracht «Dishdascha» sammeln, welche von den jungen Emirati ganz selbstverständlich jederzeit getragen wird.
Da unsere Partneruniversität, die «Higher Colleges of Technology» aus einem Verbund von 16 geschlechtergetrennten Fakultäten besteht, hatten wir die Möglichkeit, Colleges in verschiedenen Emiraten zu besichtigen. Besonders interessant für uns: Im Dubai Women’s College wurde sehr auf die femininen Bedürfnisse Rücksicht genommen – mittels eines Coiffeursalons, eines Nagelstudios und eines Solariums, was für die Steigerung des Frauenanteils an der HSG eine durchaus überdenkenswerte Idee darstellt.
Im Laufe der Reise stellten wir fest, dass zwar das Hotelfrühstück jeden Wunsch erfüllte, das alltägliche Essen aber mehrheitlich aus den libanesischen Vorspeisen mit Kichererbsenmus, Petersiliensalat mit Brot sowie den landestypischen Chawarma-Sandwiches bestand. Neben der kulinarischen Seite erlebten wir die traditionelle arabische Kultur in vielerlei Museen, Kunstausstellungen und z. B. auch bei einem traditionellen Stocktanz hautnah.
Als Wirtschafts-, Politik- und Rechtsstudierende konnten wir uns insbesondere für die zahlreichen Unternehmensbesuche vor Ort begeistern: Die Dubai Chamber of Commerce, eine Palmenfarm, der Abu Dhabi Investment Fonds und die Firma Nakheel (die Erbauerin der künstlichen Inseln vor Dubais Küste) begrüssten uns alle herzlich.
Während der letzten drei Tage nahmen wir als offizielle Vertreter der Schweiz an der «Education without Borders»-Konferenz teil, die das Thema der Nachhaltigkeit in vielen Panels, Workshops und Diskussionen unter diversen Gesichtspunkten beleuchtete. Dabei genossen wir vor allem die Gespräche mit Studierenden aus aller Welt, vermissten aber den regelmässigen Kontakt mit «unseren» emiratischen Freunden.
Diese Reise zeigte allen Teilnehmern, dass die VAE mehr sind als ein Land voller Luxushotels und Wüsten. Die Gastfreundschaft und die einmaligen Erfahrungen, die wir dank unseren emiratischen Freunden machen durften, haben wohl jeden ACT-Teilnehmer ein Stück weit geprägt. Dieser studentische kulturelle Austausch hat uns eine Gegend nähergebracht, welche in Europa noch mit vielen Vorurteilen behaftet ist. So waren die meisten von der Offenheit und Neugierde der jungen Emirati gegenüber der restlichen Welt überrascht und sehen die Vereinigten Arabischen Emirate nun in einem etwas anderen Licht.
Schwitzende und keuchende Menschen springen sich an. Sie rammen ihren Nachbarn die Ellenbogen ins Gesicht. Schreien, röcheln. Ab und zu fällt einer auf den klebrigen Fussboden, schiesst aber gleich wieder hoch. Im Saal herrschen tropenartige Luftverhältnisse und auf der Bühne spielt sich Sonderbares ab: Ein kleiner Mann mit Katzenperücke und Trainerhosen brüllt hysterisch «Anti, Anti» ins Mikrofon, während der Indianer im Lendenschürzchen wie wild aufs Schlagzeug eindrescht und das leuchtende Knochengerüst sich unanständig an der halbnackten Blondine neben dem Bassspieler zu schaffen macht. Das ist der Auftritt von Bonaparte im Zürcher Club Mascotte.
Bonaparte ist eine junge Band aus Berlin. Ihren Stil bezeichnen sie als «attention deficit disorder muzik». Auf dem Plakat im Mascotte steht zwar Elektropunk, aber das wird der Musik dieser Jungs nicht gerecht. Ihre Songs tragen Namen wie «I took the pill», «Blow it up» oder «Ego». Wie gesellschaftskritisch die Titel auch klingen mögen, meist verlieren sich die Stücke längerfristig in einem lauten, absurden Klangspektrum, das umrahmt ist von bürgerlicher Allgemeinbildung und asozialen Interjektionen. Bonaparte ist anders als das meiste, was sonst auf dieser Bühne steht. Nicht so anders wie Psychadelic Trance, aber anders genug, um als groteske Erscheinung im CD-Regal aufzufallen.
