Eine Universität dient nicht dem Selbstzweck, sie dient neben der Forschung vor allem der wissenschaftlichen Ausbildung von Studierenden. Viele Services der Universität St. Gallen stehen also im Dienst ebendieser – ganz besonders zu Herzen nehmen sich das die Mitarbeitenden der Bibliothek.
Kernkompetenz: Recherche
Über 83 000 Ausleihen werden jährlich von den rund 9 400 aktiven Benutzenden der Bib getätigt. Neben dem Bestand haben letztere Zugang zu über 100 Datenbanken, rund 45 000 E-Journals und mehr als 165 000 E-Books. Die Bibliothek steht zudem nicht nur Universitätsangehörigen offen, sondern ist für die Öffentlichkeit zugänglich und wird auch rege von Anwohnerinnen und Anwohnern aus Stadt und Quartier genutzt. Der Fokus liegt trotzdem vorwiegend auf der Unterstützung der Recherchearbeit der Studierenden, Lehrenden und Forschenden an der HSG. Neben speziellen Anlässen wie der Nacht der Schreibkompetenz und den Coffee Lectures – kurzen Einführungen in verschiedene bibliotheksbezogene Themen – stehen für eine kompetente Rechercheberatung täglich Informationsspezialisten und -spezialistinnen bereit. Ein PC-Tutor und das Writing Lab bieten regelmässig Unterstützung im Informationsbereich der Bib. Zudem ist die Bibliothek natürlich auch ein wichtiger Lernort mit rund 550 Arbeitsplätzen für die Studierenden.
Den Studierenden verpflichtet
Zusätzlich zu diesem beeindruckenden Grundangebot hat es sich das Bibliothekspersonal zum Ziel gesetzt, für ihre Benutzenden die «extra mile» zu gehen. Anina Frigg ist die Innovationsbeauftragte der HSG-Bibliothek. Vor ihrem Studium der Informationswissenschaften absolvierte sie eine Ausbildung zur Buchhändlerin. «Vielleicht ist mir daher ein unternehmerisches und kundenorientiertes Denken geblieben», lacht sie während unseres Gesprächs. Dass sich die Bibliothek nach den Bedürfnissen und Ansprüchen der Studierenden richten muss und möchte – und diesen im besten Fall sogar zuvorkommt – ist für sie und das gesamte Bibliothekspersonal selbstverständlich.
Die Veränderung der Medienlandschaft, der damit verbundene Wandel der Art der Nutzung der Bibliothek, die mit wachsender Studierendenzahl deutlicher werdenden baulichen Einschränkungen – all dies habe aufgezeigt, dass Massnahmen ergriffen werden müssen, um die Bibliothek als Lern- und Arbeitsort attraktiv zu halten, erklärt Anina Frigg. Dass sich viel verändert hat, ist nicht zu übersehen: Auf die Einrichtung der Ideenwand, die übrigens bis heute digital betrieben wird und auf welcher Studierende auf ihre Posts vom Bibliothekspersonal innerhalb weniger Stunden Antworten erhalten, folgte als weitreichendste Veränderung die Aufhebung des Taschenverbots und die Ausweitung der Services für die Studierenden.
In der Bibliothek zuhause
Es sind diese «kleinen Dinge», aufgrund derer die Studierenden die Bibliothek gegenüber den Lernräumen im Hauptgebäude weit bevorzugen und die die Bibliothek zum zweiten Wohnzimmer machen: Ladekabel, Taschenrechner, Kopfhörer, sogar Decken gegen die Kälte und vieles mehr können ausgeliehen werden. Neu stehen zum Beispiel auf Anregung der Ideenwand auch zwei digitale Pencils zur Verfügung. Zudem bietet die Bibliothek einen sicheren Ort zum Aufladen von Smartphones und Tablets. In einem weiteren Schritt der Serviceverpflichtung gegenüber ihren täglichen Besucherinnen und Besuchern bietet die Bibliothek seit diesem Semester auch den Kontakt per Whatsapp an. Während der Öffnungszeiten können Anregungen und Fragen nun bequem per Direktnachricht geschickt werden. «Obwohl wir bis jetzt noch nicht viel Werbung gemacht haben, wird das Angebot schon sehr gut genutzt», freut sich Anina Frigg. Die meisten Anfragen seien leicht zu beantwortende Fragen zu Themen wie den Öffnungszeiten oder der Aus- und Fernleihe, die von den Mitarbeitenden sehr gerne umgehend beantwortet werden. Grundsätzlich sei das Whatsapp-Angebot genau dafür gedacht: zur schnellen Beantwortung von brennenden Fragen. Darüber hinaus sei der direkte Kontakt aber einfacher, macht sie deutlich: «Bei komplizierteren oder inhaltlichen Fragen schreiben wir dann, dass die Person doch bitte persönlich an der Ausleihe oder Rechercheberatung vorbeikommen soll – das ist einfacher.»
Nägel mit Köpfen, trotz Einschränkungen
Jeder, der eine gewisse Zeit in der Bibliothek verbracht hat, weiss, dass es auch grössere Herausforderungen gibt. Den planerischen Einschränkungen der Steckdosen, zum Beispiel, wurde nun mit Anschlüssen auf vielen Tischen eine kleine Abhilfe geschaffen. Anderes, wie die grundsätzlichen Platz- und Raumklimaprobleme sind HSG-intern bekannt und werden mit Massnahmen wie dem Learning Center und der Sanierung des Bibliotheksgebäudes angegangen, liegen aber ausserhalb des direkten Einflusses des Bibliothekspersonals. Umso wichtiger sei es, laut Anina Frigg, da zu handeln, wo handeln rasch möglich sei: Von der Ideenwand sind über die Jahre rund 90 Ideen direkt umgesetzt worden.
Wie viele Personen daran arbeiten, das von den Studierenden gewohnte Angebot zusammenzustellen, ist auf den ersten Blick nur schwer erkennbar. Ein Team von rund 40 Personen – knapp 30 FTEs (full time equivalent) – ist hinter den Kulissen beschäftigt. Auf die Frage, ob es etwas gibt, das sie den Studierenden auf diesem Wege gerne mitgeben möchte, hat Anina Frigg gleich eine Antwort: «Kommt! Wir freuen uns, wenn unsere Angebote genutzt werden, zum Beispiel die Recherchekurse, die wir anbieten!» Mit genau dieser Freude an der Unterstützung der Studierenden machen die Mitarbeitenden aus der Bibliothek eben ein bisschen mehr als nur einen Lernort.
Regula Dietsche, Sie sind Leiterin «Diversity & Inclusion». Damit untersteht Ihnen die Beratungsstelle «Special Needs». Was genau ist die Aufgabe von «Special Needs»?
Dahinter steht natürlich die Bundesverfassung und das Behindertengleichstellungsgesetz. Da geht es darum, dass insbesondere in der Bildung die Chancengleichheit sichergestellt ist. «Special Needs» ist somit nicht zuständig, wenn es um eine akute Grippe geht, sondern wenn es sich um eine Behinderung oder eine chronische Erkrankung handelt.
Wie läuft der Prozess zur Genehmigung von nachteilsausgleichenden Massnahmen genau ab?
Sollte ein Studierender oder eine Studierende von einer Behinderung oder einer chronischen Erkrankung betroffen sein, kommt diese Person zu «Special Needs». Ein Erstgespräch bei unserer Beratungsstelle ist obligatorisch, damit ein Nachteilsausgleich zugesprochen werden kann. Einerseits wird beim Gespräch überprüft, ob ein Arztzeugnis vorliegt. Andererseits wird angeschaut, welche Strategien die entsprechende Person bereits entwickelt hat, wo sie im Studium steht, ob es überhaupt Massnahmen braucht, ob es weitere mögliche Unterstützungsaspekte gibt, welche nicht auf einen Nachteilsausgleich hinauslaufen usw. Wir arbeiten bei Bedarf eng mit einer Vertrauensärztin zusammen. «Special Needs» geht mit einer Empfehlung und einer Überprüfung in die «Special Needs Task-Force». Dort findet erneut eine Überprüfung statt, ob der Antrag begründet ist, die Massnahmen verhältnismässig sind und sie auch wirklich einen Nachteilsausgleich schaffen, bevor er zum Studiensekretär geht, der die Massnahmen bewilligt und allenfalls ein Veto einlegen könnte. Bei einem Entscheid wird eine schriftliche Verfügung durch das «Service Center Prozesse, Planung, Prüfungen» erstellt und die nachteilsausgleichenden Massnahmen werden erlassen und entsprechend umgesetzt. Diese können beispielsweise mehr Zeit, einen separaten Prüfungsraum, eine Änderung der Prüfungsform bis hin zu Pausen oder vergrösserte Kopien beinhalten und gelten für die Prüfungen im aktuellen Semester.
prisma hat in einer vergangenen
Ausgabe über einen konkreten Fall berichtet, wo einem Studierenden mit einem Tinnitus-Leiden mehr Zeit und
ein separater Prüfungsraum gewährt wurden. Ausserdem mussten im Hintergrund Wal-Geräusche abgespielt werden. Da fragt man sich als Studierender schnell, ob das nicht irgendwann zu einem Vorteil wird.
Zu dem spezifischen Fall kann ich mich nicht äussern. Ich verstehe, dass bei den anderen Studierenden, v.a. wenn man solche Geschichten hört, das Gefühl aufkommt, hier finde eine Ungleichbehandlung statt. Hier sind zwei Punkte jedoch wichtig: Man weiss nichts über die Krankheitsgeschichte und man weiss nichts über die Qualitätssicherung, welche im Hintergrund abgelaufen ist. Wir haben auch nicht die Erwartung, dass die Studierenden das alles wissen. Die Sensibilisierung und das Appellieren ans Verständnis der Studierenden sind deshalb sehr wichtig.
Was ist Ihnen von Seiten
«Special Needs» wichtig?
Uns ist es sehr wichtig, dass wenn Studierende grössere gesundheitliche Probleme haben, lieber einmal zu früh zu uns kommen als zu spät. Es gibt immer noch Studierende, die leider erst kommen, wenn sie die Prüfungen nicht bestanden haben.
Wir haben bisher viel über Personen geredet. Ein anderer wichtiger Aspekt ist jedoch auch, was die Universität, das Umfeld und die Gesellschaft hinsichtlich inklusiver Bildung beiträgt. Das darf nicht vergessen werden. Besonders wichtig ist auch die bauliche sowie digitale Barrierefreiheit.
Bei der Wahl der richtigen Universität wird oft auf die Aussagekraft von Rankings gesetzt. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von (minder-)seriösen Rankinganbietern mit unterschiedlichen Methodiken. Vor den drei Namen QS (Quacquarelli Symonds), ARWU (Academic Ranking of World Universities) und THE (Times Higher Education) gibt es jedoch kein Entkommen: Die «Big 3» bewerten Universitäten einmal ganzheitlich und dann gemäss Disziplin. Während sich die anderen Kriterien und deren Gewichtung unterscheiden, setzen alle drei viel Wert auf Forschung. Deren Qualität wird dabei quantitativ erhoben – mittels Metriken wie z.B. Zitationen pro Publikation eines Instituts. Einige Informationen werden zudem qualitativ mittels Umfragen ermittelt: So basiert beispielsweise das Kriterium «Employer Reputation» des QS Rankings auf Umfragen in denen Arbeitgeber ihre bevorzugten Universitäten bei Rekrutierungen nennen.
Und auf dem Rosenberg?
Die Universität St. Gallen verfolgt eine öffentlich einsehbare Ranking-Strategie: Im Fokus ihrer Ambitionen stehen die Rankings der Financial Times (FT), des Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und des Handelsblatts. Mit zwei deutschsprachigen Rankings überrascht diese Auswahl leicht. Wirft man einen Blick auf den Fächerkanon der HSG, scheint Internationalität doch eine Kernkompetenz der Studierenden zu sein. Die verfolgte Strategie erklärt teilweise, wieso die HSG beispielsweise im FT-Ranking oben mitspielt aber bei den «Big 3» auf keinem nennenswerten Platz landet. Ausserdem ist die HSG als fachlich spezialisierte Universität nur minder für diese Rankings geeignet.
Vor- und Nachteile
Rankings liefern einen klaren Mehrwert – zum Beispiel Transparenz und Förderung der Konkurrenz im Bildungssektor – haben aber auch Schattenseiten: Denkbar ist, dass Universitäten Studierende bevorzugen, die durch ihre Nationalität oder ihr Geschlecht die Diversität erhöhen, um damit das Ranking zu manipulieren. Florian Weigert, Rankingverantwortlicher des Masters in Banking & Finance (MBF), erklärt, dass es im Aufnahmeverfahren des MBF auch bei den «weichen» Kriterien sehr klare Regeln zur Bewertung der zukünftigen Studierenden gibt. So fliesst zum Beispiel Arbeitserfahrung als eine Kombination aus Dauer und Art der Beschäftigung in die Wertung ein. Durch diese äusserst klar definierten Regeln wird sichergestellt, dass nur leistungsbedingte Faktoren im Bewertungsprozess gewichtet werden und Attribute wie Geschlecht oder Nationalität das Ergebnis nicht verfälschen. Auch die Vorwürfe, dass Kurse
mit Auslandsaufenthalt kostspieliges «Rankingtuning» seien, weist Prof. Dr. Weigert mit klaren Argumenten ab: «Dozierende im MBF haben weltweit wertvolle Kontakte in Forschung und Praxis und wir nutzen diese, um unseren Studierenden eine besondere internationale Erfahrung zu bieten.» Er fügt hinzu, dass die Studierenden nicht nur von gemeinsamer Auslandserfahrung als soziales Bindemittel profitieren, sondern auch die Möglichkeit erhalten, sich in einem förderlichen Umfeld intensiv mit einem gewissen Thema zu befassen.
Man kann von Rankings also halten was man will, doch eines sind sie bestimmt: Eine Orientierungshilfe im Meer an Universitäten, die um angehende Studierende buhlen.
Spätestens wenn sich das Studium zu Ende neigt und es gilt, den «richtigen» Weg einzuschlagen, setzt bei manch einem Studenten die Frage nach dem ‘Wieso’ ein. Selbstreflexion und teilweise Orientierungslosigkeit sind heutzutage ein ständiger Begleiter, in der Karriere, wie auch im gesamten Leben. Das war aber nicht immer so und ist auch heute nicht überall der Fall. Dr. Patrizia Hoyer, Postdoc-Forscherin am Lehrstuhl für Organisationspsychologie (OPSY-HSG), erinnert uns daran, dass die Frage nach dem Sinn erstens eine Luxusfrage sei, die sich nur stellen kann, für wen Arbeit nicht nur die Existenzsicherung der Familie darstellt. Und zweitens sei es hauptsächlich der Westen, der sich grundsätzlich über die Arbeit definiert.
Wandel innerhalb der Arbeitswelt
In den letzten Jahren hat sich im Westen ein bedeutsamer Wandel ereignet. So zeichnet sich innerhalb der heutigen Generation von Studierenden eine graduelle Transition ab weg vom Wunsch der schnellen und steilen Karriere hin zum Ziel, Boss seines eigenen KMUs zu sein und damit eine höhere Wirkung zu erzielen.