Doch Bonaparte hört niemand auf CD. Denn die Stärke der wilden Truppe sind ihre Live-Auftritte. Nebst den vier Musikern schwirren während des ganzen Konzerts irgendwelche kuriosen Wesen auf der Bühne herum: Ein hellblau gekleideter Zirkusartist, der sich mit einem Zepter wie verrückt auf den goldenen Helm schlägt, ein rosa Hase oder ein wandelnder Kürbis. Die Auftritte der Berliner sind mindestens so absurd wie ihre Musik. «You know Churchill, but I know Kill Bill; you know Tolstoi, but I know Playboy; you know politics, but I know party chicks», singt der Mann mit der Katzenperücke und die Meute im kleinen Zürcher Club tobt.
Difficile est saturam non scribere – es ist schwierig, keine Satire zu schreiben, stellte der grosse römische Satirendichter Juvenal angesichts des ihn umgebenden gesellschaftlichen Umfelds schon vor knapp 2’000 Jahren fest. Lässt man heute seinen Blick durchs B-Foyer der HSG schweifen, gelangt manch einer durchaus zu ähnlichen Schlüssen. So z. B. Max Winkler, Teilnehmer der prisma-Umfrage zum Thema «Ist die HSG Elite?» (prisma Nr. 321). Sein Statement persifliert die vorhandenen Klischees, mögen sie nun auf real existierenden Tendenzen beruhen oder nicht, und steigert sie ins vermeintlich Absurde:
«Mein Vater hat mir im vergangenen Sommer freigestellt, wohin ich gehe – Mannheim oder St. Gallen. Aber da er selbst früher an der HSG war, bin ich dann doch hierher gekommen. Dass die HSG Elite ist, versteht sich ja von selbst. Doch manchmal, wenn ich mich im B-Foyer so umschaue, wundere ich mich schon, was da so rumläuft. Woran die HSG aber noch arbeiten muss, ist die Parkplatzsituation. Für ein anständiges deutsches Auto ist da einfach kein Platz! Das ist jedenfalls wenig elitär …»
Deutlich interessanter als der Wortlaut seines Kommentars sind allerdings die Reaktionen einiger prisma-Leser darauf. So existiert mittlerweile unter dem sprechenden Titel «Mehr Behindertenparkplätze für Max Winkler» eine eigene Facebook-Gruppe, die bei Redaktionsschluss bereits 89 Mitglieder zählte.
Die Empörung in den Forumsbeiträgen ist gross: Fremdschämen für den arroganten Max und vereinzelt sogar pauschale Ressentiments gegen die studentischen Migranten aus dem grossen Nordkanton. Andererseits aber auch Sportsfreunde, die Max’ Faden aufgreifen und ihn mit Kommentaren wie «Mit Parkplätzen beschäftige ich mich eigentlich nicht … aber ich glaube, mein Fahrer hat bisher immer was gefunden!» weiterspinnen. Als Titelbild der Gruppe fungiert übrigens ein kreativ gestalteter Steckbrief, der für den Kopf von «Max dem Pinkler» eine Belohnung von einem Dollar aussetzt.
Natürlich freut sich die prisma-Redaktion über starke Resonanz auf Magazinbeiträge. Auf der anderen Seite mutet es jedoch beängstigend an, wenn ein derart überzogener Beitrag von einer ganzen Reihe intelligenter Studenten für bare Münze genommen wird. Max’ Beitrag scheint also zumindest ein Körnchen Wahrheit zu enthalten. Kurzum: eine gelungene Satire.
Bei den Treffen des DebatingClub lernt man, sich in freier Rede gegen die Angriffe eines Gegners zu behaupten. Überdies sind die Debattierer durch regelmässige Turnierteilnahmen auch gewohnt, die rhetorische Klinge mit Studenten aus anderen Fachrichtungen oder sogar Kulturkreisen zu kreuzen. Was kann da noch kommen? Zum Beispiel, gegen die eigenen Professoren anzutreten! Und schliesslich debattiert man unter den kritischen Blicken seiner Kommilitonen ja auch nicht jeden Tag. Für das Publikum machte besonders die Erwartung rhetorischer Kunststücke der Professoren den Reiz der Debatte aus. Es sollte nicht enttäuscht werden.