Dem verstärkten Bedürfnis nach Impact sowie dem neuen Stellenwert von Unternehmertum versucht der Lehrstuhl für Organisationspsychologie mithilfe eines zeitgemässen Kursangebotes nachzukommen. So unterrichtet Hoyer seit ein paar Semestern auf Assessmentstufe den Kurs «Careers and Identities», der sich unter anderem mit dem gesellschaftlichen Kontext beschäftigt, in welchen das Konzept Arbeit eingebettet ist: «Was wir für eine sinnstiftende, gute Karriere halten, ist stark gesellschaftlich geprägt. So haben auch eine Universität wie die HSG oder die vertretenen Unternehmen an Career Fairs grossen Einfluss darauf, welchen Karriereweg die Absolventen einschlagen.» Auch Dr. Florian Schulz, Leiter der psychologischen Beratungsstelle und ebenfalls beim OPSY-HSG tätig, unterrichtet auf Masterstufe den Kurs «Selbstführung»: «Selbstführung beschäftigt sich mit der Frage, wie ich mich selbst nachhaltig durch Karriere und Leben führe. Diesen Ansatz finde ich aufgrund dieses dualen Fokus’ umfassender als blosse Karriereplanung.»
Seines Glückes eigener Schmied
Durch die angesprochenen Veränderungen ist ein höheres Mass an Selbstverantwortung gefragt. Konnte man vor einigen Jahrzehnten noch auf die Loyalität zwischen Firma und Mitarbeitenden setzen, muss man im heutigen Kontext der Globalisierung und der «Hire and Fire»-Mentalität flexibel bleiben und sich selbst um eine genügende Qualifikation oder einen Jobwechsel kümmern. Dadurch ist aber auch mehr Freiheit im Kopf entstanden, die man so früher nicht kannte. Diese Freiheit ist gleichzeitig ein Zwang: Man muss sich nicht nur für etwas, sondern vor allem gegen viele andere Optionen entscheiden.
Orientierungshilfe bietet dabei oftmals das eigene Umfeld, mit welchem man sich demnach ständig vergleicht. Allerdings ist es wichtig, den Unterschied zwischen dem positiven Austausch mit anderen und dem exzessiven Messen des eigenen Wertes an der Umgebung zu (er)kennen. Letzteres kann einen nämlich unzufrieden zurücklassen.
Genügsamkeit statt Perfektion
Hinter dem ständigen Gefühl, sich vergleichen und immer besser werden zu müssen, steckt unter anderem die Angst vor der eigenen Mittelmässigkeit: «Die Idee, mittelmässig zu sein, ist für viele Menschen nur noch schwer auszuhalten. Sie neigen dazu, sich stets mit jenen zehn Prozent zu vergleichen, die noch besser sind oder mehr haben. In der Werbung und in den sozialen Medien werden uns dann ständig Superlative gezeigt und uns suggeriert, dass wir selber in allem super, mindestens aber überdurchschnittlich sein sollen», erklärt Dr. Schulz. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es nicht genug Fortschritt geben kann. «In einem solchen System wird der Mensch immer als Mängelwesen betrachtet», ergänzt Hoyer und plädiert dafür, den Wert des Menschen wieder stärker von seiner vergangenen und zukünftigen Leistung zu entkoppeln. Gleichzeitig liegt es auch an jedem selbst, sich von diesem Optimierungszwang zu lösen. Stattdessen sollte man sich die Tugend der Genügsamkeit zu Herzen nehmen und wertschätzen, was man schon ist und hat und auch Dankbarkeit dafür empfinden, in eine privilegierte Welt hineingeboren worden zu sein.
Sinnsuche in der Praxis
Genügsamkeit ist jedoch einfacher gepredigt als gelebt. Fernab dieser Philosophie der Stoa gibt es alternative Methoden für die Konstruktion eines sinnstiftenden Lebens.
An der psychologischen Beratungsstelle wird unter anderem die Sinnkonstruktion durch Erzählung angewendet. Diese Methode hilft, die eigene Lebensgeschichte kohärenter zu beleuchten. Eine Variante davon stellt die Übung des Psychologen Dan McAdams dar: sein eigenes Leben in Kapiteln mit passenden Überschriften und einem Buchtitel erzählen. Dadurch sollte optimalerweise ein roter Faden ersichtlich werden, der jemandes Leben durchzieht. Auch mit einem Brief an sein Zukünftiges Ich kann man der Zukunft eine gewisse Sinnhaftigkeit zuweisen und sich über die gegenwärtigen Gefühle und Geschehnisse klar werden.
Schlussendlich läuft alles auf die Selbstreflexion innerhalb eines Rahmens hinaus. So empfiehlt Dr. Schulz, wichtige Facetten des Lebens, von den grossen Fragen bis zu den Routinen des Alltags, regelmässig in einem bestimmten Rahmen zu reflektieren. Gespräche mit guten Freunden, aber auch das Schreiben eines Tagebuches oder ein Spaziergang alleine an der frischen Luft können helfen, einen Raum für Reflexion zu schaffen.
Mehr als Trommeln im Wald
Eine weitere Methode, die über die Selbstreflexion hinausgeht, findet sich im sogenannten «Life Design». Dieses basiert auf der Notion, dass sich Menschen durchschnittlich 4.5 Leben wünschen, wie eine Umfrage unter Studierenden der Stanford Universität gezeigt hat.
Vielleicht möchte man verschiedene Karrierewege ausprobieren, als Neurochirurg Menschen von ihren Leiden befreien, als Jurist Gerechtigkeit üben. Vielleicht möchte man aber auch einfach die ganze Welt bereisen oder seiner Leidenschaft für die Violine nachgeben. Vielfach lassen sich solche Lebenswege nicht vereinen – weshalb wir uns im Schnitt 4.5 Leben wünschen. Doch wir sind keine Katzen, nicht mal halbe, und sind gezwungen sämtliche Wünsche, Ziele und Träume in einem Leben zu vereinen. Es gilt deshalb, Teile oder zumindest Bruchstücke all unserer Gelüste in dieses eine Leben zu integrieren.
Diesem Unterfangen widmet sich «Life Design». Was oberflächlich nach esoterischem Getrommel im Wald klingt und im Netz auch oftmals als solches verkauft wird, ist im vorliegenden Falle die systematische Anwendung von Design Thinking auf Lebens- und Karriereentscheide. «Life Design ist ein iterativer Prozess gespickt mit Methoden, die neue Gedanken, Emotionen und Erlebnisse kreieren», so Sebastian Kernbach, Dozent des Masterkurses «Designing Your Life». Er beschreibt die Disziplin weiter als eine gesunde Art, sich mit seinem Leben zu beschäftigen, die auch mit dysfunktionalem Denken in der Gesellschaft aufräumt, wie der Vorstellung, dass man im Leben nur einmal herausfinden müsse, was man will und den weiteren Verlauf des Lebens dann danach ausrichtet. «Im Life Design sagen wir, dass das Leben eigentlich immer ein fortwährendes Projekt ist. Man kommt nie an und auch der Sinn des Ankommens ist an sich schon ein dysfunktionaler Glaube: man muss gar nicht ankommen. Anstelle eines linearen Prozesses handelt es sich also vielmehr um einen iterativen», erklärt Kernbach.
Life Design als Prozess
Basierend auf dem Buch «Designing Your Life» von Burnett & Evans gliedert sich dieser iterative Prozess in vier Phasen mit unterschiedlichen Methoden. Die sogenannte ‘Design Challenge’ stellt den Prozessrahmen dar, der sowohl auf Mikro- als auch auf Makroebene angewandt werden kann. Eine Makro-Design-Challenge wäre beispielsweise die Frage «wie erreiche ich ein sinnstiftendes Leben?», während die Mikro-Perspektive sich mit der Optimierung der Morgenroutine beschäftigen könnte. Im Life Design versucht man dabei stets beide Aspekte zu berücksichtigen.
1. Understand
In einem ersten Schritt versucht man zu erörtern, was einen eigentlich im Leben antreibt. Im Zuge der Methode ‘me at my best’ sucht man sich dabei 2-3 Situationen aus seinem Leben aus, in denen man sich so richtig authentisch und «einfach wow» gefühlt hat. Diese werden im Anschluss dem Life Design Team, bestehend aus 3-5 Personen, erzählt. Dieses hat dann die Aufgabe rauszufinden, welche Fähigkeiten in den Geschichten versteckt sind. Eine alternative (Mikro-)Methode ist das ‘Customer Journey Mapping’ womit pain points innerhalb eines Ablaufs (z.B. Morgenroutine) identifiziert werden können.
2. Define
Im zweiten Schritt geht es darum zu definieren, was man ändern will, respektive auf welchen Punkt man sich im weiteren Verlauf fokussieren wird (z.B. ein gesünderes Frühstück innerhalb der Morgenroutine).
3. Ideate
Ausgehend vom zuvor identifizierten pain point werden Ideen generiert. Eine Möglichkeit hierfür ist Job-Bingo: Eine Tabelle mit den Reitern Skills, Interests, Values, Who, When, Where wird entsprechend ausgefüllt und dann dem Team zur wahllosen Gruppierung vorgelegt. Darauf basierend werden im Anschluss Job-Ideen gesammelt. In einem letzten Schritt teilt man die Fülle an Ideen in drei Kategorien ein (1=toll, 2=interessant aber ein wenig komisch, 3=eher weniger). Dieses Vorgehen ist typisch für den Life Design Prozess: «Man muss unterscheiden zwischen divergentem und konvergentem Denken: im divergenten Denken generieren ich und/oder mein Team Optionen. Dann muss ich aber konvergent entscheiden, was ich verfolgen will und das ergibt dann diese drei Kategorien», erklärt Kernbach. Während Job-Bingo eine sehr explizite Ausprägung hat, ist der dreiteilige «Odyssee-Plan» von impliziterem Charakter. In einem ersten Fünfjahresplan werden die persönlichen Annahmen bzgl. dem erwarteten Verlauf des eigenen Lebens während dieses Zeithorizonts skizziert resp. visualisiert. Unter der Annahme, dass dein Leben sozusagen zurückgespult wurde und nichts mehr vom Status Quo existiert, wird der zweite Plan skizziert. Der dritte Plan steht unter dem Motto: «Status and money don’t matter at all. What do you do?» Auch diese Methode ist von einer Besprechung mit dem Team und einer Selektion von 2-3 Aspekten gefolgt.
4. Prototype & Testing
Dieser Phase vorgelagert ist die Methode «Stairway to Heaven»: in individu-
ellen Zeithorizonten werden die auserkorenen Job-Ideen als «Endzie» eingetragen. Dann wird überlegt: «Wie bringe ich diese weit entfernten Dinge schrittweise an mein Heute?» Schrittweise ist hierbei das entscheidende Schlüsselwort: «Jemand der kein Life Designer ist, denkt dichotomisch, also immer im Entweder-Oder. Wenn man z.B. im Management Consulting nicht glücklich ist, ist die Schlussfolgerung, dass man einen neuen Job braucht. Ein Life Designer hingegen denkt differenziert: was genau gefällt mir an meinem Job nicht? Was reizt mich am potenziellen, anderen Job?», so Kernbach. «Im Life Design geht es darum, Erfahrungen zu sammeln und Entscheidungen nicht auf Basis von Annahmen, sondern basierend auf Erlebnissen zu treffen. Mini-Erlebnisse sind immer bessere Entscheidungsstützen als Annahmen.» Solche Mini-Erlebnisse können in der Prototyping-Phase zum Beispiel durch Internetsuche, Interviews, Schnuppern und Praktikas gewonnen werden. Aufgrund des dadurch resultierenden Erkenntnisgewinns verändert sich Phase 1 automatisch, das heisst man geht zurück, adaptiert das Wissen über sich selbst und durchläuft den iterativen Prozess ein weiteres Mal. Irgendwann gelangt man damit dann hoffentlich zur Solution.
Übergreifende Prinzipien
Life Design kann grundsätzlich jeder betreiben. Dazu benötigt man allerdings das richtige Mindset sowie ein wertschätzendes, empathisches Team: Denn wie das Prinzip der «radikalen Kollaboration» proklamiert, ist Life Design nie ein Solo-Projekt, sondern bedarf einem «resonating board», das bei der Differenzierung hilft. «Dieser Team-
approach ist sicher etwas, was Life Design von herkömmlicher Karriereberatung unterscheidet», kommentiert Kernbach. Das zweite Mindset ist «Bias to Action»: Probieren geht über studieren – jedenfalls solange man nicht gleich das ganze Leben Hals über Kopf vollständig umkrempelt. Dies stimmt auch mit Hoyers abschliessendem Rat an uns Studierende überein: «Don’t put all your eggs in one basket.»
Keine vier Wochen sind seit der bewegenden Abschiedsvorlesung von Thomas Dyllick vergangen. Die – haltet euch fest – 44-jährige HSG-Karriere des gebürtigen Deutschen hat ihr zumindest formelles Ende gefunden. Klar, dass nach einer solch langen Zeit Wehmut vorhanden ist, doch selbstverständlich sei er deswegen noch lange nicht fertig: «Ich habe noch viel Energie», stellt der 64-jährige Professor in Nachhaltigkeitsmanagement klar.
Einige Tage nach seiner letzten «Show» im Audimax blickt Thomas Dyllick voller Dankbarkeit auf sein bisheriges Leben zurück: «Es gibt keinen Traum mehr, den ich mir noch nicht erfüllen konnte», sagt er, der als jüngster von vier Brüdern aufgewachsen ist. Sein allergrösstes Ziel, es den älteren Brüdern mal richtig zu zeigen, realisierte er grandios. Schliesslich schaffte kein anderer seiner Brüder den Sprung in die «Academia».
Doch wieso ist Dyllick, der in gut-bürgerlichem Haus in Freiburg im Breisgau aufgewachsen ist, überhaupt jemals in St. Gallen gelandet? Sein Vater war Inhaber eines Baugeschäftes. Demnach war klar, dass der Sohnemann eine gute Universität zu besuchen hatte. Vorerst begann der junge Dyllick in Freiburg Mathematik zu studieren. Doch die Materie war ihm aufgrund der Abstraktheit schliesslich zu langweilig, sodass in der Folge die Wahl auf «eine gute Wirtschaftsuniversität» fiel. So stieg Dyllick im zarten Alter von 21 Jahren an der HSG im dritten Semester ein. Als Student respektive Doktorand konnte er sich nicht vorstellen, im provinziellen und langweiligen St. Gallen zu bleiben. So verzog er sich in der Folge immer wieder ins Ausland; war beispielsweise während zweier Jahre an der Harvard Business School. Doch er kam stets wieder zurück – die HSG und insbesondere ihre familiäre Kultur liess ihn nicht mehr los.
Auf seine Studienzeit blickt Thomas Dyllick sehr gerne zurück: «Ich führte ein lustiges Leben, wollte aber gleichzeitig etwas verändern und war bereit, Verantwortung zu übernehmen.» Da sich das Büffeln für die sehr guten Noten in engen Grenzen hielt, blieb viel Zeit für extracurriculares Engagement. So schlüpfte Dyllick etwa fürs Studententheater in die Rolle des priesterlichen Unternehmers und war auch sonst sehr stark in der Vereinslandschaft engagiert.
Dyllick studierte BWL, doch seine Vertiefungsrichtung Finanz- und Rechnungswesen fand er gegen Ende des Studiums furchtbar langweilig. Die eigentliche Erleuchtung erlebte er dann während einer Konferenz des SCO, heute Oikos, an welcher die Themen Umweltschutz und Umweltmanagement diskutiert wurden. «Die lieben Kommilitonen waren damals meines Erachtens zu unkritisch und vor allem zu unterwürfig gegenüber den Wirtschaftsvertretern», blickt Dyllick zurück. So sah er sich gezwungen, seiner Unzufriedenheit im Rahmen eines prisma-Artikels unter dem Titel «SCO: Quo vadis?» freien Lauf zu lassen (siehe «Aus dem Archiv» auf Seite 53). Daraufhin sprach er sich mit dem damaligen Präsidenten des SCO aus und kurze Zeit später war Dyllick seinerseits SCO-Präsident. Im Folgejahr organisierte er, der Verantwortung wahrhaftig nie scheute, das Symposium zur Thematik erneuerbarer Energien. Thomas Dyllick war auf bestem Wege, seine Berufung zu finden.