Gegen das Team der Professoren debattierten die Assessmentstudenten Viola Lutz und Christian Funk sowie Bachelorstudent Robin Schädler. Mit Hilfe eines ausgeklügelten Systems (Pecunia iacta est) wurde die Pro- und Kontraseite ermittelt, wobei den Professoren die Rolle der Regierung zufiel. Nach einer viertelstündigen Vorbereitungszeit begann das Wortgefecht: Als eröffnender Redner bekannte sich Professor Frei sofort zum «Freiheitsdenker» und besetzte zugleich den Begriff der Gleichheit. Vor 25 Jahren habe er noch ähnlich konservativ wie die Opposition gedacht, die Erfahrungen seiner akademischen Laufbahn hätten ihn jedoch eines Besseren belehrt. Er könne sich daher nur für die Verteilung von Doping durch die Universität aussprechen.
Christian präsentierte postwendend die paradiesische Zukunft, die auf eine Annahme des Antrages folgen würde: Qualität wie in der Mensa, statt Energydrinks von Sponsoren finanzierte Spritzen sowie eine Leistung, die endlich nicht mehr vom menschlichen Geist, sondern von Bayers Chemikalien abhänge. Die Behauptung, dies würde die Benotung vollkommen willkürlich machen, konterte Prof. Kolmar anlässlich einer Zwischenfrage mit dem Argument der hohen Benotungsqualität, was besonders von einigen Viertsemestern im Publikum mit Zwischenrufen kommentiert wurde.
Prof. Sieferles Rede wurde von einem Kurswechsel beherrscht. Im Grunde genommen gehe es ja hauptsächlich um die Endorphinausschüttungen im Körper, welche die besseren Leistungen hervorbringen. Und die liessen sich z. B. auch mit dem Konsum von Videospielen vor den Prüfungen erreichen – völlig ohne Medikamente. Dieses Argument schien die Gegenseite so zu überraschen, dass sie das Vernünftigste tat: es einfach zu ignorieren.
Die Schreckensbilder von Christian fortführend, prophezeite Robin den Wandel von einem Bildungsinstitut in ein Versuchslabor, mit der Zusatzbemerkung, dass sich «Ulrich im Grabe umdrehen würde, wäre er schon tot». Ein Zuhörer brachte ein, wie unfair die momentane Situation sei, könne er sich im Gegensatz zu vielen seiner Kommilitonen doch keine Dopingmittel leisten und falle so zurück.
Prof. Kolmar griff dies als Gerechtigkeit für «Studenten aus sozial herausgeforderten Verhältnissen» auf und beendete die Debatte für die Professoren mit einer Ode an den Fortschritt: Würden alle so denken wie das Team der Studenten, so würde die Menschheit noch immer in Höhlen leben. Zugleich beschwor er die Flut von 1.4 Milliarden Chinesen, welche die Schweiz im internationalen Bildungskampf überrollten, wenn der Antrag abgelehnt werde.
In Erwiderung darauf erinnerte Viola als letzte Rednerin an solch fantastische Erfindungen wie die Atombombe. Das Recht auf eigene Erfahrungen sei eben eines auf umfassende Erfahrungen und nicht nur auf solche, die einem die Medikamente der Universität bescheren würden. Freiheit also auch auf Seiten der Opposition.
So wie sich beide Seiten auf die Freiheit beriefen, fiel auch das unfehlbare Urteil des Publikums aus – jeder bejubelte jeden. Zum Schluss also Friede und Freude und, für den Eierkuchen, auch noch Olivenöl als Dankeschön an die Professoren. Ihnen gebührt ohnehin ein grosser Dank dafür, dass sie sich auf das ungewohnte Terrain begeben und die Debatte mit viel Ironie bereichert haben.