Vom SGMM-Vater geprägt
Daraufhin schrieb Dyllick seine Dissertation und dann auch Habilitation bei Hans Ulrich, dem Vater des von Assessies heiss geliebten SGMM. Bis heute ist Ulrich jener Mensch, der Thomas Dyllick am meisten geprägt hat – obwohl sein Doktorvater ein miserabler Redner gewesen sei. In der Folge hatte Dyllick, der generell mit begrenztem Selbstbewusstsein zu kämpfen hatte, eine schwere Zeit durchzustehen. Während seiner Tätigkeit als vollamtlicher Dozent war lange unklar, ob er den Schritt zum Professor tatsächlich schaffen würde. Schliesslich wurde das Institut für Wirtschaft und Ökologie gegründet und er zum ausserordentlichen Professor auserkoren. «Ab diesem Zeitpunkt war alles wunderbar», gibt der 64-Jährige zu Protokoll.
Zwischen 2001 und 2003 war er Dekan der heutigen School of Management und verantwortete die Bologna-Reform für die BWL. «Das war eine riesige Herausforderung, da sich niemand über grosse Veränderungen freut.» In der Folge holte ihn der damalige Rektor Peter Gomez als Prorektor für Lehre und Qualitätsentwicklung ins Rektorat. Während seiner acht Jahre als Prorektor baute Dyllick das gesamte Qualitätsmanagement auf – insbesondere flächendeckende Studierendenbefragungen. Auch hier machte er sich mit seinem Pioniergeist kaum Freunde: «Niemand lässt sich gerne bewerten, vor allem nicht Professoren.»
Während seines Schaffens legte Dyllick stets Wert darauf, sowohl die Schiene Wissenschaft als auch diejenige der Praxis zu fahren. So wurde beispielsweise die ÖBU – die Schweizerische Vereinigung für ökologisch bewusste Unternehmensführung – ausgehend von Oikos und mit aktiver Hilfe von Thomas Dyllick 1989 gegründet. Darüber hinaus stand und steht er Vereinen wie Oikos oder Student Impact stets aufopfernd mit Rat und Tat zur Seite – bei Oikos amtet er beispielsweise seit 1990 ununterbrochen als Beirat.
Burnout ausgeschlossen
Bei dieser unfassbar breit gefächerten Engagement-Palette schweifen die Gedanken rasch in Richtung eines potenziellen Burnouts. Umso mehr erstaunt Dyllicks Antwort: «Ich hatte nie ein Burnout und werde auch nie eines haben – das Leben ist viel zu schön.» Ausgleich zur grossen Arbeitsbelastung findet er bei seiner Familie und früher auch im professionellen Tischtennis. Zudem kocht er wahnsinnig gerne: «Ich liebe es, auf den Markt zu gehen und anschliessend mit frischen Lebensmitteln zu kochen – und zwar am liebsten für viele Leute.» Selbstverständlich geht er auch an Essen und Trinken mit einer Nachhaltigkeitsperspektive heran.
Aus erster Ehe hat Thomas Dyllick vier adoptierte, haitianische Töchter, zu denen er ein sehr herzliches und enges Verhältnis pflegt. Gleich zwei Töchter trugen am Abend der Abschiedsvorlesung von tiefstem Herzen kommende Beiträge bei.
Seit drei Jahren ist Dyllick neu verheiratet und wohnt in einer kleinen Wohnung in der St. Galler Altstadt – «wieder fast studentenartig». Seine jetzige Frau lebt in Lausanne, weshalb er oft quer durch die Schweiz reist. «Ich lebe seit 44 Jahren in der Schweiz und fühle mich hier mehr zu Hause als in Deutschland», stellt Dyllick klar. So bezeichnet er, der gerne jasst und seit Erhalt des roten Büchleins keine Abstimmung verpasst hat, sich heute stolz und gleichzeitig schmunzelnd als «richtigen» Schweizer.
Opfer des eigenen Erfolgs
Das Grössenwachstum der HSG betrachtet Thomas Dyllick als grosses Problem, da die HSG vor einer tiefen Kulturveränderung steht – weg von der überschaubaren, geradezu familiären Kultur. Hinzu kommt der Medical Master, welcher der HSG von der Politik aufs Auge gedrückt wurde. «Das führt zu einer Zersplitterung, die ganz schwierig wird», warnt der HSGler in persona. Auch den sechs neuen Professuren im Bereich der Digitalisierung steht er kritisch gegenüber. Aufgrund all der aufkommenden Probleme ist Dyllick dann doch nicht unglücklich, dass er nun in den Hintergrund treten kann.
Doch auf einen entspannten Lebensabend hat er vorerst keine Lust: Dyllick wird thematisch genauso weiterforschen wie bisher und weiterhin mit Doktoranden zusammenarbeiten. Auch den Weiterbildungslehrgang zu «Diploma in Advanced Sustainability» wird er gemeinsam mit seiner Frau weiterführen, um möglichst viele
«change agents» auszubilden. Darüber hinaus arbeitet das Ehepaar an einem innovativen Business-School-Ratingsystem. Dieses soll Aufschluss
darüber geben, inwiefern Business Schools zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen und ihre Absolventen für die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung ausgebildet werden. Getreu dem Motto: «Business Schools haben zu lange versucht, die besten in der Welt zu sein, statt die besten für die Welt.»
Die Universität St. Gallen sah sich in der nahen Vergangenheit mit einigen Skandalen konfrontiert. Jüngste Affäre: Die Jungfraubahn Holding AG, deren Verwaltungsratspräsident Thomas Bieger ist, wurde von der eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) wegen Marktmanipulationen gerügt. Diese sind aufsichtsrechtlich unzulässig, aber kein Straftatbestand. Die Nebenbeschäftigungen des Rektors und der Professorinnen und Professoren der HSG rückten daraufhin in den Mittelpunkt verschiedenster Diskussionen, welche unter anderem durch die Medien weitgehend abgedeckt wurden. Auch aus der Politik wurden Stimmen laut, welche das Konzept der Nebenbeschäftigungen kritisierten. So forderten im St. Galler Kantonsparlament die Fraktionen von FDP, CVP, GLP und SP eine unabhängige Überprüfung aller Nebenbeschäftigungen. Die St. Galler Regierung verlangt mehr Transparenz. Bildungsdirektor Stephan Kölliker will die Revision des Universitätsgesetztes vorantreiben. Bereits jetzt ist klar, dass der zukünftige Rektor keinen Nebenbeschäftigungen mehr nachgehen darf.
Das System wird hinterfragt
Die Causa Bieger hat die Kritik an den Nebenbeschäftigungen noch mehr ins Rollen gebracht. Von verschiedensten Personen aus Medien und Politik wurden Fragen gestellt. Beispielsweise ob es weiterhin opportun sei, dass der Rektor Nebenbeschäftigungen in der Privatwirtschaft nachgehe. Woher sich der Chef einer Bildungsinstitution dieser Grösse die Zeit nehme, noch anderen Beschäftigungen seriös nachzugehen. Ob nicht die Forschung und letzten Endes auch die Lehre unter der Tatsache leide, dass Professoren Nebentätigkeiten nachgehen.
Was ist mit der Vorbildfunktion, welche die Professoren einnehmen müssen? Sind die Professoren und insbesondere der Rektor überhaupt noch glaubwürdig, wenn es um
die Unbestechlichkeit der Wissenschaft geht?
Das System wird immer mal wieder Fehler generieren. Es ist jedoch kleinkariert wegen Einzelfällen Strafen zu entwickeln und Reglemente enger zu fassen, denn die positiven Effekte der Nebentätigkeiten sind einschlägig.