Mehr unter: www.debatingclub.ch
Aufgrund der Tatsache, dass unser Team nur aus Studenten besteht, haben wir ständig viele personelle Veränderungen. Um unseren Kader breit zu stützen, suchen wir momentan neue Spieler, die Interesse am Unihockey haben. Im Speziellen benötigen wir unbedingt einen Torhüter! Für die neue Saison kannst du bei uns eine Lizenz lösen und in der Meisterschaft mitspielen. Die Spielrunden finden von September bis März alle 3–4 Wochen jeweils am Sonntag statt und pro Runde werden zwei Spiele ausgetragen. Doch auch wenn die Meisterschaft für uns nun vorbei ist und die nächsten Pflichtspiele erst wieder im kommenden September stattfinden, trainieren wir weiterhin am Donnerstag von 20.30 – 21.45 Uhr im AZSG. Falls du interessiert bist, schau einfach in unserem Training oder den Unihockey-Spielstunden von UniSport vorbei oder melde dich per E-Mail bei bernhard.reutimann@student.unisg.ch.
Das Saisonfinale 08/09 ging mit einem dramatischen 7:4 Sieg vom UHU gegen Buffalo Rheintal – unseren direkten Konkurrenten um den dritten Tabellenplatz – zu Ende. Dieser dritte Tabellenplatz war enorm wichtig, da besondere Umstände (neue 5. Liga ab nächster Saison) dazu führten, dass nur die ersten drei Mannschaften in der 3. Liga verbleiben konnten. Mit einem Punkt Vorsprung auf die Ränge vier und fünf ist uns dies gerade noch gelungen.
Vom 9.–10. Mai 2008 vertrat der UHU St. Gallen die HSG am Technica Open in der tschechischen Hauptstadt. Am Abend des 7. Mai begann die Reise mit dem Car in St. Gallen. Nach einer langen Fahrt durch die Nacht kamen wir am frühen Morgen des 8. Mai in Prag an. An Ausruhen war jedoch nicht zu denken – es stand eine Stadtrundfahrt an. Nachdem wir uns alle möglichen Sehenswürdigkeiten der Stadt angeschaut und das tschechische Bier degustiert hatten, gingen wir ins Hotel, um für die Spiele vom nächsten Tag bereit zu sein. Auf einen 11:2 Startsieg folgten leider zwei Niederlagen; die letzte war umso bitterer, als wir mit einem Sieg in diesem Spiel im Halbfinale hätten dabei sein können. Mit einem Sieg im Spiel um Rang fünf nahm das Turnierwochenende doch noch ein versöhnliches Ende. Wieder in St. Gallen angekommen, blickten wir zurück auf Unihockey, tschechische Kultur und das Nachtleben von Prag – tolle 3 Tage! Auch dieses Jahr fahren wir wieder an ein internationales Turnier. Wo dies sein wird, ist jedoch noch nicht bekannt.
Am Sonntag, dem 17. Mai 2009, ist es so weit: Der UHU spielt sein erstes Spiel im Schweizer Cup gegen die Degersheimer All-Stars. Gegen die Mannschaft aus Degersheim, welche auch in unserer Gruppe spielte, gewannen wir beide Meisterschaftsspiele, mit 11:7 respektive 6:4. Beide Spiele waren hart umkämpft und auch für das Cup-Spiel vom 17. Mai ist ein spannender Match zu erwarten. Das Spiel dauert 3 mal 20 Minuten und wird effektiv – also mit Anhalten der Spieluhr bei Unterbrüchen – ausgetragen. Zuschauer begrüssen wir gerne um 15 Uhr im Athletikzentrum in den Hallen 2 und 3, das Spiel dauert ungefähr 2 Stunden.
Moskau ist eine Stadt der tiefen Gegensätze. Sie ist Weltstadt und Moloch, sie ist sexy und dreckig, sie ist unfreundlich und gesellig, sie ist bettelarm und unfassbar reich. Für eine Woche fuhren 20 Studierende der HSG in das Herz Russlands, um die Extreme der grössten Stadt Europas einzufangen.
Zuvor hatten im ersten Teil des EuroTour-Austausches 20 Studierende der Lomonossov-Universität für sieben Tage die Schweiz besucht. Auf einer Tour durch das ganze Land – ermöglicht durch die finanzielle Unterstützung u. a. von M&M Militzer und Münch – machten sich die Russen ihr ganz eigenes Bild von der «so ruhigen und süssen» Schweiz. In der Tat zeigt sich das Leben in Moskau von seiner hektischeren und vielfältigeren Art.
Das Bild der Moskauer Innenstadt ist geprägt durch das Spiel zwischen geschichtsträchtigen Bauten und sowjetgrauen Betonklötzen. Im Kreml glänzen eindrucksvoll die goldenen Kuppeln der Paläste und Kirchen, seine riesigen Mauern aus rotem Backstein verleihen dem Zentrum einen seltenen Klecks baulicher Farbe und historischer Aura. Direkt daneben stehen staubig graue Häuserblöcke in unzählbar beginnenden Reihen. Je weiter man von hier aus die Stadtmitte verlässt, desto zahlreicher und baufälliger werden die Gebäude – bis sie irgendwann in endlose Plattenbauten münden. Wenn Russland ein Problem mit Alkoholismus hat, spätestens hier findet man eine erste Erklärung dafür.
Die Stadt scheint manchmal durch den Smog und den Staub wie in einen braun-grauen Schleier gehüllt. Da helfen auch die unzähligen Strassenarbeiter nur wenig, die vom Bordstein bis zum Zaun jedes öffentliche Objekt zu bemalen scheinen. Und so wirkt die Stadt tagsüber bedrückt, fast schwermütig. Trotz der Massen an Menschen, die in Moskau unterwegs sind, sieht man kaum ein lachendes Gesicht oder einen freudigen Ausdruck. Diese emotionale Kälte ist wohl mit ein charakteristischer Grund für die zahlreichen Schönheiten unter den russischen Frauen. Bei den russischen Männern scheint dies jedoch nicht in gleicher Weise zu funktionieren.
Erst in der Nacht erwacht Moskau und seine junge Generation sammelt sich in Clubs und Bars. Jetzt beginnt der Puls der Stadt lebhafter zu schlagen und ihre Extreme und Eigenheiten werden noch offensichtlicher: Während in Sichtweite die Penner auf Alkoholreste warten, steht vor dem Club der Maybach. Ob und wer eingelassen wird, liegt in der frei ausgeübten Willkür der Türsteher oder an der eigenen Zahlungsbereitschaft. Im Club beträgt die typische Moskauer Geschlechterquote dann aber das genaue Gegenteil der St. Galler Quote: 70:30 für die Frauen. Gefeiert wird in Moskau hingegen nicht anders als in St. Gallen, ausser dass man im Moskauer Club auch schon mal das eigene Bordell mit dabei hat. Nur beim Wodka – und das war wohl die grösste Überraschung – waren die Gäste trinkfester und -freudiger als die Gastgeber.
In eindrücklicher Erinnerung bleibt die Nacht auf einem privaten Saunaboot, auf welchem die «Umkleiden» aus Zimmern mit Doppelbetten bestanden. Hier konnte man förmlich noch die reichen russischen Geschäftsmänner mit den Prostituierten auf den Polstern riechen. Abwechselnd wurden Bier und Vodka erst getrunken und dann in der Banja als Aufguss benutzt. Und auf diese Weise ergaben sich heitere Abende, durchtrunkene Nächte und einige Freundschaften.
Am Ende einer Woche Moskau bleiben lustige und bestürzende Eindrücke; die Erinnerungen an gute russische Freunde, einiges Erstaunen und eine tolle Zeit – ein kurzer Einblick in eine seltsam fremde Stadt.
Jede Sammlung fängt klein an. Jede Sammlung hat ihren Ursprung in einem Stück. Jede Sammlung hat ein gewisses Ziel. Alle Sammlungen haben im Endeffekt eine grosse Gemeinsamkeit: Alle sind ein Haufen von Werken, die ein oder mehrere Menschen über eine gewisse Zeitperiode zusammengetragen haben. Es gibt Sammlungen, die aus Unterbeschäftigung entstehen. Es gibt solche, die aus sozialen Statusgründen entstehen, und andere aus verqueren Motivationen. Letztlich gibt es Sammlungen, die reinem Interesse entspringen. Letztere sind die einzig guten und wichtigen.