Verlasst das sinkende Schiff – wenn es denn nur eines geben würde
Die Nebentätigkeiten der Professorenschaft sind einer der vielen Gründe für den Erfolg der HSG – sie gehören zu deren DNA. Damit werden nicht nur viele Drittmittel aus der Wirtschaft beschafft. Die Universität profitiert auch von der Praxiserfahrung ihrer Professoren. Die Kritik an diesem Erfolgssystem nimmt ein beunruhigendes Ausmass an.
Zunächst ist anzumerken, dass die Professoren bei einer Vollzeitanstellung einen Tag in der Woche einer Nebentätigkeit nachgehen können, trotzdem aber zu hundert Prozent entlohnt werden. Es gibt an der HSG somit Regeln, übrigens auch bezüglich Spesen. Wenn bestimmte Personen jetzt so tun, als würde es diese nicht geben, dann stimmt das nicht.
Die HSG braucht Professoren, die in der Praxis tätig sind. Dadurch wird die Forschung wie auch die Lehre nicht schlechter, sondern besser. Es werden aktuelles Wissen und relevante Erfahrungen aus der Praxis in die Vorlesung integriert. Anstatt stupid BWL-Modelle auswendig zu lernen, wird auch über die Anwendbarkeit und vor allem die Nutzenstiftung diskutiert. Die Nebenbeschäftigungen helfen somit direkt der HSG.
Wollen wir wirklich Professoren an dieser Universität haben, die ihr Wissen lediglich aus Büchern beziehen? Wissen, welches vielleicht in den 60er- oder 90er-Jahren relevant war? Ein Erfahrungshorizont aus dem letzten Jahrhundert bringt uns Studierenden sichtlich wenig. Neue, praxisbezogene Einflüsse in Forschung und Lehre sind unabdingbar.
Durch die Nebenbeschäftigungen werden ausserdem wichtige Kontakte geschaffen. Gelder aus der Praxis fliessen in Projekte, mit welchen der Stern der HSG noch grösser gemacht wird. Zweifellos würde die HSG nicht in den Rankings auftauchen, oder in diversen Fachjournalen publizieren, wenn alles auf staatlicher Finanzierung basieren würde. Es würde nicht jene grosse Anzahl an Mitarbeitern in den zahlreichen Instituten geben, die einen wichtigen Beitrag für Forschung und Lehre leisten.
Leidet Forschung und Lehre?
Es ist sicherlich wichtig, ein gesundes Mass zu finden. Wenn zu viele Ressourcen in den Nebenerwerb gesteckt werden, dann ist das nicht optimal. Doch wie bereits erwähnt: Es gibt bereits Prozesse, die sicherstellen, dass dies gegeben ist.
Ausserdem gibt es zahlreiche konkrete Beispiele an der HSG von Professoren, die in der Praxis sehr aktiv sind und dennoch grosse Leistungen in Forschung und Lehre erbringen. Zum Beispiel Thomas Geiser. Im Jahr 1995 trat er an der HSG die Stelle als ordentlicher Professor für Privat- und Handelsrecht an. Er war Direktor des Forschungsinstituts für Arbeit und Arbeitswelten. Sodann war er akademischer Leiter des juristischen Programms, Vorstand der rechtswissenschaftlichen Abteilung und Prorektor. Daneben war er auch in mehreren Kommissionen engagiert. Er hat eine der grössten Vorlesungen an der HSG gegeben: die Assessment-Vorlesung in Privatrecht. Neben seinen universitären Pflichten ist Geiser Stiftungsrat der Kuoni und Hugentobler-Stiftung sowie Verwaltungsrat bei Kuoni und Aldi Suisse. Zudem sitzt er im Vorstand der Solothurner Filmtage, ist Geschäftsleiter der Stiftung Weiterbildung Film und Audiovision FOCAL und war Mitglied der eidgenössischen Filmkommission. Das Verzeichnis seiner Veröffentlichungen umfasst weit mehr als 400 Einträge. Publiziert hat er vor allem im Arbeits-, Familien- und Erbrecht. Thomas Geiser ist kein Einzelfall.
Gefragte Personen
Das Beispiel von Thomas Geiser zeigt ausserdem, dass etablierte Personen aus Forschung und Lehre sehr gefragt sind. Die Nachfrage nach Professoren und Personen mit einem Doktortitel in der Wirtschaft ist gross. Dazu muss man nur einen Blick in die Verwaltungsräte und Stiftungsräte werfen. Gibt es hier Grenzen? Könnte beispielsweise ein Professor VRP oder CEO von Glencore sein? Ist das überhaupt eine relevante Frage? Aus moralisch-ethischer Sicht wohl schon.
Für den zukünftigen Rektor jedoch sicherlich. Der Verzicht auf jede Art von Nebentätigkeiten soll im Kern wohl verhindern, dass der künftige Rektor in einer exponierten, öffentlich-wirksamen Position sitzt. Doch was heisst das für unbezahlte Mandate? Was heisst das für bezahlte Positionen, wo man auf die Bezahlung verzichtet? Das liegt wohl am Universitätsrat, das genauer festzulegen.
«Ade mitenand»
Die grösste Gefahr bleibt, dass wenn die unternehmerische Freiheit der Institute beziehungsweise der Professorenschaft eingeschränkt oder gar ganz genommen wird, sich irgendwann ein Professor dafür entscheidet irgendwo anders hinzugehen, oder sich zurückstufen lässt. Und dann ist es keine Frage mehr, dass die Forschung und die Lehre darunter leiden wird. Deshalb bleibt nur noch eine Frage: Wollen wir das wirklich für unsere Universität?
Anfangs Jahr fragte das prisma die HSG-Studierenden in einer gross angelegten Umfrage, welchen Einstiegslohn sie erwarten. Das Ergebnis: Rund die Hälfte der knapp 700 Umfrageteilnehmer schätzen ihn auf über 80 000 Franken. Dabei sind die Erwartungen der Studentinnen deutlich tiefer: Während 62 Prozent der Männer von einem Einstiegslohn von über 80 000 Franken ausgehen, tun dies gerade mal 35 Prozent der Frauen. Weshalb ist dieser Unterschied so gross? Und wie hoch sind die Einstiegslöhne von HSGlern tatsächlich? Um diese Frage zu beantworten, nehmen wir die Daten aus der Umfrage genauer unter die Lupe und suchen nach Erklärungen in aktuellen Forschungsergebnissen. Mit diesem Beitrag möchten wir unter den Studierenden eine wichtige Diskussion über Lohnerwartungen und Lohnverhandlungen anstossen. Dabei ein Hinweis vorweg: Eigentlich müsste jeder Aussage dieses Textes ein «tendenziell» oder ein «in der Regel» vorangehen, da diese natürlich nicht auf jede einzelne Frau beziehungsweise jeden einzelnen Mann zutreffen.
Einstiegslohn für HSG-Absolventen im Realitätscheck
Die Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen, dass die Erwartungen der Studierenden nicht überzogen sind, denn HSG-Absolventen vom Abschlussjahr 2016 verdienen ein Jahr nach Abschluss im Median 84 000 Franken (Bachelor), 89 000 Franken (Master) und 105 000 Franken (PhD). Wenn man davon ausgeht, dass sich der Bruttolohn innerhalb des ersten Jahres nach Studienabschluss nur geringfügig verändert, ist ein Einstiegslohn von mehr als 80 000 Franken somit relativ verbreitet. Auch über alle Schweizer Universitäten hinweg gesehen, liegt der Lohn von Masterabsolventen in Wirtschaftswissenschaften mit 84 000 Franken über dieser Schwelle. Dabei verdienen Wirtschaftswissenschaftlerinnen schweizweit ein Jahr nach Masterabschluss 2 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen – was aber noch immer deutlich über den Erwartungen* der HSGlerinnen liegt. Woher kommt diese Negativ-Verzerrung der weiblichen Studierenden?
Die Auswertung der prisma-Umfrage ergibt, dass die HSGler einen signifikant höheren Einstiegslohn als die
HSGlerinnen erwarten – selbst dann, wenn man die Verteilung der Umfrageteilnehmer auf Alter, Herkunft, Studienstufe, Studienrichtung oder angestrebte Branche berücksichtigt. Da die Lohnerwartung in Abstufungen von 20 000 Franken angegeben wurde (beispielsweise «60 000 bis 80 000 Franken») lässt sich der exakte Unterschied der Lohnerwartung zwischen Männern und Frauen nicht feststellen, dennoch bildet sich eine klare Tendenz ab.
Laut der prisma-Umfrage beeinflussen neben dem Geschlecht drei weitere Faktoren die Lohnerwartung von HSG-Studierenden erheblich: Die Lohnerwartung steigt einerseits mit zunehmendem Alter und andererseits mit der Wichtigkeit, die die Umfrageteilnehmer der Höhe ihres Einkommens zuschreiben. Zudem hängt ihre Lohnerwartung von der Branche ab, in die sie nach dem Abschluss einsteigen wollen. So erwarten Studierende mit den Berufszielen Consulting, Technologie, Banken und Versicherungen tendenziell mehr Lohn, als solche mit dem Berufsziel NGO. Das Geschlecht beeinflusst die Lohnerwartung jedoch durchgehend: Ist der Umfrage-Teilnehmer männlichen Geschlechtes, so sind seine Erwartungen deutlich höher als jene des weiblichen Geschlechtes. Es folgen einige sich teilweise ergänzende Erklärungsversuche dafür.
Frauen haben andere Karriereziele – oder?
Eine mögliche Erklärung für den Unterschied in Lohnerwartungen ist, dass Frauen in ihrem Berufsleben andere Prioritäten setzen als Männer. So geben in der prisma-Umfrage 46 Prozent der Männer an, dass es ihnen sehr wichtig sei, viel zu verdienen, während dies nur 28 Prozent der Frauen tun. Diese Angabe korreliert auch stark mit der Lohnerwartung der Umfrageteilnehmer. Wem Geld wichtig(er) ist, erwartet einen höheren Lohn. Man könnte vermuten, dass HSGlerinnen sich daher für Branchen interessieren, in denen der Einstiegslohn bekanntlich tiefer liegt und sie daher grundsätzlich mit einem tieferen Lohnniveau rechnen. Dies bestätigt sich jedoch nicht in den Daten: Auch in den Branchen mit vergleichsweise hohem Lohnniveau haben die HSGlerinnen tiefere Lohnerwartungen. So erwarten Frauen, die ins Consulting möchten, durchschnittlich weniger Lohn als Männer mit demselben Berufsziel. Es ist jedoch anzunehmen, dass Frauen wie Männer im Consulting dieselben Arbeitsbedingungen haben – weshalb erwarten also nicht beide gleich viel Lohn dafür?
Den HSGlerinnen könnte das Einkommen zudem weniger wichtig sein, weil sie eine tiefere Flughöhe in ihrem Job anstreben, um andere Ziele zu priorisieren und dafür Einbussen beim Lohn akzeptieren würden. Ähnliche Befunde machte eine Harvard-Studie: Frauen berichteten von einer grösseren Anzahl Lebenszielen und schätzten eine «Machtposition» im Beruf als weniger erstrebenswert ein als Männer – was auch auf die Absolventen desselben MBA-Programms zutraf. Offen bleibt bei dieser Feststellung, woher die unterschiedliche Anzahl an Lebenszielen sowie deren Gewichtung herrührt.
Ein weiterer Grund für die tiefere Lohnerwartung der HSGlerinnen könnte sein, dass sie vergleichsweise weniger Informationen über die Höhe von Einstiegslöhnen eingeholt haben. So stellt auch Ines Danuser, Leiterin Student Career Services beim CSC der HSG fest, dass sich Studentinnen im Karrierecoaching «eher schwerer tun mit der Klarheit zur Lohnhöhe und zu Lohnverhandlungen». Das CSC empfiehlt, vor dem Lohngespräch gründlich zu recherchieren. Das zahlt sich aus, denn der Einstiegslohn ist oft wegweisend für die zukünftigen Gehälter. Über die Jahre kann ein Lohnunterschied von wenigen Tausend Franken mit dem Zinseszinseffekt zu einer Differenz im sechsstelligen Bereich anwachsen. Wer bessere Informationen hat, kann eine klarere Position in der Lohnverhandlung einnehmen.
Frauen und der Mut, zu fordern
Dass Frauen tiefere Löhne erwarten, könnte zudem daran liegen, dass sie sich tendenziell unterschätzen und sich weniger zutrauen. Wies Bratby, Verhandlungscoach und Gründerin von «Women In Negotiation», ist nicht überrascht von dem Ergebnis der prisma-Umfrage: «Frauen haben viel öfter als Männer mit mentalen Barrieren zu kämpfen, wenn sie sich für ihre eigenen Interessen einsetzen müssen.» Dass Frauen weniger häufig verhandeln als Männer, zeigen auch die Ergebnisse einer Glassdoor-Studie: Während 48 Prozent der Männer angaben, ihren Lohn zu verhandeln, taten dies nur 32 Prozent der Frauen. Noch deutlicher war das Ergebnis bei MBA-Abgängern der Carnegie Mellon University: Neben 57 Prozent der männlichen Abgänger verhandelten gerade mal 7 Prozent der weiblichen ihren Einstiegslohn. Harvard Business Review wie auch Bratby begründen dieses Verhalten damit, dass von Männern schon früh erwartet wird, zu verhandeln, Frauen jedoch nahegelegt wird, sich um die Interessen anderer zu kümmern, weshalb sie seltener üben, mehr zu fordern.
Zudem erzählt Bratby, dass sich Frauen öfters Sorgen machen, dass eine Verhandlung die Harmonie beeinträchtigt. «Die gute Nachricht», ist jedoch laut Bratby, «dass sich Lohnverhandlungen durchaus positiv auf das Verhältnis zwischen Mitarbeiterin und Vorgesetzten auswirken. Denn die Angestellten verschaffen sich mehr Respekt, indem sie für sich einstehen.»
Die Ergebnisse der prisma-Umfrage zu den Lohnerwartungen stehen im Einklang mit zahlreichen Studien, die die Beobachtung machten, dass Frauen vor Berufseintritt durchschnittlich tiefere Lohnerwartungen haben als Männer – auch unter Berücksichtigung von Studienrichtung, akademischer Leistung und Karriereprioritäten. Nicht selten werden Unterschiede in Lohnerwartungen mit der geschlechtsspezifischen Lohnungleichheit in Verbindung gebracht. Die möglichen Gründe für die tieferen Lohnerwartungen von Frauen sind zahlreich und die in diesem Artikel angesprochenen Erklärungsversuche decken wohl nur einen Teil davon ab. Dennoch hoffen wir, mit diesem Beitrag Studentinnen, aber auch Studenten, motiviert zu haben, ihre Lohnerwartungen kritisch zu hinterfragen und vor dem Unterschreiben des nächsten Arbeitsvertrags nochmals nachzuhaken.
Daten & Methode
Quelle: An alle HSG-Studierenden gerichtete Online-Umfrage im Frühling (Januar-März) 2018
n = 673, davon 395 männlich und 295 weiblich
Methode: Lineare Regression, T-Test & Rank Sum Test, Spermans Rho
Sowohl ein T-Test als auch ein Rank Sum Test wurde angewendet um zu testen, ob der Unterschied in der Lohnerwartung zwischen Männern und Frauen signifikant ist, was auf dem 1 Prozent Signifikanzniveau bestätigt werden konnte. Mit der linearen Regression konnte gezeigt werden, dass die Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht auf die Population zurückzuführen ist (das heisst. der Unterschied in der Lohnerwartung liegt nicht an den Eigenschaften der befragten Person, sondern ist tatsächlich auf deren Geschlecht zurückzuführen). Ebenfalls konnte mit einem Rank-Sum Test gezeigt werden, dass es den Männern an der HSG signifikant wichtiger ist, viel zu verdienen als den Frauen der HSG. Da die Umfrageteilnehmer nicht eine absolute Zahl, sondern eine erwartete Lohnrange angaben, wurden die Ergebnisse der linearen Regression mit einem Spermans Rho Test überprüft.