Ein Freund von mir sammelte in jungen Jahren griechische Ziegelsteine. Heute hat er eine Kunstsammlung, bei der dem Betrachter die Spucke wegbleibt. Dieser Mann ist kein Multimillionär, der gelangweilt den schönen Dingen des Lebens frönt. Er ist ein mittelständischer Unternehmer, der mit Leidenschaft, Schweiss und Herzblut über das letzte Jahrzehnt in jeder Sekunde seiner spärlichen Freizeit der Sammeltätigkeit nachgegangen ist und jeden freien Rappen in die Auswüchse Kreativschaffender gesteckt hat. Mit grossem Erfolg. Alle, die etwas von der Materie verstehen und seine Sammlung sehen, zollen ihm Respekt. Aber noch viel wichtiger ist, dass er jeden Tag Freude verspürt beim Anblick der vielen grossartigen Farben, Konzepte und Formen, die seine Wände und unzählige Sockel in seinem Haus zieren.
Nicht jeder Sammler ist ein Mäzen, aber jeder Mäzen ist ein Sammler. Dieser Mann ist beides. Er suchte sich eine gewisse Anzahl Künstler und unterstützte sie unabhängig von der Nachfrage nach ihren Werken oder ihrer Marktposition. Er glaubte an sie und half ihnen teilweise über jene Probleme hinweg, die einem das Künstlerdasein so stellt. Sammler wie er sind die wichtigen in der Kunstwelt. Milliardenschwere Sammler wie François Pinault, Steven Cohen, Steve Wynn und David Geffen sorgen zwar für Schlagzeilen und sponsern viele Museen, wovon das zweite sehr wichtig und toll ist, sind aber eigentlich langweilige Leute, weil sie oft nur grosse, voll etablierte und vor allem teure Kunst sammeln. Sie unterstützen weder ganz junge Künstler, noch sorgen sie dafür, dass sich die Kunstgeschichte fortbewegt. Es ist zwar schön, wenn Werke von Rothko, Pollock, Newman, Matisse, Picasso, Warhol und Konsorten für die Öffentlichkeit zugänglich sind, letztlich sind sie aber aus Sammlerperspektive langweilig. Sie sind sichere Käufe, bei denen oft der finanzielle und soziale Aspekt überwiegt.
Die kleinen und mittelgrossen Sammler sind gezwungen, zu kaufen. Sie sind diejenigen, die viele noch gross werdende Künstler gross machen. Sammler wie der oben beschriebene Mann sind am wichtigsten für die Kunst, denn sie fördern Kunst als Selbstzweck und aus Freude, nicht aus finanziellen Gewinnabsichten. Moral von der Geschichte: Wenn man von anderen etwas lernen möchte, halte man sich an kleine und mittlere Sammler: die wissen viel mehr und sind für junge und unvermögende Leute wie unsereins viel interessanter.
Grosse Sammler haben im Wesentlichen zwei Dinge, die kleine nicht haben: Erstens sind da wohl die nötigen Millionen, um mit seinen Kollegen bei den Auktionen um Gemälde im siebenstelligen Bereich zu konkurrieren. Zweitens fehlen dem kleinen Sammler meist die Kuratoren und Berater. Wenn Herr Ringier (der Verleger) durch die Art Basel (die wichtigste Kunstmesse der Welt) schlendert, stehen ihm selbstverständlich seine Sammlungskuratorin Beatrix Ruf, ihres Zeichens auch Kuratorin der Zürcher Kunsthalle, und eine Horde anderer Berater und Schleimer zu Verfügung, die ihm alle etwas verkaufen wollen. An jedem Galerienstand wird er sodann mit Namen begrüsst und es werden ihm unzählige Angebote gemacht und er wird darüber aufgeklärt. Der kleine Sammler muss all dies alleine tun. Er muss sich informieren, er muss auf die Galeristen und Künstler zugehen und den Dialog suchen.