Seit Frühling 2018 in aller Munde – die Bachelorstudierenden mit der Vertiefung in Betriebswirtschaft sprechen über die neue Reform. Kaum ist die Freude über das bestandene Assessment etwas abgekühlt, stellt sich die Frage: was nun?
Das Wichtigste in Kürze: Ab Herbst 2019 wird das Curriculum des BWL Studiengangs geändert. Im Zuge der Ablösung der Ordnung 2014 (O14) durch die Ordnung 2019 (O19) werden neue Hauptfächer hinzugefügt, die jedoch mit weniger (vier statt sechs) ETCS gewichtet werden. Somit wird die Kursanzahl bei gleichbleibender Anzahl Credits erhöht, was das Curriculum anspruchsvoller macht. Die Hauptfächer, so wie man sie bisher kennt, werden in dieser Form nicht mehr weiter angeboten – alle neun müssten also noch im Studienjahr 18/19 absolviert werden. Folglich stehen die Studierenden vor der Qual der Wahl: im alten System bleiben oder sich mit dem neuen befassen?
Warum das Ganze?
Die Reform BBWL soll dazu beitragen, das akademische Niveau der HSG zu erhöhen. Hierzu wird zum ersten Mal seit langer Zeit Informatik wieder in die Kernfächer aufgenommen. Dies steht im Zusammenhang mit der Berufung der vier neuen IT-Professuren, welche per 1. August eingestellt wurden, der Gründung des neuen IT-Departments sowie der Einführung der neuen IT-School im kommenden Februar. Letztere wird bei positiv ausfallender Abstimmung gar vom Kanton St. Gallen unterstützt. In diesem Fall würde die IT-School auch horizontal auf die verschiedenen Studiengänge ausgeweitet werden. BWL ist hiermit die erste Studienrichtung, bei der diese neue Informatikbewegung eingeführt wird. Ursachen sind die Digitalisierung und die heutzutage notwendigen IT-Skills, welche in einem solchen Studium nicht umgangen werden können.
Unendliche Wahlmöglichkeiten
Die HSG ist bekannt für ihr frei wählbares Curriculum – jeder kann sein Studium im Grossen und Ganzen frei gestalten und dies nicht nur in Bezug auf die Kurswahl, sondern auch auf den Belegungszeitpunkt. Möchte man nun im alten System weiterstudieren, ist man förmlich dazu gezwungen, alle Hauptfächer dieses Jahr abzulegen. Natürlich bietet sich die Möglichkeit, die Prüfungen ein (oder bei Krankheit zwei) Semester später zu schreiben, dies jedoch ohne Kursbesuch. Weiterhin sind Übungen der Fächer, welche bisher im fünften, respektive sechsten Semester belegt wurden, meist überfüllt, denn zwei Jahrgänge besuchen nun diese Kurse. Andererseits wird den Studierenden das zweite Jahr «entspannter» vorkommen: Nebst Wahlpflicht- und Fokusbereich-Fächern bleibt Spielraum für extrakurrikuläre Aktivitäten und Erfahrungen durch Praktika.
Ein Ausweg?
Für Neu-Bachelors, die sich weigern eine Entscheidung zu treffen, gibt es einige Möglichkeiten. Entweder folgt man der Empfehlung der Universität oder aber man wählt einen Ausweg. Zum einen bietet sich das ISC und die Organisation des St. Galler Symposiums an – eine Möglichkeit, nebst wertvollen Erfahrungen zahlreiche Campus-Credits zu ergattern. Zum anderen kann man ein Jahrespraktikum bei einer externen Firma oder Unternehmen ablegen. Alle Studierenden werden aber die Möglichkeit haben, ihr Studium zu vollenden und von der neuen Reform zu profitieren, sei dies mit der neuen Kernfachkombination oder durch das erweiterte Angebot der Fokusbereiche.
Die Wohnungsnot für Studenten sei schon lange ein Problem, wenn auch nicht für alle ein gleichermassen grosses, sagte Stephan Gmür, Präsident der Stiftung Studentenwohnungen der Universität St. Gallen, gegenüber dem Tagblatt. «Wir brauchen vor allem Wohnraum für Austauschstudenten, die nur für kurze Zeit nach St. Gallen kommen.» Während reguläre Studenten dank des vergleichsweise hohen Wohnungsleerstands in St. Gallen relativ einfach eine Wohnung oder WG finden, sei dies bei Austauschstudenten schwieriger.
Die Stiftung Studentenwohnungen verfolgt gemäss der Stiftungsurkunde den Zweck, eine «günstige Wohnungsfindung für Austauschstudierende» zu gewährleisten. Die SHSG hat sich an der Stiftungsgründung mit 200 000 Franken beteiligt, da sie weder die Professionalität noch Kapazitäten hatte, um den Wohnungsmarkt selbst zu bearbeiten. Die Liegenschaften sind zweckgebunden und gehörten ursprünglich der SHSG. Diese stellt selbst zwei Stiftungsmitglieder und ist bei strategischen Entscheiden involviert.
Unterschiedliche Studenten leben zusammen
Eine eigene Immobilie besitzt die Stiftung an der Langgasse 49 inklusive zusätzlich gemieteten Wohnungen in der Stadt. Ziel ist es, in Zukunft nicht mehr Wohnungen zu mieten, sondern eigene Immobilien zu verwalten. Grund dafür ist der teilweise schlechte Zustand der von der Stiftung gemieteten Wohnungen – das Verhältnis von Preis und Leistung stimmt nicht. Zudem besteht das Problem, dass die Wohnungen nur für etwa acht Monate im Jahr an Austauschstudierende vermietet werden können, für die Stiftung fallen jedoch trotzdem Kosten für zwölf Monate an.
Diese Problematiken haben gezeigt, dass ein eigenes Studentenwohnheim her muss – etwas Konkretes steht jedoch noch nicht fest. Der Fokus soll auf den Austauschstudenten liegen, sie sollen günstige Wohnungen beziehen können. Wie das ausgestaltet werden soll, sorgt momentan noch für Diskussionen. Es gibt zwei Möglichkeiten: Erstens Wohnungen mit jeweils einem Hauptmieter, welche diese an Untermieter weitervermieten. Dabei gibt es eine Küche, ein Badezimmer und einen Wohnraum, welche gemeinsam genutzt werden könnten. Die zweite Möglichkeit wäre das Modell aus den USA zu übernehmen. Die Studenten wohnen in einem eigenen Appartement mit einem eigenen Bad. Lediglich die Küche wird geteilt. Einen Aufenthaltsraum würde es nicht geben. «Ich sehe die Zukunft mehr in der ersten Möglichkeit, auch aufgrund der tieferen Mietpreise», meint Yannik Breitenstein, Präsident der SHSG.
Überbauung geplant
Auf dem Areal der ehemaligen Stadtsäge ist nunmehr von der Ortsbürgergemeinde eine Überbauung geplant. Bei der Realisierung des Projekts soll ein Grossteil der neuen Wohnungen für Studenten zur Verfügung stehen. Im Jahr 2020 könnten dann mindestens 150 Studenten an der Steingrüeblistrasse 26 in St. Gallen einziehen. Es wäre die erste Studentensiedlung der Stadt. Sie soll eine Mischung aus Studierenden der Universität, der Fachhochschule und der Pädagogischen Hochschule beherbergen. Damit möchte die Ortsbürgergemeinde gemäss Wettbewerbsprogramm einen Beitrag leisten, um St. Gallen als Bildungsstandort zu stärken und indirekt auch den Fachkräftenachwuchs zu fördern. Die hohe Nachfrage nach «studentengerechten Wohnräumen» in St. Gallen sei durch Abklärungen nachgewiesen. Aktuell bestehe Bedarf für mindestens 400 Studenten.