Sammeln fängt in der Regel mit Schauen an. Bevor man mit dem Aufbau seiner Sammlung beginnt, besucht man am besten jede Ausstellung, die man finden kann. Eines ist sicher: Man wird sich zu 95 % Schrott (und nicht den guten Schrott) ansehen müssen und aus den Wutanfällen nicht mehr rauskommen. Dass viel Blödsinn produziert wird, liegt nahe. Dass viel Blödsinn gezeigt wird, ebenso. Wer aber in dem Dschungel der Scheisse gute Ware findet, ist ein wahrer Connaisseur. Niemals darf man voreilige Schlüsse ziehen. Man muss dem Auge und dem Verstand Zeit geben und auf seine Gefühle hören. Mit der Zeit wird man auf gewisse Interessenschwerpunkte stossen. Dies ist ein guter Zeitpunkt, um zunächst mit dem Sammeln einer anderen Sache zu beginnen: Der gute Kunstsammler hat eine Bibliothek oder zumindest einen sehr umfangreichen Bücherstapel. Man braucht ja Nachschlagewerke und Bildungsquellen, um Epochen und Richtungen, Künstlerkollektive, Bewegungen, Galerien, Einzelpersonen und Ideen nachzuschlagen. Ein guter Künstler kommt selten allein und so sollte man sich immer überlegen, wo und zu welcher Zeit, in welchem Umfeld der oder die Kunstschaffende sein Werk kreierte. Nach ein, zwei oder zehn Jahren Schauen weiss man dann wohl – wenn man es richtig gemacht hat – gerade genug, um ein paar Franken, Pfund, Euro, Dollar oder ein wenig Gold in die Hand zu nehmen und sich das erste Werk zuzulegen. Zu bedenken bleibt, dass man im Grunde genommen noch nichts weiss und immer noch viele Fragen stellen und Dialoge führen muss, was sich eigentlich nie ändern wird.
Der Mythos, dass nur reiche Leute Kunst sammeln können und sollen, ist Blödsinn. In der Kunstwelt gibt es für jeden Geldbeutel etwas. Je nach Budget kann man sich mit Lithografien, Drucken, Editionen oder eben Einzelstücken die Finanzen zerstören. Editionen sind Auflagen, d. h. der Künstler kreiert von einem Werk mehrmals das gleiche bzw. sehr ähnliche Stücke und schreibt dies dann in der Regel neben der Signatur an. Man sollte beim Kauf von Editionen immer drauf schauen, dass die Auflage nicht zu gross ist. Je weniger, desto besser. Ich kaufe beispielsweise keine Editionen, die in einer grösseren Auflage als 10 produziert werden. Aber das ist letztlich auch persönlicher Geschmack.
Das Wichtigste neben Wissen ist beim Sammeln wohl Zeit. Man darf auf keinen Fall am Anfang zu viel in zu kurzen Zeitabständen kaufen. Jede Sammlung bekommt mit der Zeit eine Richtung, einen eigenen Charakter. Dieser wird sich verändern oder herauskristallisieren. Der Sammler wird mit der Zeit an Wissen, Erfahrung und auch an Kontakten gewinnen, was der Sammlung nur nützen kann. Je nachdem fängt man seine Sammlung mit Pop Art an und endet beim Minimalismus. Oder umgekehrt. Oder man kauft plötzlich asiatische Kunst. Oder Figuratives. Oder mischt alles durcheinander. Das ist alles persönlich und unterscheidet sich von Sammlung zu Sammlung. Was bei jeder Sammlung aber zu fragen bleibt, ist, ob man in die Breite oder in die Tiefe sammeln möchte. Breit sammeln heisst, dass man möglichst viele Künstler kauft, um möglichst gut einen gewissen Zeitabschnitt der Kunstgeschichte zeigen zu können. Tief sammeln heisst, dass man gewisse Künstler schwerpunktmässig sammelt, um deren Werk repräsentieren zu können.
Letztlich ist Sammeln eine persönliche Sache und jeder Sammler wird einen eigenen Stil entwickeln: Kauft man im Ausstellungsraum oder im Atelier, will man selbst sammeln oder hat man Kuratoren? Gibt man viel Geld dafür aus oder wenig? Etc. Wichtig ist, dass niemals der finanzielle Aspekt überwiegen darf, in welcher Form auch immer. Ich predige das zwar an der falschen Universität, aber in den Finanzen kann man keine Liebe finden, in einer eigenen Sammlung schon.